München/Mauth. So recht weiß Mauths (Noch-)Bürgermeister Max Gibis nicht, auf was er sich da eingelassen hat. Völlig überraschend wurde der 40-Jährige über die CSU-Liste in den bayerischen Landtag gewählt. Ab dem 7. Oktober wird der gelernte Bankkaufmann die Interessen des Wahlkreises 207 (Freyung-Grafenau/Regen) in der Landeshauptstadt München vertreten. Mit dazu beigetragen hat ein beeindruckendes Ergebnis der CSU bei den Landtagswahlen im Freistaat – ähnlich zufrieden zeigt sich Gibis mit den jüngsten Abstimmungen für die Union auf Bundesebene. „Das ist ein gigantisches Ergebnis, mit dem keiner so gerechnet hat.“ Locker, sympathisch, aber doch auch a bisserl nervös – so zeigt sich Max Gibis beim Gespräch mit Hog’n-Redakteur Helmut Weigerstorfer in der Fuchs’n-Stube in seinem Heimatdorf Mauth. Dort spricht der frisch gewählte Landtagsabgeordnete über die Momente nach der erfolgreichen Wahl, über seine Ziele in München und über einen Schicksalsschlag in seiner Kindheit.
Trotz Politik-Stress: Werden Sie sich auch künftig in der Fuchs’n-Stube ab und zu eine Halbe genehmigen?
Hoffentlich (lacht). Das ist mein Stamm-Wirtshaus, in dem ich mir schon ab und zu eine Halbe Bier kaufe. Wegen dem Wahlkampf war es in den vergangenen Monaten sowieso schwierig, Zeit für sich zu finden – zuvor aber war ich sonntagabends regelmäßig hier.
„Dienstag und Mittwoch werden die München-Tage werden“
Wie oft werden Sie eigentlich in München sein?
Genau kann ich das noch nicht sagen – vieles hängt auch davon ab, in welchen Ausschüssen ich bin. Meinen bisherigen Informationen zufolge werden Dienstag und Mittwoch die München-Tage werden – der Rest richtet sich nach den Ausschüssen.
Welche wären da die Favoriten?
Der Innenausschuss, weil dort die kommunalen Themen diskutiert werden – und als Bürgermeister hat man von diesen Themen die meiste Ahnung. Gegenüber den Entscheidungsträgern habe ich diesen Wunsch auch schon geäußert.
„10 Fragen – zehn Statements“: MdL Max Gibis spricht über wichtige Themen:
Wer entscheidet denn das genau?
Die Ausschuss-Sitze werden nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren unter den einzelnen Landtags-Fraktionen vergeben – die Verteilung innerhalb der Fraktion wird dann von der Partei bestimmt. Ich werde wohl in zwei Ausschüssen vertreten sein. Wunsch ist – wie schon gesagt – der Innenausschuss. Der Europaausschuss klingt im Hinblick auf die Europa-Region Donau-Moldau sehr interessant, auch der Petitionsausschuss würde mich interessieren. Im Rechtsauschuss würde ich mich eher nicht so wohlfühlen, der ist ja sehr spezifisch.
Landtagsabgeordneter Max Gibis – wie hört sich das an?
(lacht) An das muss ich mich erst gewöhnen – da braucht man einfach Zeit.
„Man braucht erst mal ein paar Tage, um alles zu kapieren“
Hand aufs Herz: Hätten Sie damit gerechnet, in den bayerischen Landtag einzuziehen?
Ganz ehrlich: Ich habe nicht damit gerechnet, in den Landtag gewählt zu werden. Meine Position auf der CSU-Liste war nicht gerade aussichtsreich – da mussten schon viele Faktoren zusammenkommen. Mein großer Vorteil war es, dass die FDP nicht mehr in den Landtag gewählt worden ist – sie hatten ja bis dato zwei niederbayerische Sitze im Gremium.
Starke Mittbewerber gab es auch aus der eigenen Partei.
Man steht auch in Konkurrenz mit den anderen CSU-Listenkandidaten – und da sind politische Schwergewichte wie Hans Ritt, Hans Koller und Florian Hölzl dabei. Diese Kandidaten haben entweder mehr Wähler in ihrem Stimmkreis oder ein kompakteres Gebiet.
Da war es für Sie schon etwas schwieriger.
Freilich. Ich war ja auch der Kandidat für den Raum Deggendorf. Es ist unendlich schwer, als Unbekannter dorthin zu kommen und sich einen Namen zu machen – genau das ist aber wichtig, weil viele Menschen diejenigen Politiker wählen, die sie auch persönlich kennen.
Während des Wahlkampfes haben Sie ihre Frau damit vertröstet, sie würden es sowieso nicht in den Landtag schaffen – wie hat sie nach dem unerwartet erfolgreichen Ergebnis reagiert?
(lacht) Sie war wahrscheinlich genauso geschockt wie ich. Man braucht ein paar Tage, bis man alles realisiert. Ich bin ja nicht wirklich davon ausgegangen, dass ich den Sprung in den Landtag schaffe.
Welche Umstellungen werden nun auf Sie zukommen?
Ich werde mir in München eine kleine Wohnung suchen – und dort auch ein Büro einrichten. Zum einen muss man ja heutzutage immer erreichbar sein, zum anderen werde ich auch mal mehrere Tage in München bleiben. Alles andere wird sich erst einpendeln müssen.
„Es dauert ein Jahr, bis man sich wirklich zurechtfindet“
Am 7. Oktober geht’s los in der Landeshauptstadt: Überwiegt die Vorfreude oder der Respekt?
Ich habe sicher einen gewissen Respekt vor meiner neuen Aufgabe in München. Einerseits freut man sich, es dorthin geschafft zu haben – dort kann man sicher einiges beeinflussen und bewegen. Andererseits muss man sich erst ein Netzwerk aufbauen und die Abläufe kennen lernen. Irgendwie ist es wie zu meiner Anfangszeit als Bürgermeister: Da habe ich auch erst mal Kontakte knüpfen müssen – es dauert ein Jahr, bis man sich wirklich zurechtfindet, erst dann kann man effektiv arbeiten.
Sicher wird auch ein bisschen Abschiedsschmerz dabei sein, schließlich endet die Zeit als Mauther Bürgermeister.
(überlegt) Das ist das weinende Auge. In meinen acht Jahren als Bürgermeister in Mauth habe ich einige Themen auf den Weg gebracht, die viel Zeit verschlungen haben und deren Vollendung noch ansteht – die Verbesserung der Wasserversorgung, die Dorferneuerung Finsterau, der Umbau der Schule in Finsterau. Das sind Dinge, die ich noch gerne zu Ende gebracht hätte.
Künftig können Sie sich ja von höherer Stelle für die Gemeinden einsetzen.
Es geht ja immer ums liebe Geld (lacht). Als Bürgermeister ist es unendlich schwierig, irgendwelche Projekte zu finanzieren – auch über Förderungen. Jetzt werde ich versuchen, dem Ganzen „von oben“ Nachdruck zu verleihen. Ich möchte, dass unsere Gemeinden eine bessere Finanzausstattung bekommen. Es soll mehr Geld in die Infrastruktur fließen.
„Man weiß, dass man hin muss – nicht, was einen erwartet“
Das hört sich alles sehr kompliziert an: Gibt es eigentlich irgendeinen Einsteigerkurs für Landtagsabgeordnete?
Es ist wie vor der Bundeswehr-Zeit (lacht). Man weiß, dass man dahin muss – man weiß aber nicht, was einem erwartet. In diesem Fall ist jetzt auch noch sehr kurzfristig. Und nein, Einsteiger-Lehrgänge gibt es nicht – aber mir helfen gestandene Landtagsabgeordneten wie Bernd Sibler, Gerhard Waschler und Helmut Brunner. Demnächst ist die erste Fraktionssitzung, dann sehen wir weiter…
Welche Ziele haben sie konkret?
Die Verteilung der Gelder muss gerechter werden. Nehmen wir als Beispiel die Feuerwehr-Förderung: Demnächst braucht die Gemeinde Mauth ein neues Tankfahrzeug HLF 20 – dafür gibt es eine Förderpauschale vom Staat. Diese Zuwendung bekommt aber die Gemeinde Mauth genauso wie Grünwald. Meine Kommune blockiert aber eine solche Investition zwei Jahre, Grünwald zahlt es aus der Portokasse. Das ist nicht gerecht – hier muss was geschehen!
Viel Verbesserungspotenzial.
Wenn es wirklich so sein soll, dass der ländliche Raum gestärkt wird, ist es unumgänglich, dass solche Förderungen gerechter ablaufen. Der Bayerische Wald hat ja immer wieder mit den gleichen Problemen zu kämpfen, wie zum Beispiel mit der Abwanderung der jungen Menschen. In Sachen Bildung hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan, unsere Jugendlichen werden gut ausgebildet – ziehen dann aber weg. Die ersten zarten Pflänzchen der Rückholaktionen sind schon erkennbar, aber da gibt es noch viel Arbeit. Wir müssen den Technologiecampi weiter eine solide Finanzausstattung geben, weil es auf Dauer nicht sein kann, dass die Kommunen deren Sachaufwandsträger sind. Im nächsten Schritt müssen wir Arbeitsplätze für gut ausgebildete Menschen schaffen.
„Wirtschaftsförderung muss hier höher sein als in München“
Wie kann man das erreichen?
Ein Aspekt ist die Behörden-Auslagerung – die muss weiter intensivieren werden. Langfristig betrachtet muss man investitionswilligen Firmen größere Anreize in unserer Region bieten. Über die Wirtschaftsförderung kann man das erreichen, sie muss aber im Bayerischen Wald wesentlich höher sein als im Donau-Raum, München oder Nürnberg. Das Ganze ist vergleichbar mit der Grenzlandförderung in den 60er-Jahren: Damals haben viele Firmen in unserer Region investiert, dadurch sind viele Arbeitsplätze entstanden. In diesem Zusammenhang muss aber auch die Anbindung unseres Raumes an die Autobahnen weiter verbessert werden.
Und der Breitband-Ausbau?
Da geht es gut voran. Das Verfahren ist zwar etwas kompliziert, aber durchaus machbar. Vor allem kleinere Gemeinden brauchen eine fachliche Unterstützung – und diese Kosten sind nicht förderfähig. Hier muss man nachjustieren, weil auch die Beratung zum Projekt an sich gehört.
Weg von der Politik, hin zum Privaten: Geboren in Zwölfhäuser auf dem Schuastaheisn Bauernhof haben Sie schnell gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Welche Rolle spielt dabei der frühe Verlust Ihres Vaters?
Wenn man gezwungen ist, früh Verantwortung zu übernehmen, prägt einem das sicher. Ich war gerade mal 14 Jahre alt, als mein Vater gestorben ist. Man lernt früh, selber Entscheidungen zu treffen und auch mit den Konsequenzen zu leben.
Was nehmen Sie von Ihrer Kindheit und Ihrer bisherigen Zeit im Woid mit in die Landespolitik nach München?
Das gesunde, vernünftige und sparsame Aufwachsen wird mir sicher zu Gute kommen. Mit fünf Kindern und ohne Vater konnten wir keine großen Sprünge machen. Und genau das fehlt unserer heutigen Jugend: Manchmal würde es nicht schaden, wenn es ein deutliches „Nein“ gibt.
„Nach den heutigen Ansprüchen ist vieles nicht mehr sozial“
Sie sprechen die fehlende Bescheidenheit an.
Uns würde ein geringeres Anspruchsdenken sicher weiterbringen. Insgesamt geht es uns wirklich nicht schlecht. Leider gibt es aber mittlerweile einige Leute, die zu kämpfen haben. Aber: Vor allem ältere Leute lassen sich nicht helfen – sie stellen keinen Grundsicherungsantrag, obwohl es möglich wäre. Aber diese Menschen sind einfach bescheiden aufgewachsen, wahrscheinlich schämen sie sich auch ein bisschen.
Leider hat sich die Gesellschaft so entwickelt, dass es überhaupt arme Menschen gibt.
Nach den heutigen Ansprüchen ist das nicht mehr sozial, ja. Viele denken: Wenn ich unter ein gewisses Geld-Level komme, muss der Staat dafür aufkommen. Das ist mit Sicherheit nicht gerecht, aber historisch einfach so gewachsen.
„Kein Staats- oder Wirtschaftssystem ist vor Krisen gefeit“
Eventuell muss sich einfach innerhalb der Gesellschaft was verändern.
Die Mentalität „Friss oder stirb“ setzt sich immer mehr durch. Es geht weg von der sozialen hin zur freien Marktwirtschaft. Solange man gesund ist und mitschwimmt, ist alles gut… aber sobald man einen Unfall hat oder krank wird, hat man ein Problem.
Ein schlechtes System, oder?
Kein Staats- oder Wirtschaftssystem ist vor Krisen gefeit. Der Grundgedanke der sozialen Marktwirtschaft ist der richtige, aber das Ganze kann auf Dauer nur funktionieren, wenn jeder, der in der Gesellschaft mitmischt, gewisse soziale Verantwortung übernimmt. Weil das nicht der Fall ist, ist ja die Diskussion um die Mindestlöhne erst entfacht worden. Und genau dann muss der Staat nachhelfen…
…schafft er das?
