Freyung. Wissen Sie, was ein „Wasenmeister“ ist? Nein? Kein Wunder, schließlich existiert diese Berufsbezeichnung und auch die Tätigkeit als solche heute nicht mehr. Wasenmeister gab es jedoch seit dem Mittelalter in allen größeren Orten. Die Wasenmeister nannte man regional auch Abdecker, Schinder oder Fallmeister. Der Röhrnbacher Johann Krottenthaler, der weit mehr als nur ein ambitionierter Hobby-Historiker ist, hat sich nun wissenschaftlich mit diesem wichtigen, jedoch auch anrüchigen Gewerbe der im Bayerwald tätigen Wasenmeister beschäftigt und dabei Interessantes zutage gefördert.
Die Tätigkeit der Wasenmeister war im Mittelalter und bis in die Neuzeit von großer Bedeutung: In ihren Aufgabenbereich fiel nämlich die Verwertung und Entsorgung von toten Tieren. Bereits im 12. und 13. Jahrhundert wurden Wasenmeister urkundlich erwähnt. Zuvor hatte man die toten Tiere lediglich auf Misthaufen, in Bächen oder im Wald entsorgt. Mit fatalen Folgen! Der Gestank war unerträglich und die Gefahr von Krankheiten für Mensch und Tier groß. Man denke da nur an den gefürchteten Milzbrand. Deshalb war es unumgänglich, dass sich die Obrigkeit der Angelegenheit annahm und die Tierkörperbeseitigung amtlich regelte. Und so entstand der Beruf des Wasenmeisters.
Der Beruf galt als „unehrlich“ im Sinne von nicht angesehen
Dieser alleine war berechtigt, innerhalb eines Amtsbezirkes die Kadaver der vierfüßigen Haustiere zu beseitigen und so weit wie möglich zu verarbeiten. Die nicht verwertbaren Teile eines Tieres mussten innerhalb einer vorgegebenen Frist auf dem Wasenplatz begraben werden. Diese Örtlichkeiten, die so genannten Wasenmeistereien, lagen außerhalb der Ortschaften, zumeist an Gräben und Bächen. Meist handelte es sich bei den Grundstücken um feuchte, sauere Flächen, die man leicht umgraben konnte. Auf diese nassen Wiesen geht auch die Wortwurzel der Wasenmeister zurück. Das althochdeutsche Wort „Waso“ bezeichnet eine feuchte Fläche.
Die Bauern und Tierhalter händigten die Kadaver dem Abdecker aus. Dieser verarbeitete das Fell, das Fleisch, das Fett und die Knochen der toten Tiere. Die nicht verwertbaren Teile wurden verbrannt oder in den Wasenmeister-Wiesen vergraben.
Bezüglich der Hygiene und im Hinblick auf die Vermeidung von Krankheiten kam den Wasenmeistern eine enorm wichtige Rolle zu. Diese Bedeutung spiegelte sich jedoch nicht in ihrem gesellschaftlichen Status wider. Im Gegenteil. Der Beruf galt als „unehrlich“ im Sinne von nicht angesehen. In der Sozialhierarchie des Mittelalters fanden sich die Wasenmeister ganz unten wieder. Das Gewerbe galt als anrüchig – und das wohl auch im wörtlichen Sinn: Man wollte mit den häufig nicht sonderlich gut riechenden Abdeckern möglichst wenig zu tun haben. Sie mussten in der Kirche und in den Gasthäusern auf sehr abseitigen, stark separierten Plätzen verweilen.
Die Wasenmeister durften auch nicht über ihren Stand hinaus heiraten. Das hatte zur Folge, dass man Ehepartner notgedrungen nur innerhalb des eigenen Standes wählte, sodass letztlich alle Wasenmeisterfamilien in Ostbayern miteinander verwandt waren und sich typische Wasenmeister-Familiennamen herausbildeten. In manchen Gegenden nahmen die Wasenmeister auch noch andere „unehrliche“ Aufgaben wahr. So fungierten sie z.B. manchmal als Henker oder als Totengräber für Menschen, die eines unehrlichen Todes, z.B. durch Selbstmord oder Hinrichtung, gestorben waren. Das soziale Ansehen der Wasenmeister litt durch derartige Aufgaben noch zusätzlich.
Mit der Tier-Anatomie waren sie bestens vertraut
Und wie verhielt es sich nun mit den Wasenmeistern im Bereich des ehemaligen Landgerichtes Wolfstein? Johann Krottenthaler fand heraus, dass es hier – mindestens seit dem 17. Jahrhundert – zwei Wasenmeistereien gab. Diese befanden sich in Praßreut bei Röhrnbach und in Freyung. Aber wo ist nun die Freyunger Wasenmeisterei genau zu verorten? Sie musste ja außerhalb des Ortes und an einem Bach gelegen sein. Genau diese Voraussetzung erfüllte in Freyung ein am Saußbach gelegenes Areal neben dem so genannten Bannholz.
Der „Wasenmeisterdistrikt Bannholz“ war zuständig für eine Reihe von Gemeinden rund um Freyung bis hin zur Grenze nach Böhmen. Wo die Freyunger Wasenmeister mindestens 250 Jahre lang ihr Gewerbe ausübten, befindet sich heute das Baugeschäft Haller. In akribischer Recherche-Arbeit zeichnete Johann Krottenthaler auch die Familiengeschichten der Freyunger Wasenmeister seit dem Jahr 1645 nach. Da gab es z.B. die Familien Hackl, Graßl, Zankl, Langmayr, Heller, Fleischmann und Lenz. Am 27. Oktober 1880 starb das Wasnermeisterkind Max Lenz im Alter von nur acht Tagen. Mit dessen Tod verschwinden, soweit Johann Krottenthaler dies ermitteln konnte, die Bezeichnungen Wasenmeister und Abdecker aus den Matrikeln.
Heutzutage haben längst industrielle Tierkörperverwertungsanstalten die Aufgabe der Wasenmeister übernommen. Aber noch bis in die 1960er Jahre betätigten sich auf dem Lande manche ehemaligen Abdecker als Tierheilkundige und machten den Tierärzten Konkurrenz. Mit der Anatomie der Tiere waren die Wasenmeister ja bestens vertraut. Damit ist es heute jedoch endgültig vorbei, den ungeliebten, anrüchigen, aber über Jahrhunderte so wichtigen Beruf gibt es nicht mehr.
Kreisheimatpfleger Gerhard Ruhland