Freyung. 2022 hätte in Freyung die bayerische Landesgartenschau stattfinden sollen. Aufgrund der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens musste sie allerdings um ein Jahr verschoben werden. Nun soll das Ereignis ab Mai 2023 die Stadt über die Region hinaus bekanntmachen. Was die Besucher dort erwartet und wie es aktuell um die Großbaustelle auf dem Geyersberg steht, hat Hog’n-Autor Florian Fink recherchiert.
Über den morastigen Untergrund der Baustelle rollen an einem sonnigen Nachmittag Bagger, Lastwagen und andere schwere Maschinen. Wo früher die GESA-Klinik stand, ist heute nur noch eine große, eingeebnete Fläche zu sehen. Tina Heigl, die Landschaftsarchitektur studiert hat und nun bei der Landesgartenschau für Ausstellung und Vertrieb zuständig ist, blickt in die Ferne. Auf dem 800 Meter hohen Geyersberg in Freyung sieht man an besonders schönen Tagen über 100 Kilometer weit. Am Horizont sind dann sogar zahlreiche Alpengipfel zu erkennen: „Der Ausblick ist schon etwas ganz Besonderes. So hoch oben gab es noch nie eine Landesgartenschau.“
„Renaturierung ist nicht notwendig“
So schön der Ausblick auch ist, umso komplizierter gestaltet sich der Umgang mit dem bergigen Terrain auf der Baustelle, das mit zahlreichen landschaftsarchitektonischen Maßnahmen überwunden werden muss. Trotzdem sieht Heigl hier großes Potenzial, da man die steilen Hänge auch gut in das Konzept der Landesgartenschau integrieren kann – etwa mit Terrassierung der geplanten Gärten und Wege, die sich serpentinenartig den Berg hochschlängeln. Gut durchdacht ist auch die Tiefgarage, die direkt in den Geyersberg hineinführt und so die von außen sichtbare Landschaft nur minimal verändert.
Direkt darüber befindet sich ein großer Spielplatz, der sich über ein Teilstück des Hangs erstreckt. Je weiter man nach oben hin vorankommt, desto anspruchsvoller werden die Spielgeräte. Zudem wird bei der Landesgartenschau auch an die immer wichtiger werdende Barrierefreiheit gedacht. Ein Großteil des Geländes ist daher ohne Treppen erreichbar; entlang der steileren Wege sind zahlreiche Sitzgelegenheiten geplant – auch das Ausleihen von Rollstühlen ist möglich.
Regionalität und Nachhaltigkeit stehen bei der Landesgartenschau in Freyung 2023 im Fokus. So werden beispielsweise bevorzugt Materialien verwendet, die typisch für die Region sind: vor allem Glas, Holz und Granit sind die drei tonangebenden Elemente. Sogar die dekorativen Steine und Felsbrocken, die über das Gelände verteilt sind, wurden allesamt vor Ort aus den Baugruben ausgehoben. Auch der Erhalt der Vegetation um das Gelände herum ist den Planern wichtig, da sich diese ohnehin gut in den Charakter der Ausstellung einfügt und kurzerhand in das Konzept integriert wurde.
Dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt Tina Heigl an einem Beispiel: „Oft geht es bei Landesgartenschauen tatsächlich um Renaturierung – also die Idee, der Natur Raum zurückzugeben. Auch auf einem ehemaligen, betonierten Militärgelände gab es schon mal eine Landesgartenschau – hier in Freyung ist eine großflächige Renaturierung aber nicht notwendig, da das gesamte Gelände und seine Umgebung schon sehr naturnah sind.“
Burgberg & Wiesenpark
Allgemein wurde das Konzept der Landesgartenschau sichtlich an den Standort am Geyersberg und den Bayerischen Wald angepasst. So zeigen auch die Namen der einzelnen Sektionen einen Bezug zur Region oder ihren geschichtlichen Hintergründen. Die drei Hauptbereiche heißen „Burgberg“, „Waldgärten“ und „Wiesenpark“. Diese sind jeweils in mehrere Teile untergliedert und bieten ein abwechslungsreiches Programm für Jung und Alt.
Der Burgberg befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen GESA-Klinik. Seinen Namen hat er von einem alten Burgstall, der hier im Mittelalter errichtet wurde, um den Goldenen Steig zu bewachen. Dieser verlief über den Geyersberg kommend durch das heutige Gelände nach Solla und weiter nach Freyung. Auch der Name des Bergs stammt Heigl zufolge aus dieser Zeit: „Unsere Historiker vermuten, dass auf dem Geyersberg auch ein Galgen stand, der für Hinrichtungen von Verbrechern verwendet wurde. Zur Abschreckung wurden sie wahrscheinlich so lange hängen gelassen, bis Geier anfingen, sie zu fressen.“ Von dieser grausamen Vergangenheit ist am Burgberg heute glücklicherweise nichts mehr zu spüren. Stattdessen sind nun terrassierte Burggärten zu sehen, die sich wie ein Gürtel um den Bergsporn legen und noch ansprechend bepflanzt werden. Auch die Hauptbühne der Landesgartenschau findet hier Platz – genauso wie Parkplätze für Besucherbusse sowie ein Teil der geplanten Gastronomie.