Nein, das wird er nie schaffen. Hat der Staat ein Problem gelöst, gibt es sofort kreative Menschen, die das nächstes Problem erkennen und ausnutzen.
Zurück zum Privaten: Sie waren Bankkaufmann bei der Sparkasse und stiegen schnell zum Abteilungsleiter auf. Wäre das – im Vergleich zur stressigen Politik-Welt – nicht der ruhigere Job gewesen?
Mit Sicherheit (lacht).
Warum dann der Schritt in die Politik?
Vor der Kommunalwahl 2002 waren die Verantwortlichen auf der Suche nach Kandidaten für die Gemeinderats-Liste. Als Bänker vor Ort – ich war damals in der Sparkassen-Filiale in Mauth beschäftigt – hat man eine gewissen Bekanntheit. Deshalb wurde ich gefragt, ob ich kandidiere. Das habe ich dann auch gemacht, weil ich schon immer an Politik interessiert war. Ohne großen Aufwand hatte ich dann auf der CSU-Liste die zweitmeisten Stimmen. Und bei uns war es damals so, dass alle drei Jahre gewählt wurde – entweder Gemeinderat oder Bürgermeister. 2005 ist dann das nächste Mal abgestimmt worden…
…und Max Gibis ist zum Bürgermeister gewählt worden.
Wegen des guten Ergebnisses bei den Gemeinderats-Wahlen hat mich der Mauther CSU-Ortsvorsitzender Sepp Geißinger überredet, bei der Bürgermeister-Wahl anzutreten. Und diese lief dann sehr gut für mich: Zwar musste ich in die Stichwahl, dort habe ich mich aber relativ souverän durchgesetzt.
„Habe vor den Wahlen keinen Nachfolger bereitgestellt“
Zuerst waren Sie aber noch als ehrenamtlicher Bürgermeister im Einsatz.
Genau. Während meiner ersten Periode habe ich noch halbtags in der Grafenauer Sparkasse als Abteilungsleiter gearbeitet. Um wieder in den Rhythmus zu kommen, stand 2008 bereits die nächste Bürgermeister-Wahl an. Ich wurde wiedergewählt – dieses Mal zum hauptamtlichen Bürgermeister.
Und wer folgt Ihnen nun im Amt?
Das ist noch völlig offen. Ich habe im Vorfeld der Landtagswahlen keinen möglichen Nachfolger bereitgestellt, zu gering hatte ich meine Chancen eingeschätzt – und ich wollte auch keinem falsche Hoffnungen machen. Aber bekanntlich ist es anders gelaufen (lacht). Demnächst werden wir innerhalb der Mauther CSU-Fraktion darüber entscheiden, wen wir ins Rennen schicken. Die Bürgermeister-Wahlen finden dann im Rahmen der Kommunalwahlen im März 2013 statt, bis dahin vertritt mich Irene Hilz.
Mit 40 Jahren haben Sie jetzt den Sprung vom Lokal- zum Landespolitiker geschafft. Das Ende der Fahnenstange? Oder gibt es bald den Staatsminister Gibis?
(lacht) Zuerst muss ich mich als MdL einarbeiten. Die Politik ist generell ein schnelllebiges Geschäft. Niemand kann sagen, was in fünf Jahren passiert. Sicher wird man als Landtagsabgeordneter wieder kandidieren, wenn es die Gesundheit zulässt. Was ansonsten kommen wird: keine Ahnung. Mein vorrangiges Ziel ist jetzt, mich als MdL zu etablieren und mich für meine Hoamad einzusetzen.
„Meine Frau und Töchter sollen nicht zu kurz kommen“
Was wünschen Sie sich generell für die nächsten fünf Jahre?
Ich wünsche mir, dass ich schnell Fuß fasse im Landtag und gute Arbeit leiste. Wichtig ist mir aber auch, dass ich meine neue Aufgabe vernünftig mit meiner Familie kombinieren kann – meine Frau und meine beiden Töchter sollen nicht zu kurz kommen. Ich möchte nach fünf Jahren Landtag zudem sagen können, dass ich was erreicht habe.
Herr Gibis, vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben – und viel Glück bei Ihren künftigen Entscheidungen als MdL
Interview: Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer