Freyung. Die Nachfolge eines „wandelnden Geschichtsbuchs“ anzutreten, ist wahrlich keine leichte Aufgabe. Das sieht auch Gerhard Ruhland so, der jüngst zum neuen Kreisheimatpfleger des Landkreises Freyung-Grafenau bestimmt wurde – und somit auf Hanns Gruber (77) folgt, der dieses Amt mehr als vier Jahrzehnte mit Leben füllte. Mit Respekt, viel Elan und Forscherdrang will der 62-jährige Gymnasial-Lehrer für Geschichte und Deutsch nun in die Fußstapfen seines Vorgängers treten. Im Gespräch mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ in historischer Umgebung, dem Freyunger Schramlhaus, erzählt der gebürtige Geiselhöringer (Lkr. Straubing-Bogen) von den künftigen Schwerpunkten seiner Arbeit und verrät, wer sein großes Vorbild in der Heimatgeschichte des Bayerischen Waldes ist.
Herr Ruhland, Ihr Vorgänger Hanns Gruber war über mehrere Jahrzehnte in Ihrem neuen Amt tätig – große Fußstapfen, in die Sie da treten, nicht?
Absolut, das sind sehr, sehr große Fußstapfen. Nachdem ich gefragt worden bin, ob ich das Amt von Hanns Gruber übernehmen möchte, habe ich deshalb auch lange überlegen müssen. Immer wieder habe ich mir die Frage gestellt, ob ich dem Ganzen überhaupt gewachsen bin (schmunzelt). Die Antwort darauf kann ich wohl erst nach einiger Zeit geben. Generell gilt: Ich habe großen Respekt vor dieser Aufgabe.
„Hanns Gruber war als Kreisheimatpfleger eine Institution“
Eine Ihrer Aufgaben wird der Erhalt alter, geschichtsträchtiger Gebäude sein. Gibt es in dieser Hinsicht akutell etwas Berichtenswertes zu vermelden?
Leider muss die Leitenmühle in Linden abgerissen werden. Zwar ist das Gebäude ein Baudenkmal, aber das Haus ist mittlerweile in einem irreparablen Zustand. Unsere Aufgabe wird es nun sein, für den Fundus der Stadt Freyung aus der Mühle zu retten, was erhaltenswert ist.
Welche Bauten sind es überhaupt wert unter dem „Mantel der Kreisheimatpflege“ zu stehen? Welche Kriterien gibt es da?
Besonders wichtig ist natürlich die Geschichte des jeweiligen Gebäudes – interessant sind auch eventuelle bauliche Merkmale oder andere Alleinstellungsmerkmale. Bei solchen Sachen werde ich wohl Architekten mit ins Boot holen müssen, die mir ihre Meinung zu den jeweiligen Bauten dann sagen sollen.
Ganz allgemein gefragt: Wie wird man eigentlich Kreisheimatpfleger?
Das ist eine gute Frage (schmunzelt). Bis vor einem halben Jahr hat mich das überhaupt nicht interessiert, das muss ich zugeben. Für mich war Hanns Gruber als Kreisheimatpfleger eine Institution, der das bis zu seinem Lebensende macht. Ich war deshalb sehr erstaunt, als mich sein Sohn, Sebastian Gruber, darauf angesprochen hat, ob ich nicht der Nachfolger seines Vaters werden möchte – anscheinend war das eine familieninterne Übereinkunft (lacht). Ich habe mir, wie gesagt, das Ganze dann erst einmal gründlich überlegen müssen …
… und haben sich letztlich dafür entschieden.
… ja, weil mich die Materie sehr interessiert. Und am 9. Dezember wurde dann auch vom Kreistag abgesegnet, dass ich neuer Kreisheimatpfleger werde – einstimmig. Meine Frau (ödp-Kreisrätin Renate Ruhland – Anm. d. Red.) hat übrigens nicht abstimmen dürfen (lacht).
„Heimatgeschichte ist im Gymnasial-Unterricht leider nicht vertreten“
Das Vertrauen der Kreisräte basiert wohl auch auf Ihrer Berufserfahrung – seit vielen Jahren sind Sie Geschichtslehrer am Gymnasium Freyung. Wie profitieren Sie von diesem fachlichem Hintergrund?
Rein vom Stoff her ist die Heimatgeschichte im Gymnasial-Unterricht nicht vertreten – leider. Mein Anspruch ist es aber seit jeher, in den Facharbeiten – und jetzt im W-Seminar – Aufgaben zu stellen, die sich mit der regionalen Geschichte beschäftigen. Dadurch hat sich mittlerweile vieles angesammelt, von dem ich profitieren kann. Einige meiner ehemaligen Schüler haben auch Geschichte studiert – deren Zulassungsarbeiten sind für mich hervorragende Quellen.
Was wurde darin zum Beispiel ausgearbeitet?
Etwa der Wandel des Freyunger Stadtplatzes oder auch die Kreuzberger St. Anna-Wallfahrt. Da sind auch einige Dinge dabei, die mich betroffen gemacht haben. Kreuzberg hat sich immer durch eine mächtige Identifikation der Dörfler mit dem Ort ausgezeichnet. In diesem Zusammenhang waren die Vereine natürlich sehr wichtig. Doch auch Kreuzberg bleibt vom Umbruch nicht verschont, bestimmte Dinge sterben einfach aus – vom Wirtshaus übern Kramerladen bis hin zu dem ein oder anderen Verein. Der Fußball beispielsweise ist schon weg … das ist schade.
Welche Schwerpunkte werden Sie bei Ihrer neuen Aufabe generell angehen?
Mich interessiert in erster Linie die Heimatgeschichte unserer Region – hier kommt wieder die St. Anna-Wallfahrt ins Spiel. Darüber möchte ich in absehbarer Zeit ein Buch schreiben – sehr gutes Material habe ich dazu bereits gesammelt. Außerdem werden meine Schwerpunkte auch auf unserer Kultur, unserem Dialekt und unserer Landschaft liegen. Über die Buchberger Leite habe ich ja bereits ein Buch geschrieben. Erforschen möchte ich nun etwa auch unsere Klausen …
„Mein Vorbild ist Paul Praxl – der Kenner des Bayerischen Waldes“
Apropos Dialekt: Haben Sie irgendein bayerisches Lieblingswort, Herr Ruhland?
Ja: ‚Blanga‘ (was im Bairischen so viel wie ‚Esslust‘ oder ‚Appetit‘ bedeutet – Anm. d. Red.). Meine ersten Erfahrungen im Bayerischen Wald haben damit zu tun. Ich habe damals in einer Klasse einen Aufsatz schreiben lassen, beim anschließenden Korrigieren ist mir folgender Satz besonders aufgefallen: ‚Ich habe einen Doppernickel gefunden – und habe einen Blanga gekriegt‘ (lacht herzlich). Deshalb ist ‚Blanga‘ mein Lieblingswort geworden.
Abschließende Frage: Gibt es im Bereich der Heimatgeschichte Vorbilder für Sie?
Ja, Paul Praxl aus Waldkirchen. Er ist der Kenner der Geschichte des Bayerischen Waldes und des Goldenen Steigs. Das ist sein Lebenswerk. Er hat mich auch dazu angeregt, selber auf diesem Gebiet aktiv zu werden.
Herr Ruhland, vielen Dank für das Gespräch und viel Geschick als neuer Kreisheimatpfleger.
Interview: Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer