Passau. Es ist noch gar nicht lange her, dass das Jahrhunderthochwasser die Passauer im gemeinsamen Kampf gegen die unvorstellbaren Wassermassen zu einer starken Solidargemeinschaft zusammenschweißte, da will die Stadt Passau auch schon wieder die ein oder andere Erinnerung an das prägende Ereignis aus dem Stadtbild löschen. Warum sonst sollte die Hochwasser-Installation „Schiffsbug aus Treibholz“, die bei Touristen und Einheimischen gleichermaßen beliebt ist, von der Ortsspitze verbannt werden?
Die Stadt Passau will das Geschenk partout nicht annehmen …
Auch Bernd Vordermeier kann sich nicht recht erklären, warum die Stadt Passau so sehr darauf erpicht ist, das Kunstobjekt zu entfernen – wie’s scheint, lieber heute als morgen. Ebenso wenig wie Konzertveranstalter Till Hofmann, Architekt Stefan Poxleitner, Zimmerer Alois Höngberger und Künstler Sebastian Fürst, mit denen der Passauer Architekt das „Hochwasser-Schiff“ im Sommer gemeinsam geplant und errichtet hatte.
Ursprünglich war der größtenteils aus angeschwemmten Fundstücken bestehende Schiffsbug von der Stadt Passau eigentlich auch nur für die Dauer des Eulenspiegel-Festivals und der Kunstnacht genehmigt worden.
Da das Schiff aber so gut ankam, wollten die Erbauer der Stadt das Flut-Symbol schenken. Doch die will das Geschenk partout nicht annehmen – aus Sicherheitsgründen. „Der Schiffsbug steht in unmittelbarer Nähe zum dortigen Spielplatz“, heißt es in einem Schreiben des Kulturdirektors Dr. Max Brunner. Es sei nicht ohne Weiteres zu erkennen, dass es sich nicht um ein Spielgerät handle. Eine räumliche Abgrenzung zum Kinderspielplatz sei nicht gegeben. Und weiter: „Nachdem für die Stadt Passau die Verkehrssicherungspflicht für das Objekt im Spielplatzbereich besteht, kann die Aufstellung des Kunstobjekts an diesem Standort nicht mehr länger zugelassen werden.“
„… aufgrund der nach wie vor schwierigen Haftungsfrage“
„Wenn ein Zimmerer und zwei Architekten sagen, dass ein Objekt sicher ist, dann dürfte das wohl stimmen“, entgegnet Bernd Vordermeier mit einer gesunden Portion Empörung in der Stimme.
„Unser Schiffsbug hat ein erneutes kleines Hochwasser ohne Probleme überstanden!“ Die Installation sei nach allen möglichen Sicherheitsaspekten durchdacht, entwickelt und gebaut worden. Und überhaupt hätte man der Stadt doch sogar Vorschläge gemacht, was man hinsichtlich einer Versicherung machen könne: „Eine Zulassung im Einzelfall“, oder: „einen gemeinnützigen Verein gründen, der eine Versicherung abschließt“… Eine Verlegung direkt an die Ortsspitze wurde ebenfalls abgelehnt – „aufgrund der nach wie vor schwierigen Haftungsfrage“, so Brunner.
Nicht nur die Schiffsbauer zeigen sich ratlos angesichts der städtischen Argumentation, auch Grünen-Stadtrat Stephan Bauer, der bereits vor über einem Monat bei Oberbürgermeister Jürgen Dupper schriftlich beantragt hatte, dass das Hochwasserschiff allen Bürgern zugänglich bleibt, kann nur den Kopf schütteln: „Ich habe wirklich noch von keinem einzigen Besucher gehört, dass es gefährlich wäre, sich auf dem Schiff aufzuhalten!“ Und bislang sei in den ganzen vier Monaten ja auch noch nie etwas passiert. Umso enttäuschter ist Bauer, wie mit seinem Antrag umgegangen wird.
„Das Hochwasser-Schiff soll weg, es ist angeblich zu gefährlich!“
„Nach mehrmaligen Nachfragen, wie die Stadt denn nun mit meinem Antrag verfahren will, habe ich erst am Mittwochabend erfahren, dass das Thema überraschenderweise auf der Bauausschuss-Sitzung am Donnerstag behandelt werden soll“, so Bauer.
Dabei ist Eile geboten, denn die Frist für den Abbau ist am gestrigen Freitag abgelaufen. Wird diese nicht eingehalten, sieht sich die Stadt dazu gezwungen, „Abbau und Abtransport vornehmen zu lassen“ und den Beteiligten „die dafür entstehenden Kosten in Rechnung zu stellen“.
Auch auf eine Presseanfrage der Hog’n-Redaktion, die wir der Stadt am Mittwoch zukommen ließen, wurden wir auf besagte Sitzung vertröstet. Man wolle dem Gremium nicht vorgreifen, ließ OB-Büroleiter Herbert Zillinger verlauten. Also verfolgten wir die Sitzung im Live-Stream, um Näheres zu erfahren. Nur: Als man endlich alle Tagesordnungspunkte abgehandelt hatte, ging man zum nicht-öffentlichen Teil über – und der Live-Stream war, ganz genau: weg. Wie Grünen-Stadtrat Stephan Bauer uns nach der Sitzung mitteilte, habe er die Öffentlichkeit zwar sofort wieder herstellen lassen, aber einen Stream gab es zu diesem Zeitpunkt leider nicht mehr…
Der Antrag an sich sei im Gremium sowieso nicht behandelt worden, so Bauer. Er hätte auch gar nicht behandelt werden können, weil er ja nicht auf der Tagesordnung stand. „Es ist nur ein Meinungsbild eingeholt worden. Und das war nach der drastischen Darstellung der ‚Sicherheitsmängel‘ und deren möglichen Folgen, wie Haftungsfragen oder auch Gefängnisstrafen für die Haftenden bei Todesfällen, ziemlich eindeutig. Nur ich und ein weiterer Stadtrat waren dagegen.“
„Wir empfinden das als eine richtige Watschn!“
Da die Stadt Passau damit nicht wirklich auf unsere Fragen eingegangen ist, haben wir dem Rathaus heute unsere Presseanfrage vom Mittwoch erneut zukommen lassen. Wann und ob der Schiffsbug nun von der Ortsspitze entfernt werden wird, steht indes in den Sternen – auch wenn die Frist für den Abbau bereits abgelaufen ist, wollen die Beteiligten in den kommenden Tagen nichts unversucht lassen, damit ihr Kunstobjekt an Ort und Stelle bleiben kann.
Bernd Vordermeier empfindet diese Entscheidung jedenfalls als richtige Watschn: „Wir haben da so viel Herzblut, so viel Energie und auch Geld reingesteckt! Erst räumen alle in einer nie zuvor dagewesenen Solidarität gemeinsam die Stadt auf – und wenn dann alles vorbei ist, soll jegliches Symbol dieses Zusammenhalts wieder wegkommen, damit man ja nicht an das Hochwasser erinnert wird! Das verstehe, wer will …“
Dike Attenbrunner