Passau. Mehr als 350.000 Euro Schaden sind am Haus von Johann Krompaß am Unteren Sand in Passau entstanden. Das Jahrhunderthochwasser riss alles mit sich, was nicht niet- und nagelfest war. Nun, einen Monat nach der Flut, ist der größte Dreck weg, das Haus ausgeräumt, die Böden rausgerissen. Was bleibt, ist ein beißender Geruch, ein unbewohnbares Haus und ein immenser Schaden. Zwei Wochen vergingen, bis Johann Krompaß sein Haus wieder betreten konnte.
„Ich war damals nervlich am Ende“, sagt er rückblickend. Der Passauer ist jedoch mittlerweile wieder zuversichtlich, will aus seiner misslichen Lage das Beste machen – und denkt auch an andere: „Die Familie meiner Schwester hat es noch viel schlimmer erwischt – drei ihrer Häuser sind nahezu komplett geflutet worden.“ Aus diesem Grund hat sich Johann Krompaß dazu entschlossen, die für ihn gedachte Spende, die das Onlinemagazin „da Hog’n“ gemeinsam mit dem gemeinnützigen Verein „Freyung Hilft e.V.“ gesammelt hatte, an seine Schwester Christine Holzinger weiterzugeben. „Die Häuser waren unsere Altersvorsorge, auf die wir die letzten zehn Jahre hingearbeitet haben. Das Wasser stand über den ersten Stock hinaus. Im Erdgeschoss ist alles zerstört worden“, berichtet sie. „Ich weiß jetzt gar nicht, was ich dazu sagen soll“, bedankt sich die Halserin bei den vielen Spendern aus dem Woid und ihrem Bruder, während sie mit den Tränen der Rührung kämpft. „Vielen, vielen Dank.“
Waidler helfen Passauern: Insgesamt wurden 11.000 Euro gespendet
Überaus erfreuliche 11.000 Euro haben die Hog’n-Leser im Rahmen der Aktion „Waidler helfen Passauern“ gespendet. Das Ziel: Die Gelder zu 100 Prozent jenen Passauern zu Gute kommen zu lassen, die alles verloren haben und ohne Sofort-Hilfe von außen nur schwierig oder gar nicht auf die Beine kommen. Die Wahl fiel schließlich auf diejenigen Passauer, auf die wir bei unserer Fahrt mit den Feuerwehren des Landkreises Freyung-Grafenau durch die zerstörte Dreiflüssestadt getroffen sind. Zum einen waren dies die Passauer Anton Hartl, Roland Kronschnabl sowie Johann Krompaß – zum anderen die aus Passau-Hals kommenden Klaus Selwitschka und Thomas Waldherr, auf dessen Schicksal wir über Bekannte aufmerksam geworden sind. Kürzlich machten sich die Hog’n-Redakteure Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer erneut auf nach Passau, um die Spendengelder an die Hochwassergeschädigten zu übergeben.
„Ein herzliches Vergelt’s Gott an die vielen Helfer“
Einer von ihnen ist Anton Hartl, Besitzer eines Fischereiladens an der Ortsspitze. Der Verkaufsraum stand komplett unter Wasser, die Schlammmassen türmten sich im Erdgeschoss, Wände, Böden Fenster und Ersatzteile wurden dahingerafft. Der 71-Jährige, der auch 2002 schon vom Hochwasser massiv betroffen war, beziffert den Schaden auf insgesamt 27.000 Euro. Bis auf die Scheiben bekommt er von der Versicherung keinen Cent erstattet. Glücklicherweise konnte die Familie den Großteil des Fischereibedarfs gerade noch in den 1. Stock retten. Dank der Hilfe der Schönberger und Schönangerer Feuerwehr sowie der Bundeswehrsoldaten war es Anton Hartl möglich, bereits zwei Wochen nach der Flutkatastrophe seinen Laden, den er seit mehr als 35 Jahren betreibt, wieder zu eröffnen. „Danke an die vielen Helfer – ohne sie wäre es sicher nicht so schnell gegangen“, sagt er und lächelt.
Noch immer laufen in seinem Haus die Trockner, der Geruch nach Wasser, Schmutz und Schlamm wird noch einige Zeit in den alten Gemäuern bleiben. In absehbarer Zeit soll der Angel-Verkauf laut Hartl eingestellt werden, der Passauer konzentriert sich dann auf seine Fisch-Verkäufe und die Herstellung von Fangnetzen. An die vielen Spender gerichtet, sagt er, der viele Jahre als KFZ-Mechaniker in Grafenau gearbeitet hat, abschließend: „Ein Vergelt’s Gott an alle Waidler.“
„Die Freyunger Soldaten haben gearbeitet wie die Stiere“
Auf mehr als 15.000 Euro wird der Schaden im Haus der Familie Kronschnabl am Oberen Sand geschätzt. Die komplette Elektronik, die Treppe sowie die Böden und Wände im Ergeschoss müssen erneuert werden. Zwar wurden die Schäden von Beamten der Stadt Passau aufgenommen – doch für Hauseigentümer gibt es vorerst nicht die dringend benötigte Soforthilfe, wie Roland Kronschnabl erklärt. Er bleibt deshalb mit seinen Problemen solange allein, bis die Politik eine Lösung gefunden hat.
Ganz anders war es in den Tagen der Katastrophe selbst. Eine ungeheure Solidarität und Hilfsbereitschaft machte sich in der Dreiflüssestadt breit. „Die Freyunger Soldaten haben hier gerarbeitet wie die Stiere“, lobt Kronschnabl die Bundeswehrler aus dem Woid. Er selbst machte in der Kreisstadt vor 30 Jahren seine Grundausbildung, ist seitdem mit Freyung eng verbunden. Umso erfreuter zeigt er sich über die Spende aus dem Bayerwald, mit der er erste Reperaturmaßnahmen in Angriff nehmen kann.
„Immer wenn’s zu regnen beginnt, bekomm ich’s mit der Angst zu tun“
Zumindest duschen können sich Dorothea (52) und Klaus (51) Selwitschka sowie Margit Bauer (81) mittlerweile wieder – der Rest ihres Haushalts ist immer noch provisorisch eingerichtet. 3,20 Meter hoch stand das Wasser in dem im 16. Jahrhundert erbauten Haus im Zentrum von Passau-Hals. Lange kämpfte die Familie gegen die Wassermassen, hatte aber letztlich keine Chance. „In diesen Momenten funktioniert man einfach – mehr nicht“, blickt Dorothea, genannt „Dorle“, Selwitschka auf die bittere Stunden der Flutkatastrophe zurück.
Insgesamt drei Tage verbrachte die Familie im zweiten Stockwerk ihres Eigenheimes, wurden von der Wasserwacht mit Essen und Getränken versorgt. Das ganze Ausmaß der Katastrophe ist den Halsern aber erst bewusst geworden, als das Wasser wieder weg war – das komplette Erdgeschoss muss entkernt, die Heizungsanlage erneuert werden. Insgesamt schätzt Klaus Selwitschka, dessen Mutter aus Philippsreut stammt, den Schaden auf rund 200.000 Euro. Das Leben in Hals geht weiter – Aufgeben kommt für ihn und seine Familie nicht in Frage. Doch trotz aller Zuversicht gibt der 51-Jährige zu: „Sobald es regnet, bekomm ich’s wieder mit der Angst zu tun. Irgendwann wird das Wasser wieder kommen.“
Doppelt bitter: Thomas Waldherr verlor Wohnung und Arbeitsplatz
Bis auf die Kleider am eigenen Leib alles verloren haben Thomas (28) und Natalie Waldherr (23) sowie deren Töchterchen Evelyn (4). Die Flut kam für sie so überraschend, dass die junge Familie Hals über Kopf in den ersten Stock geflohen ist – später gelangten sie ins benachbarte Elternhaus von Thomas, wo sie heute noch wohnen. Eine Rückkehr in das alte Mietshaus ist nicht mehr möglich – „das muss wohl abgerissen werden“, vermutet der 28-jährige Familienvater. Den Schaden schätzt er auf rund 27.000 Euro. Eine neue Unterkunft ist bereits gemietet: Die Waldherrs bleiben in Hals, ihre neue Bleibe liegt jedoch in sichereren, höheren Gefilden.
Doppelt bitter für den Halser: Nicht nur seine eigenen vier Wände verlor er durch das Jahrhunderthochwasser, auch sein Arbeitsplatz als Koch wurde buchstäblich weggeschwemmt: „Ich habe gerade gewechselt, wollte im Ratskeller in Passau anfangen – aber der Pächter hat angekündigt, dass er nicht mehr weitermachen wird.“
Glücklicherweise hat Thomas Waldherrs alter Arbeitgeber bereits zugesagt ihn wieder einzustellen. Trotzdem fehlt das Geld an allen Ecken und Enden. Deshalb kommt die Spende von der Aktion „Waidler helfen Passauern“ für ihn und seine Familie umso gelegener. „Mit diesem Geld richten wir unserer Tochter Evelyn wieder ein Kinderzimmer ein“, freut sich Natalie Waldherr. Ein kleiner Hoffnungsschimmer in schwierigen Zeiten.
Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer