Viechtach. Little Richard, Kurt Cobain, Meat Loaf, Lemmy Kilmister oder Ian Anderson – von den ganz Großen hat er so einige vor der Linse gehabt. Analog aufgenommen in Schwarzweiß, meist aus unmittelbarer Nähe. Alexander Schütz zählt zu den Fotografen „vom oid’n Schlog“. 1994, gerade 20 Jahre alt, beginnt er neben seinem Studium an der Uni Regensburg als Pressefotograf zu arbeiten – mit Schwerpunkt auf Bühnen- und Konzertfotografie. Einzige Auflage bei diesen Jobs seinerzeit: „Die ersten drei Nummern ohne Blitz“ – das war’s. Einmal abgedruckt, landen die Negative in Archiv-Ordnern und schlummern vor sich hin. Für nunmehr fast dreißig Jahre.
Vor kurzem hat der heute 50-Jährige seine alten Negative von damals wieder hervorgekramt. Sie von Staub und Sporen befreit und zum ersten Mal auf Großformat gebannt – und ja, auch ein bisschen „digitally remastered“. Das Ergebnis: Dreißig Jahre, dreißig Bilder – dreißig Jahre Zeitreise in eine analoge Welt. Ab Samstag, 23. März 2024, sind die Aufnahmen nun im „Alten Spital“ in Viechtach zu sehen.
„Glaub gar nicht, dass ich so viele Bilder g’schossen hab“
Alex Schütz, geboren in Straubing, hat im Alter von 17 Jahren begonnen, sich mit der Bühnen- und Konzertfotografie zu beschäftigen, die für ihn Mitte der 90er seinen Höhepunkt fand. Von da an reduzierte er sein Schaffen, da er, wie er sagt, im Zeitalter der Farbfotografie die Entwicklung der Filme nicht aus der eigenen Hand geben wollte. Mit der Jahrtausendwende verlegte er seinen beruflichen Schwerpunkt dann aufs Schreiben, war journalistisch u. a. als Seite-Drei-Reporter, Feuilleton- und Wirtschaftsredakteur für verschiedene nationale und internationale Zeitungen, Magazine und Agenturen tätig. Seit 13 Jahren ist er nun mit eigener Agentur selbständig im Journalismus aktiv.
„Ich glaub gar nicht, dass ich so viele Bilder g’schossen hab’“, antwortet Schütz auf die Frage, wie viele Bilder er in seiner Zeit als Bühnen- und Konzertfotograf schätzungsweise gemacht hat – und ergänzt: „Bei Nirvana zum Beispiel hab‘ ich nicht mal einen ganzen Film belichtet“.
Olli Zilk, Chef im Alten Spital, bayerischer Popkulturpreisträger und bekannter Kulturschaffender aus dem Bayerwald, hat er über einen gemeinsamen Freund kennengelernt. „Ich find’s einfach großartig, was er in Kötzting und Viechtach und sonst im Woid auf die Beine stellt. Wir bräuchten mehr solche Ollis“, schwärmt Schütz von seinem Gastgeber. Wir vom Hog’n haben uns mit dem 50-Jährigen über seine Arbeit, einige Rockstars, Gerhard Polt und seine Ausstellung unterhalten. Eine kurzweilige G’schicht…
„Bei Dauerfeuer kommt a bisserl was z’am“
Bühnen- und Konzertfotografie – worin liegt Deiner Meinung nach die größte Herausforderung in diesem Metier?
Gilt heute mehr denn je: Sich Zeit lassen, nicht „draufballern“, wie es leider inzwischen üblich ist. Meine große Tochter macht mit ihrem Smartphone vermutlich mehr Bilder während eines einzigen Billie-Eilish-Konzertes als ich früher in einem ganzen Jahr. Dass ein Schwarzweiß-Film einmal acht bis zehn Euro gekostet hat, diszipliniert dich natürlich auch. Außerdem hat das Wechseln einer Filmrolle Zeit gekostet. Also hast Du dir die 36 Bilder genau überlegt. Und heute unvorstellbar: Bei einem Open-Air-Festival über zwei oder drei Tage mit mindestens einem Dutzend guter Bands hab ich vielleicht fünf Filme belichtet. Heute haben’s fünf externe Festplatten dabei…
Wenn Du zurückblickst: Was hat sich alles verändert in Sachen Bühnen- und Konzertfotografie? Und ohne dabei in große Nostalgie zu verfallen: War’s früher charmanter? War analog cooler als digital?
Nochmal: Ich hab mir einfach viel Zeit gelassen, bis ich abgedrückt habe. Meist darfst ja nur die ersten drei Songs im Bühnengraben – besser bekannt heute als „row zero“ – fotografieren. Also sagen wir mal, du hast dann im Schnitt zehn bis 15 Minuten. Jetzt teil das mal durch 36 – also grob gesagt: zwei Bilder pro Minute. Da hast du Zeit, den Künstler zu studieren, zu überlegen, was die bessere Perspektive sein könnte. Und ich hab mich nicht hinter der Kamera versteckt – du kannst dadurch auch eine Beziehung und Nähe aufbauen, bei vielen Bildern siehst du ja, dass sie mir dann direkt in die Linse schauen.
Ohne in große Nostalgie zu verfallen, aber: Ich amüsiere mich schon manchmal, wenn Fotografen heute auf „Dauerfeuer“ sind. Wäre mir auch zu aufwändig, dann tausende Bilder am Monitor zu studieren. Aber es ist eben verlockend mit der neuen Technik, davor bin ich auch nicht gefeit, wenn ich digital fotografiere. Danach nervt’s mich aber schon, wenn ich hundert Bilder durchschauen muss… Wenn du dir vorstellst, dass eine moderne Digitalkamera 30 Bilder pro Sekunde machen kann, kommt da a bisserl was z’am bei „Dauerfeuer“…
Kilmister, Geldof, Meat Loaf, Adams und Cobain
Von den Großen hattest Du viele vor der Linse: von Lemmy Kilmister über Meat Loaf bis Bob Geldof. Wer ist Dir am meisten in Erinnerung geblieben?
Sicherlich Meat Loaf und Bob Geldof. Bob kam auf die Bühne und sagte, dass eh nur alle auf seinen Hit warten – und hat ihn gleich gespielt. Bei den Zugaben dann noch zweimal. Der hat für seine Fans gebrannt, der hatte überhaupt keine Allüren. Und die Intensität dieses Konzertes war enorm.
Das ist auch bei Meat Loaf und seiner Sängerin Patti Russo unbeschreiblich gewesen. Ich hatte damals nicht wirklich Lust auf den Gig, da mir diese Schmachtmusik nicht gefiel. Aber live komplett anders, ein Rockstar, der alles gibt – und singen kann! Der für seine Auftritte lebt. Bis zur totalen Erschöpfung, ja fast schon Ekstase. Bryan Adams war auch so jemand, der Vollgas gab.
Aber weil wir gerade von Nostalgie sprachen: Mich freut’s unglaublich, dass wir heute so etwas nicht mehr nur aus Amerika kennen. Wenn ich mir heut’ zum Beispiel LaBrassBanda auf einem Festival anschaue – großartig!
Ebenfalls warst Du bei Kurt Cobains letztem Konzert am 1. März 1994 im Terminal 1 des ehemaligen Flughafens München-Riem mit dabei. Erzähl doch mal: Was war das für ein Konzert? Und: Wie bedeutend, wenn man es so nennen mag, ist’s für Dich im Rückblick, dort damals dabei gewesen zu sein?
Ganz ehrlich: Das Konzert war furchtbar. Niemand von denen auf der Bühne hatte Bock, die Akustik war daneben und es war das lustlose Abspielen eines Pflichtprogramms. Ich hatte für die Mittelbayerische darüber geschrieben und es war ein einziger Verriss. Jetzt, in der Retrospektive, hast du natürlich das Gefühl, bei etwas „ganz Großem“ dabei gewesen zu sein. Ich werde auf die Cobain-Bilder auch am meisten angesprochen – und Nirvana zählen definitiv zu meinen Top Ten der Lieblingsbands. Aber meine ganz persönliche Meinung: Was die Musikindustrie mit Grunge gemacht hat, hat Kurt Cobain seelisch ruiniert. Und das hat man beim Auftritt in München gemerkt. So gesehen eine sehr traurige Erinnerung.
„Den Polt erklären – das macht mich immer fertig“
Deine Fotos sind nun im Alten Spital in Viechtach zu sehen. Warum hast Du Dich für diesen Ausstellungsort entschieden? Was dürfen die Besucher erwarten?
Ich mag diese Location, vor allem die Kapelle, wo auch die Konzerte stattfinden. Und ich hab seinerzeit in Ostbayern gelebt, das verbindet mich auch mit dem Woid – auch wenn ich seit 25 Jahren aus Bayern weg bin. Was die Besucher erwarten dürfen? Eine kleine analoge Zeitreise. 30 Jahre klingt ja erst mal nach nix, aber das war eine komplett andere Zeit. Es gibt übrigens auch eine Playlist dazu! Hat dann auch was leicht groteskes, wenn du vor den Bildern stehst, analoge Bilder anschaust und digital über Spotify dir den Sound auf die Ohren gibst!
Auf welches der 30 dort ausgestellten Bilder bist Du besonders stolz?
Da werde ich bayerisch-sentimental: Es ist Gerhard Polt, mit Rockstar-Sonnenbrille und Leopardenfell-Mantel. Gerhard fasziniert mich seit 30 Jahren – wie er beobachtet, analysiert, die Gesellschaft seziert. Es gibt zwei Bilder, die in XXXL in meinem Büro hängen: Kurt Cobain und Gerhard Polt. Hier in Wien muss ich dann oft erklären, welcher Amerikaner das im Leopardenfell ist. Das macht mich immer fertig (lacht)…
Und welches Konzert-Foto hättest Du gerne noch in Deiner Sammlung gewusst?
Schwer zu sagen, da zwischen persönlichem Idol und der Live-Performance oft „gewisse Diskrepanzen“ herrschen können. Manche Künstler sind einfach im Studio besser aufgehoben, fühlen sich da wohler und sicherer. Und dann gab und gibt es nicht wenige, die charakterlich einfach indiskutabel waren und/oder maßlos arrogant, denn früher warst Du bis Konzertbeginn gerne auch mal Backstage oder im Cateringbereich.
„Und ja, dann würde ich von Kunst sprechen“
Was würdest Du denjenigen jungen Menschen empfehlen, die sich beruflich der Bühnen- und Konzertfotografie widmen möchten?
Da halte ich es mit Udo Lindenberg: „Und ich mach mein Ding“. Also aus Leidenschaft machen. Ausschließlich. Und als „Backup“ einen anderen oder weiteren Job haben, der die Miete bezahlt. Klingt jetzt nicht so prickelnd, oder? Man kann es auch Hardcore machen und zum Broterwerb Hochzeiten und Erstklässler fotografieren, aber das war mir zu heftig…
Würdest Du Bilder von Konzerten, wie Du Sie gemacht hast und machst, als Kunst bezeichnen?
Nein, die Kunst beginnt erst, wenn ich dann mit einem gewissen zeitlichen Abstand mir das Material anschaue – und das ist mein Ausgangsmaterial. Bis dann tatsächlich ein Bild im richtigen Ausschnitt auf dem richtigen Papier in der richtigen Belichtung fertig ist, das dauert – und ist ein nervenaufreibender, aber auch schöner kreativer Prozess. Und ja, dann würde ich von Kunst sprechen.
Letzte Frage: Wer ist die größere Ikone: Kurt Cobain oder Lemmy Kilmister?
Uncoole Antwort: Auf ihre Art beide. Ich bin mir sicher, die sitzen jetzt miteinander auf einer Wolke und jammen rum…
Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen – und alles Gute für die Zukunft.
die Fragen stellte: Stephan Hörhammer
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Alexander Schütz hat eine persönliche Spotify-Playlist zur Ausstellung erstellt, die hier abgerufen werden kann.