Am Wiesenpark, wo sich einst der Parkplatz am Skihang befunden hatte, ist der „Regionalpavillon“ geplant, den das Landratsamt betreut. Dort gibt es auch eine weitere Bühne, auf der Theateraufführungen, Musik und Kunstausstellungen dargeboten werden. Ein Gastro-Bereich mit Biergarten und regionaltypischen Gerichten lädt ebenso zum Verweilen ein. Zudem wird es im Wiesenpark Verkaufsstände für regionale Waren geben – und ein speziell angelegter Garten klärt die Besucher über heimische Pflanzenarten auf. Ein Highlight stellt aus Sicht von Tina Heigl zudem die „Artenanreicherungswiese“ dar, die unscheinbar am Weg zu den Waldgärten liegt. Hier werden vorrangig Arten angesiedelt, die in der Region einmal zum Landschaftsbild gehörten, heute aber selten zu finden sind.
Elf Hektar offiziell – und dann noch das „inoffizielle Gelände“
Die Waldgärten erstrecken sich an den Wiesenpark anschließend den Berg zur alten Minigolfanlage hinauf und über den Gipfel des Geyersbergs hinweg. Nach einem kurzen Anstieg gelangt man in ein kleines Waldstück. In den herbstlich belaubten Ästen zwitschern Vögel, Licht fällt stimmungsvoll auf den Waldboden. Den kleinen Bergrücken entlang verläuft ein abzweigender Weg, der schließlich zur sogenannten „Alm“ führt. Dort gibt es einen weiteren Gastronomie-Betrieb, einen Kinderbereich und eine sog. Calisthenics-Anlage. Passend zum Namen werden auf einer angrenzenden Wiese auch Waldschafe eine neue Heimat finden.
Zudem ist in den Waldgärten das Programm für die kleinen Gartenschaubesucher untergebracht – inklusive des erwähnten Spielplatzes, der sich parallel zum Weg den Hang hinauf erstreckt. Am Gipfel des Berges steht bereits ein ökumenisches Gipfelkreuz mit Glaselementen. Info-Stände verschiedener lokaler Vereine und Träger wie etwa des Nationalparks Bayerischer Wald und des Waldvereins sind hier geplant, genauso wie eine Ausstellung zum Thema Bestattungskultur.
Umzäunt ist das gesamte Gelände nicht mit Bauzäunen, sondern mit regional passenden und weitaus subtileren Wildschutzzäunen, die sich besser in das Ambiente einfügen. Insgesamt ist die Landesgartenschau zwar vergleichsweise klein, doch Tina Heigl ist sich sicher, dass gerade der besondere Standort dies gut ausgleicht: „Es gab auch schon Schauen mit mehr als 40 Hektar Ausstellungsfläche, da klingen die elf Hektar in Freyung zunächst nach wenig. Aber um den gesamten Geyersberg herum gibt es noch so viel zu entdecken – man könnte quasi von inoffiziellem Gelände sprechen.“ Dazu gehören etwa die vielen Wanderwege. Die Anbindung an die Stadt Freyung wird vorrangig per kostenlosem Shuttle-Bus stattfinden, die eigentlichen Besucherparkplätze sind auf dem Volksfestplatz vorgesehen – auch der Freyunger Busbahnhof wird direkt vom Shuttle angesteuert.
Langfristige Effekte erhofft
Die gesamte Landesgartenschau ist den Organisatoren zufolge darauf ausgelegt, die Region sowie die Stadt Freyung bekannter zu machen und ihre Entwicklung nachhaltig positiv zu beeinflussen. So wird ein großer Teil der Anlagen auf dem Geyersberg auch nach der Landesgartenschau den Bewohnern erhalten bleiben. Dabei sollen auch dauerhaft neue Orte für ein geselliges Miteinander entstehen. Bei der Ausstellung in Deggendorf wurde 2014 beispielsweise eine Strandbar am Ufer der Donau eröffnet – jedoch nur als temporäre Anlage. Was die Stadtbewohner zunächst für unsinnig hielten, fand letztlich doch Anklang – und so blieb die Bar auf Wunsch der Bevölkerung nach der Ausstellung bestehen. Und auch heute kann man hier noch an heißen Sommertagen kühle Getränke und Eiscreme genießen.
Ähnlich stellt sich Tina Heigl die geplante Bar an den Burggärten vor: „Bei so einem wunderbaren Ausblick kann ich mir durchaus vorstellen, hier ab und an nach Feierabend ein wenig zu entspannen – so wird es sicher auch vielen Freyungern gehen.“ Insgesamt sollen etwa 80 Prozent der Anlagen dauerhaft bestehen bleiben, die restlichen 20 Prozent werden wieder rückgebaut.
Dass die Landesgartenschau tatsächlich dazu beitragen kann, einen Ort bekannter zu machen und ihn für den Tourismus zu erschließen, bestätigt Heigl erneut mit dem Beispiel Deggendorf: „Bei einer Befragung zur Landesgartenschau in Bamberg 2012 kam heraus, dass 75 Prozent der Besucher die Stadt auch ohne die Veranstaltung besucht hätten – bei Deggendorf im Jahr 2014 war das Verhältnis nahezu umgekehrt: Hier haben drei Viertel der Befragten gesagt, dass sie gerade wegen der Landesgartenschau in die Donaustadt gekommen sind. Besonders kleinere Städte werden durch die Landesgartenschau also bekannter – und so entdecken Menschen Urlaubsziele, an die sie vorher niemals gedacht hätten.“ Daher erhofft man sich in Freyung nicht nur steigende Übernachtungszahlen während der Landesgartenschau 2023, sondern auch in den Jahren danach. Generell soll die Ausstellung auch die lokale Wirtschaft ankurbeln, etwa in der Gastronomie.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Publikum, das mit der Landesgartenschau angelockt werden soll: Es ist ausdrücklich keine Veranstaltung, die sich an eine ältere Klientel richtet, sondern vielmehr sollen sich alle Altersgruppen im Programm wiederfinden. Zusätzlich sind zahlreiche kleinere Events über den Verlauf der gesamten Landesgartenschau geplant – sogar standesamtliche Hochzeiten sind auf dem Gelände möglich – und das Betreten der Wiesen am Burgberg ist ausdrücklich erwünscht.
Die Causa „Karl-Bau“
So gut durchdacht die baldige Landesgartenschau auch sein mag, gab es im Vorfeld auch den ein oder anderen Aufreger. So zum Beispiel die Causa „Karl-Bau“, bei der die ehemalige GESA-Klinik unter fragwürdigen Umständen für einen symbolischen Euro an die Karl-Bau GmbH mit Hauptsitz in Hengersberg verkauft und anschließend auf eigene Kosten des Unternehmers abgerissen wurde (da Hog’n berichtete).
Was zunächst nach einer sozialen Wohltat klang, da die Landesgartenschau nur ohne die ehemalige Klinik am Geyersberg durchführbar schien, hatte jedoch einen Haken: Belasteter Bauschutt wurde illegal in einer Kiesgrube bei Eging am See entsorgt. Auf Nachfrage versichern die Organisatoren der Landesgartenschau jedoch, dass dies keine Auswirkungen auf das Gelände habe und dass dort kein belastetes Material mehr vorhanden sei.
Aktuell liege man bei den Bauarbeiten im Zeitplan, auch vom momentanen Mangel an Baumaterial sei wenig zu spüren, nur gelegentlich sei es zu längeren Lieferzeiten gekommen. Die Verantwortlichen gehen deshalb davon aus, dass die Großveranstaltung planmäßig am 25. Mai 2023 eröffnet werden kann.
Eigentlich wäre Traunstein auserwählt gewesen
Was wenige wissen: Eigentlich war die Landesgartenschau 2022 in Traunstein geplant. Da sich dort allerdings die Bürger per Volksentscheid mehrheitlich gegen eine derartige Veranstaltung entschieden, wurde die Landesgartenschau 2016 neu ausgeschrieben, weshalb sich auch Freyung um eine Vergabe in die Kreisstadt bemühte.
Die derzeitigen städtebaulichen Veränderungen, wie die Erneuerung einiger Straßenkreuzungen im Stadtgebiet, sind teils bewusst vorgezogen worden, um den Zeitplan einzuhalten. Unter Einbeziehung des zuständigen Bauamts in Passau wollte man diese ohnehin anstehenden Infrastrukturprojekte möglichst schnell umsetzen, damit es während der Landesgartenschau keine größeren Baustellen vor Ort gibt, die das Bild stören könnten.
Schlussendlich können sich die Besucher auf ein umfangreiches Programm und ein durchdacht gestaltetes, auf Regionalität und Nachhaltigkeit getrimmtes Ausstellungsgelände freuen. Ob die Landesgartenschau tatsächlich die erhofften, dauerhaft positiven Impulse für die weitere Entwicklung der Stadt geben kann, bleibt abzuwarten.
Einst zwei Aussichtstürme
Am Ende des Rundgangs steht Tina Heigl auf der Wiese oberhalb des Geländes, das sich von hier aus fast vollkommen überblicken lässt. Allmählich beginnt die Sonne unterzugehen, es wird spürbar kühler auf dem Berg. Erneut schwärmt sie für den Ausblick, diesmal in Richtung Österreich. Die noch schneefreie Skipiste am Hochficht ist zu sehen, genauso die Stadt Waldkirchen, die aus der Ferne fast wie ein beschauliches Dorf wirkt.
„Obwohl man von hier oben schon so einen wunderbaren Ausblick hat, gab es auf dem Geyersberg früher schon zwei verschiedene Aussichtstürme, die heute nicht mehr stehen. Ich denke, dass die Menschen schon immer nach sowas gesucht haben und es genießen wollten“, erklärt die Landschaftsarchitektin. Sie und ihr Team, die Bauarbeiter und Gärtner werden in den kommenden Monaten noch viel zu tun haben. Doch die einzigartige Lage der Landesgartenschau 2023 macht das Arbeiten sicher um einiges angenehmer…
Florian Fink