Schiefweg. „Wann wer auf Gottes weiter Welt verlassen is, bin i‘. I‘ hab koa Hoamat, hab koa Geld, mei‘ Jugad is bald hi‘. Und sollt i‘ in der Fremd verderb’n, so laß mi‘, Herr, bald sterb’n“ – in den Zeilen ihres Gedichtes „Verlassen“ wird deutlich, dass die Bayerwald-Schriftstellerin Emerenz Meier in ihrer neuen Heimat Chicago nie glücklich wurde. Dennoch ließen die ärmlichen Verhältnisse nichts anderes zu, als 22-Jährige „ins Amerika“ auszuwandern – Rückkehr: ausgeschlossen. Das Herz der Waidlerin blieb aber stets in ihrem Geburtsort Schiefweg bei Waldkirchen. Ihre Geschichte, ihre Werke und viele Dinge aus ihrem Leben hat der Emerenz-Meier-Verein im Geburtshaus der Schriftstellerin gesammelt und ausgestellt.
Wir schreiben das Jahr 1874. Die Deutsche Revolution liegt 26 Jahre zurück, die Bevölkerung lebt in ärmlichen Verhältnissen, die Emanzipation hat sich noch längst nicht durchgesetzt, die Landwirtschaft bestimmt den Alltag im Bayerischen Wald – auch in Schiefweg. Die Familie Meier aber genießt eine besondere Stellung innerhalb der Dorfgemeinschaft, Josef und Emerenz Meier betreiben eine kleine Landwirtschaft, handeln mit Vieh und betreiben eine kleine Landwirtschaft. Und genau in diese Verhältnisse wird eben im Jahr 1874, genauer gesagt am 3. Oktober, die kleine Emerenz hineingeboren. Schon früh merkt ihr Umfeld, dass sie besonders belesen ist und eine außergewöhnliche schriftstellerische Gabe hat. Wie in dieser Zeit üblich, wird das Mädl deswegen als sonderbar bezeichnet. „Arbeite lieber was Gescheites“, kanzelt Vater Joseph ihr Talent ab.
Unertl und Carossa fördern das junge Schriftsteller-Talent
Dennoch lässt sich Emerenz nicht beirren. In der Schule der Englischen Fräulein in Waldkirchen wird ihr Talent erkannt und gefördert. Auch Auguste Unertl, Mäzenin aus Waldkirchen, wird auf Emerenz Meier aufmerksam und unterstützt das junge Mädchen.
Später, mittlerweile arbeitetet die Schiefwegerin auf Empfehlung ihrer Freundin am königlichen Hof in München, lernt sie Hans Carossa kennen – mit dem sie Zeit ihres Lebens in Kontakt bleibt. Während die Waidlerin in der Schriftsteller-Welt bereits angekommen ist, gilt sie in ihrer Heimat nach wie vor als seltsam. Zum einen kommt sie im heimischen Wirtshaus immer wieder mit Männern in Kontakt, was zur damaligen Zeit nicht Usus ist – Emerenz wird als Hure abgestempelt. Zum anderen wird ihr Schriftsteller-Talent nicht anerkannt – sowohl in der Familie als auch innerhalb der Dorfgemeinschaft. Erst, als sie mit ihren Gedichten und Erzählungen Geld verdient und Postkarten mit ihren Schriften gedruckt werden, wird ihr Können akzeptiert.
One-Way-Ticket: 1906 wandert Emerenz Meier „ins Amerika“ aus
Der große Reichtum bleibt aber aus. Im Gegenteil: Selbst das Wirtshaus wirft nicht genügend Geld für ein anständiges Leben ab, woraufhin Emerenz gemeinsam mit ihren Eltern „ins Amerika“ auswandert – 1904 macht Vater Josef die Vorhut, 1906 folget der Rest der Familie.
Weg von der Heimat, weg vom Woid, weg von Schiefweg – ein Schritt, den die Schriftstellerin nie verkraften wird. Immer wieder schreibt sie über ihre bayerische Heimat, immer wieder ist ihr „Zeitlang“ Thema. Angekomen in Chicago arbeitet sie in einer Wäscherei, nebenbei braut sie Bier, was sie in Straßkirchen bei Carl Hellmannsberger gelernt hatte – ein alles andere als zufriedenstellendes Leben für die junge Frau, weshalb sie auch immer wieder selbst zur Flasche greift.
In Chicago heiratet Emerenz Meier zweimal – Geburt ihres Sohnes
Selbst die Heirat mit dem gebürtigen Wotzmannsreuter (Gmd. Waldkirchen) Josef Schmöller 1907, den sie in den USA kennenlernt, und die Geburt des gemeinsamen Sohnes Josef 1908, lässt bei der Waidlerin kein Heimatgefühl in Übersee aufkommen. Das junge Glück währt auch nicht lange – 1910 stirbt Emerenz‘ Mann an Schwindsucht.
Kurz darauf heiratet sie den Schweden John Lindgren – glücklich wird die Waidlerin trotzdem nicht. Immer wieder schreibt sie Briefe an ihre Freundin Auguste Unertl, die nach wie vor in Waldkirchen wohnt. Als Europa durch den 1. Weltkrieg in seinen Grundfesten erschüttert wird, startet die gebürtige Schiefwegerin in Chicago eine Spendenaktion für ihre alte Heimat – der Woid geht ihr einfach nicht aus dem Kopf. Neben diesem Heimweh thematisiert die Schriftstellerin in ihren Werken auch ihre Sympathien für den Kommunismus und ihre Abneigung gegenüber dem Kapitalismus und der Katholischen Kirche. „Den ganzen Katholizismus soll millionenmal der Teufel holen“, schreibt sie. Auflehnung und Unruhe prägen das Leben von Emerenz Meier bis zur ihrem Tod am 28. Februar 1928 in Folge einer Nierenentzündung.
Josef Nigl vom Emerenz-Meier-Verein erklärt die Bedeutung der Schriftstellerin:
Zeitsprung – wir schreiben das Jahr 2013: In ihrem Geburtshaus und jetzigem Museum in Schiefweg lebt die Bayerwald-Schriftstellerin weiter. Während im Erdgeschoss ein gemütliches Wirtshaus seinen Platz findet, ist im ersten Stock das Leben von Emerenz Meier dargestellt. Mühsal, Gabe, Auflehnung, Unruhe, Beziehung und S’Amerika – so heißen die einzelnen Räume im Museum. Gleich zu Beginn des Rundganges spürt man am eigenen Leib, wie anstregend und langsam das Pflügen in der damaligen Zeit vor sich ging – auf dem Laufband kann man einem Ochsenpaar mit einem Pflug folgen. Später kann der Besucher ihre einzelnen Stationen – von Schiefweg über München bis nach Chicago – mit in den Boden geschlagenen Nägeln verfolgen. „Ins Amerika“ geht es schließlich über eine Schiffs-Reling direkt ins stressige, laute und unpersönliche USA. Aufnahmen aus der damaligen Zeit verdeutlichen den Kontrast zum ruhigen Woid. Das Emerenz-Meier-Haus in Schiefweg: Ein wahres Aushängeschild.
Lange Jahre war das Emerenz-Meier-Haus sich selbst überlassen
Doch das war nicht immer so. Lange Jahre war das Haus sich selbst überlassen, ein Schandfleck in Schiefweg. Besitzer Georg Höltl, Initiator des Tittlinger Museumsdorfes, sicherte das Gebäude dann soweit, dass es nicht mehr einsturzgefährdet war.
Die Dorfbevölkerung war mit diesem Erscheinungsbild jedoch alles andere als zufrieden, sodass sich ein eignener Arbeitkreis im Rahmen der Dorferneuerung 1990 mit dem alten Gebäude beschäftigte. „Wir wollten das Haus unbedingt kaufen“, erklärt der Schiefweger Josef Nigl. Auch Alexander Nodes und Rainer Kanamüller begeisterten sich schnell für dieses Projekt. „Die waren wohl etwas in der Bringschuld“, sagt Josef Nigl und schmunzelt. Beim Zündeln hätten die kleinen Buben das Haus fast in Schutt und Asche gelegt. 1997 gründeten sie dann den Emerenz-Meier-Verein mit der Absicht, das Geburtshaus wieder instand zu setzen – mit Alex Nodes als 1. Vorsitzenden, Rainer Kanamüller als Kassier und Josef Nigl als 3. Vorsitzenden. „Wir hatten gleich 80 Mitglieder.“
Sanierung verschlang insgesamt 1,7 Millionen Euro
Trotz deren Beiträge fehlte das Geld aber weiter an allen Ecken und Enden. Für das Haus alleine wurden 200.000 Mark fällig, wovon jeweils ein Drittel die Stadt Waldkirchen, das Amt für ländliche Entwicklung und der Verein übernahmen – sodass das Haus 1998 gekauft werden konnte. Ein Jahr später begannen die Sanierungsarbeiten, die insgesamt 1,7 Millionen Euro gekostet haben. „Nachdem ich in Vorruhestand gegangen bin, war ich sowas wie der Bauherr“, erzählt Josef Nigl und lacht. Viel Herzblut und Fleiß setzten die Vereinsmitglieder ein, bis das Geburtshaus fertig gestellt werden konnte – was 1999 der Fall war. Zuerst Rainer Gattermann, später Wolfgang Königseder und jetzt Claudia und Walter Unterleitner pachteten seitdem die Gaststätte. Mit der Eröffnung des Museums im Jahr 2010 war aus dem früheren Schandfleck endgültig das Aushängeschild von Schiefweg geworden. Angesichts der jährlich mehr als 1500 Besucher sagt Josef Nigl: „Ich bin stolz darauf, dass die Arbeit nicht umsonst war. So wird die Geschichte von Emerenz Meier nie in Vergessenheit geraten.“
Eva Müller und Helmut Weigerstorfer