Geyersberg. Die Ortsbezeichnung „Geyersberg“ klingt zunächst einmal relativ unspektakulär. Und kaum jemand dürfte das Bedürfnis haben, sich über die Herkunft dieses Namens den Kopf zu zerbrechen. Schließlich scheint die Antwort sowieso klar: Das ist eben ein Berg, wo es besonders viele Geier gab. Ganz simpel also. Tatsächlich scheint diese Erklärung gar nicht so weit von der Realität entfernt zu liegen. Ein Personenname, wie bei vielen anderen Orten, lässt sich in dem Ortsnamen jedenfalls nicht nachweisen. Ein Gastbeitrag von Kreisheimatpfleger Gerhard Ruhland.
Die Freyunger Sprachwissenschaftlerin Andrea Weber, die derzeit ihre Doktorarbeit über die Ortsnamen in der Region verfertigt, geht ebenfalls davon aus, dass bei Geyersberg ein Bezug zu den „Geiern“, den Vögeln also, bestehen dürfte. Wobei da nicht nur die aasfressenden Geier gemeint sind, sondern verschiedene Vögel, Raubvögel sowieso, aber z.B. auch Raben und Krähen.
Hinrichtungen sollten abschreckend wirken
Nun gibt es die Orts- bzw. Flurbezeichnung „Geiersberg“ oder „Geyersberg“ in Bayern bzw. Deutschland gar nicht so selten. Um die Herkunft dieser Orts- bzw. Flurbezeichnung zu erschließen, haben nun Wissenschaftler die verschiedenen Geyersberg-Standorte miteinander verglichen.
Dabei kamen sie zu einem sehr interessanten Ergebnis: Die Ortsbezeichnungen mit diesem Namen wiesen auf frühere Hinrichtungsplätze hin. Diese befanden sich häufig auf Anhöhen. Daher die Bezeichnung „Berg“. An den Richtstätten wurden die Delinquenten zum einen erhängt oder auf dem „Rad“ zu Tode gebracht.
Die Hinrichtungen, v.a. das Erhängen am Galgen, sollten abschreckend wirken. Deshalb ließ man die Verurteilten auch längere Zeit am Galgen hängen, um ein Exempel zu statuieren. Und jetzt kommen die „Geier“ ins Spiel: Die Vögel, z.B. Krähen und Raben, holten sich die Überreste der Hingerichteten. In der Nähe der Hinrichtungsstätten gab es also besonders viele dieser Vögel.
Der Pfleger auf Burg Wolfstein hatte Richterfunktion
Schließlich führten die Wissenschaftler noch ein zweites Merkmal der Geyersberg-Örtlichkeiten ins Spiel: Sie lagen im Allgemeinen in unmittelbarer Nähe von wichtigen Straßen und Handelswegen. Das weithin sichtbare Galgen-Exempel sollte insbesondere potenzielle Straßenräuber abschrecken.
Beide Faktoren, die Nähe zu einer Hinrichtungsstätte und zu einer wichtigen Straße, treffen auf den Freyunger Geyersberg hundertprozentig zu. Das Pfleggericht Wolfstein besaß die Gerichtsbarkeit und der Pfleger auf der Burg Wolfstein hatte Richterfunktion. Er verhängte Urteile, nicht selten auch Todesurteile, bei denen allerdings der Passauer Fürstbischof noch mit eingebunden wurde.
Makaber, aber sicherlich wirksam
Viele der Delinquenten landeten am Galgen. Dieser befand sich in Freyung auf dem so genannten „Galgenhügel“, linkerhand der heutigen Straße zum Geyersberg gelegen, nicht weit entfernt von dem Ortsteil Solla. Direkt neben dem Galgenhügel führte der Obere Goldene Steig vorbei. Die zur Abschreckung am Galgen hängenden Überreste der Hingerichteten wurden also den Benutzern des Goldenen Steiges nur allzu deutlich vor Augen geführt – und sie sollten Raubüberfällen vorbeugen. Makaber, aber sicherlich wirksam.
Der Tod mit Blick in Richtung Auferstehung Gottes
Auch an einer anderen Stelle des Geyersberges dürfte die „Geier-Dichte“ hoch gewesen sein – und zwar an dem Westhang des Geyersberges in Richtung Kleinwiesen. Hier findet sich der Flurname „Richtstätte“. An dieser Stelle wurden ebenfalls Hinrichtungen vollzogen, insbesondere Enthauptungen. Diese sollten nicht den abschreckenden „Schau-Charakter“ der Erhängungen haben. Deshalb wurden diese Urteile separat und räumlich getrennt von den Galgen vollstreckt. Zudem dürfte auch die Westausrichtung der Richtstätte eine Rolle gespielt haben.
Der Blick nach Osten bedeutete in der christlichen Symbolik immer Hoffnung. Man schaute quasi in die Richtung der Auferstehung Gottes. Diesen tröstenden Blick wollte man den Delinquenten an der Geyersberg-Richtstätte verwehren. Sie mussten nach Westen blicken, was nach dem christlichen Verständnis eine zusätzliche Strafe bedeutete.
Dann kam der Freyunger Wasenmeister zum Zug
Die Leichen der Delinquenten verweilten an der „Richtstätte“ nicht so lange wie am Galgen, möglicherweise wurden sie vom Freyunger „Wasenmeister“, dem Abdecker, abgeholt und in nicht geweihter Erde bestattet. Für die „Geier“ war die Richtstätte aber sicherlich auch ein bevorzugtes Zielobjekt.
Dass der Geyersberg in früheren Zeiten ein unangenehmer Ort gewesen sein muss, lässt sich an weiteren Flurnamen ablesen: Da gibt es den „Marterberg“ und den „Spießhügel“. Beide Örtlichkeiten liegen räumlich relativ eng beieinander. Der „Spießhügel“ weckt unangenehme Assoziationen, schließlich wurde im Mittelalter die Todesstrafe gelegentlich auch mit einem Spieß vollstreckt. Darauf könnte die Bezeichnung „Spießhügel“ hindeuten.
Und darum heißt Falkenbach Falkenbach…
Und was bedeutet nun der Ortsname „Falkenbach“? In Analogie zum „Geyersberg“ lässt der Name vermutlich auch einen Bezug zu bestimmten Vögeln vermuten, aber auf die „edlere“ Form, die Falken. Hier ist z.B. durchaus denkbar, dass der Name auf die Falkenjagd der Adeligen, die so genannte „Beizjagd“ verweist.
Vielleicht wurden ja auf der Anhöhe oberhalb von Falkenbach, das ursprünglich Falkenberg hieß, Jagdfalken trainiert. Man weiß, dass die Herren auf Wolfstein gerne dieser Jagdform frönten. Letztlich aber ist die Herkunft des Ortsnamens „Falkenbach“ nicht geklärt. Vielleicht steckt hier ja auch der Name „Falco“ drin. Und damit ist nicht der österreichische, tragisch verunfallte Schlagerstar gemeint, sondern eine Person des Mittelalters, z.B. das Oberhaupt einer Familie, die dort gesiedelt hat. Man sieht: Auch scheinbar eindeutige Ortsnamen bergen noch ihre Geheimnisse.