Freyung. Der Diplom-Wirtschaftsinformatiker Michael Burghart und der Diplom-Ingenieur Sven Plaga haben beide an der Hochschule Deggendorf studiert und gehören zu den ersten Mitarbeitern des Technologiecampus Freyung. Gemeinsam arbeiten sie an den Projektthemen „Elektromobilität“ und „E-Wald“. In unserer „G’forscht und Tüftlt“-Serie erklären die beiden Wissenschaftler, warum Elektroautos immer wichtiger werden, welche Bedeutung der Bayerische Wald in diesem Zusammenhang hat – und warum es nur dann ein günstiges Elektroauto geben kann, wenn auch die Leistung der Akkus besser wird.
„E-Wald: Es war nicht leicht, die Gemeinden davon zu überzeugen“
Herr Plaga, Herr Burghart, was ist das Projekt „E-Wald“? Auf welches Gebiet erstreckt sich das Projekt und welche Ziele werden verfolgt?
Plaga: Das Projekt „E-Wald“ ist ein gemeinsames Vorhaben der Hochschule Deggendorf mit regionalen Wirtschaftsunternehmen, die im Bereich der Elektromobilität arbeiten, wie zum Beispiel der „Technagon GmbH“ aus Haus im Wald. Schwerpunkt der Arbeitsgruppe Elektromobilität ist die Datenanalyse von Informationen aus Elektrofahrzeugen. Mit diesen Daten will man unter anderem herausfinden, welche Reichweite Elektroautos in einem unwegsamen Gelände wie dem Bayerischen Wald erzielen.
Burghart: Das Gebiet von „E-Wald“ umfasst etwa 7.000 Quadratkilometer und erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung vom Landkreis Cham bis zum Landkreis Passau und in Ost-West-Richtung vom Landkreis Freyung-Grafenau bis einschließlich des Landkreises Straubing.
Wie ist der derzeitige Stand von E-Wald?
Burghart: Alle Förderanträge zum Gesamtvorhaben, sowie die der Teilprojekte, wurden bis September letzten Jahres eingereicht. Den Förderbescheid zum vorläufigen Maßnahmenbeginn haben wir vor Kurzem bekommen.
Es war nicht einfach, die Gemeinden im Landkreis dazu zu bewegen, sich an E-Wald zu beteiligen. Was waren die Bedenken? Und warum ist es so wichtig, dass hier möglichst viele Gemeinden beteiligt sind?
Plaga: Es war in der Tat nicht leicht, alle Gemeinden zu überzeugen. Diese Aufgabe wurde aber vorwiegend von der Projektleitung am Technologiecampus in Teisnach übernommen, Freyung war hier nur unterstützend tätig. Zu den Bedenken gehörte unter anderem, ob die Beteiligung an einer „E-Wald GmbH“ zulässig ist. Also rechtliche Gründe, die aber seitens der zuständigen Ministerien mittlerweile ausgeräumt wurden. Ein weiterer Grund war natürlich auch die finanzielle Belastung durch die Vorfinanzierung der E-Wald-Ladesäulen in den Gemeinden.
„Es führt kein Weg an der Elektromobilität vorbei“
Warum ist es so wichtig, im Bereich der Elektromobilität zu forschen? Welche Verbesserungen erwartet man sich dadurch für welche Bereiche?
Burghart: Um Treibhausgase in der Atmosphäre zu reduzieren, Lärm zu vermeiden (bei Elektroautos fehlen die Motorgeräusche, Anm. der Red.), den Feinstaubausstoß zu begrenzen und den Ressourcenverbrauch von Öl und Gas zu vermindern, führt kein Weg an der Elektromobilität vorbei.
Plaga: Man erwartet sich davon eine sauberere Luft, weniger Straßenlärm und einen ressourcenschonenden Umgang mit fossilen Energieträgern. Gerade hier im Bayerischen Wald sind wir auf die Touristen in den Luftkurorten angewiesen. Deswegen haben wir als „Waidler“ auch die Pflicht, mit der Umwelt schonend umzugehen und sie zu schützen. Und dafür ist E-Wald die ideale Plattform.
Kann man denn bereits ein Umdenken bei der Autoindustrie feststellen? Setzt man hier schon auf Elektroautos?
Burghart: Das kommt darauf an, ob man die heimischen Automobilhersteller oder die asiatischen Autohersteller in die Betrachtungsweise miteinbezieht. Asiatische Autohersteller wie Toyota und Mitsubishi setzen bereits verstärkt auf Hybrid- und Elektro-Fahrzeuge. Die deutschen Hersteller sind da etwas zurückhaltender. Es soll zwar bald Elektrofahrzeuge von BMW und VW geben – aber eine Wende von Verbrennerfahrzeugen hin zu Elektroautos zeichnet sich hier noch nicht ab.
„Es gibt nur günstige Elektroautos, wenn die Akku-Leistung besser wird“
Aber Strom ist doch billiger als Benzin, oder? Ist das kein schlagkräftiges Verkaufsargument?
Plaga: Stimmt. Derzeit ist es noch deutlich günstiger mit Strom als mit Benzin zu fahren. Allerdings kommt dies auch auf die Entwicklung des Strompreises an. Aktuell kennen die Preise ja nur eine Richtung: nach oben.
Burghart: Pauschal kann man das jedenfalls nicht beantworten. Man muss eben auch sehen, dass das Autofahren, einmal abgesehen von den Energiekosten, auch noch andere Kosten verursacht. Berücksichtigt man die zusätzlichen Kosten wie Reparaturen, Service oder Verschleißteile, wird das Fahren mit elektronischen Fahrzeugen immer günstiger sein.
Warum?
Plaga: Der Strom wird vermutlich nicht so teuer werden wie Benzin oder Diesel. Und die teuren Verschleißteile wie Auspuff, Kühlwasserpumpe, Kühler oder Zanhriemen müssen nicht ausgetauscht werden, weil sie im Elektrofahrzeug gar nicht vorhanden sind. Außerdem sind Elektrofahrzeuge von der Kfz-Steuer befreit.
Wann werden die ersten Elektroautos denn in Serienproduktion gehen, damit sich jeder ein solches Auto leisten kann?
Burghart: Seriengefertigte Elektro-Fahrzeuge gibt es ja schon, wie zum Beispiel den Nissan Leaf oder den Mitsubishi iMiev. Seit diesem Jahr gibt es auch den elektrischen Smart von Daimler. Allerdings sind alle diese Fahrzeuge unserer Ansicht nach immer noch zu teuer. Die Preise werden erst dann bezahlbar sein, wenn die Akku-Technologie einen großen Schritt vorwärts gekommen ist.
Ist ein Elektroauto deswegen vielleicht zunächst nur als Zweitwagen empfehlenswert?
Plaga: Das kommt ganz darauf an, wie weit mit den Fahrzeugen pro Tag gefahren werden soll. Für alle diejenigen, die zur Arbeit weniger als 50 Kilometer haben, ist ein Elektro-Fahrzeug auch als Erstwagen eine Option.
„Wenn E-Mobilität hier funktioniert, dann tut es das überall!“
Wo stößt die Forschung derzeit noch an ihre Grenzen – und warum?
Burghart: Wir wissen, dass Elektro-Fahrzeuge in großen Städten durchaus effektiv einsetzbar sind. Was wir aber mit E-Wald herausfinden wollen, ist, ob sie sich auch im schwierigen Gelände mit unterschiedlichsten Witterungsbedingungen bewähren. Und dafür ist der Bayerische Wald die ideale Testregion.
Plaga: Unserer Ansicht nach ist die Akku- und Ladetechnologie derzeit der berühmte Flaschenhals. Die Akkus sind zu teuer, zu schwer und speichern noch zu wenig Energie.
Wie wichtig sind die Ergebnisse aus diesem Projekt für die Zukunft?
Burghart: Sehr wichtig. Große Fortschritte sind aber nur möglich, wenn die Bevölkerung die Veränderungen akzeptiert. Wir können keine Verbrennerfahrzeuge durch Elektroautos ersetzen, wenn man die Leute nicht für diese Transportmöglichkeit begeistern kann. Deshalb ist E-Wald ein Projekt für die Region mit der Region. So soll sich beispielsweise nach und nach ein Car-Sharing-System entwickeln. Sowohl Einheimische als auch Urlauber können dann umweltfreundlich zu ihren Zielen fahren. Dafür ist natürlich eine gut ausgebaute Infrastruktur notwendig, was ja auch ein Teilbereich des Projekts ist.
Plaga: Wenn wir es schaffen, dass sich die Bürger der Modellregion mit „E-Wald“ identifizieren können und möglichst viele Fahrten elektrisch absolvieren, dann ist die Elektromobilität einen großen Schritt vorwärts gekommen. Denn: Wenn E-Mobilität im Bayerischen Wald funktioniert, dann funktioniert das auch im Rest der Republik zu hundert Prozent!
Herr Plaga, Herr Burghart, vielen Dank für das Interview!
Interview: Dike Attenbrunner