Regen. Sowohl da Woid und die Berge, als auch Tradition und Brauchtum prägen seit jeher die Einwohnerschaft des Arberlandes. Ihre Berufe und Hobbys spiegeln dabei oftmals auch die Verbundenheit zu ihrer Heimat wider: Ob Fahrer einer modernen Pistenraupe auf dem Großen Arber, Pilgerwegbegleiterin auf dem Gunthersteig oder Hirte beim traditionellen Wolfauslassen – Menschen, die außergewöhnliche Arbeiten und nicht alltägliche Aufgaben übernehmen, machen die Region im Mittleren Bayerwald besonders.
Achtsam und besinnlich: Pilgerweg-Begleiterin Judith Dahlke
Immer mehr Pilgerinnen und Pilger zieht es mittlerweile ins Arberland. „Pilgern ist mehr, als nur zu gehen. Es ist verbunden mit der Bereitschaft, sich auch auf eine Reise zu sich selbst zu machen. Jeder Weg oder jede Begegnung ist anders“, davon ist Judith Dahlke überzeugt. Sie ist eine von mehreren Pilgerweg-Begleiterinnen, die „Sinn-Suchende“ u.a. auf dem 160 Kilometer langen Pilgerwanderweg, dem Gunthersteig, auf ihrem Weg zu sich und durch den Wald begleiten.
„Pilgern kann jeder. Wichtig ist nur, sich fürs Pilgern bewusst Zeit zu nehmen, um zur Ruhe zu kommen, zu entschleunigen und über das eigene Leben zu reflektieren“, ergänzt die 43-Jährige, die seit nunmehr fast zehn Jahren aktiv ist und „Einzelgänger“, aber auch Gruppen beim Pilgern zur Seite steht. „Das Pilgern in der Gruppe hat seinen eigenen Reiz: Hier stützen sich die Teilnehmer während der Pilgerwanderung gegenseitig, nehmen Impulse der anderen wahr und tauschen sich aus.“ Intensiviert wird das gemeinsame Entdecken, Erkennen und Nachdenken zum Beispiel durch Singen, Texte oder Gebete, Gehen im Schweigen und andere Achtsamkeitsübungen – hierzu gibt Judith Dahlke gerne Tipps und liefert Inspirationen, wie die Reise zu sich noch besser gelingt.
Mag’s gerne scharf: Messerschmied Stefan Tremml
Ohne ein scharfes Messer läuft in der Küche gar nichts: Das weiß auch Stefan Tremml aus Arnbruck, der für handwerkliche Meisterkunst in der Herstellung von Messern sogar weltweiten Ruhm genießt. Neben Scheichs und Sammlern gehören auch Küchenchefs, Forstarbeiter oder Hausfrauen zu den Abnehmern seiner handgemachten Werkzeuge. Vergleichsweise einfache Exemplare gehen für 70 bis 80 Euro über den Tisch. Für aufwändige und mit teuren sowie exotischen Materialien verzierte Stücke sind bis zu 25.000 Euro fällig.
Für den gelernten Goldschmied und Messermacher ist ein Messer viel mehr als nur Gebrauchsgegenstand: Die einzigartige Form jeder Klinge, kunstvolle, individuelle Verzierungen am Schaft und filigrane Gravuren spiegeln die außergewöhnliche Handfertigkeit des Schmieds wider. Die vielfältigen Wünsche seiner Kunden kombiniert der Messerschmied mit seiner eigenen Kreativität. So entstehen auch ausgefallene Messer. „Es ist die Aufgabe des Handwerkers jedem Messer Leben einzuhauchen und einen unverwechselbaren Charakter zu verleihen“, betont Stefan Tremml.
Deshalb stellt der 40-Jährige seine Meisterstücke nach wie vor ganz traditionell, im wahrsten Sinne als „Hand-Werk“ her – von Massenanfertigung keine Spur. Jedes Stück wird liebevoll vom Entwurf bis hin zur handgenähten Lederscheide angefertigt. Dafür verwendet der Schmied ausschließlich Damaszenerstahl. „Für die Kochmesserklingen feuerverschweiße ich auch Dreilagenstahl, um möglichst dünne Klingen schmieden zu können, die einen sehr feinen Schnitt gewährleisten mit geringem Kraftaufwand“, erläutert Tremml. Jedes Stück ist ein Unikat, das im mehrtägigen Prozess mit Liebe und Leidenschaft erstellt wurde.
Tonangebend: die Volksliedbeauftragte Sonja Petersamer
Zusammen singen, die Freude an der Musik teilen und traditionelle Lieder aus dem Arberland aufleben lassen – ganz nach dem Motto: „A Musi, a G’sangl, a G’spoaß!“ -, das liegt der ehrenamtlichen Volkslied-Beauftragten Sonja Petersamer besonders am Herzen. Nach dem Besuch der Berufsfachschule für Musik in Plattling, dem Studium Zither und Volksmusik im Hauptfach und der Fortbildung zur „staatlich geprüften Musikerin“ ist sie sogar eine der Ersten mit dem Abschluss „Diplommusiklehrer Fachbereich Volksmusik“.
Heute engagiert sie sich in zahlreichen Volksmusikgruppen, wie beispielsweise der „Pongratzmusi“ und will sich als ehrenamtliche Volksliedbeauftragte für den Erhalt des Volkslieds als Kulturgut stark machen. Dafür nimmt sie sich Zeit, um gemeinsam mit Sängern und Musikanten traditionelle Volkslieder aus der Region zu erhalten, zu musizieren und zu singen.
In ihrer Bibliothek hat sie einen riesigen Fundus an alten Volksliedern. Bei ihren Seminaren will sie einen nachhaltigen Beitrag dafür leisten, dass die geschichtsträchtigen Volkslieder aus dem Bayerischen Wald bei Jung und Alt nicht in Vergessenheit geraten.
Ein Hirte, der „Wölfe“ anführt: Johannes Ertl
Viele Sitten und Bräuche sind dem Arberland seit Jahrhunderten erhalten geblieben. Zu den noch lebendigsten gehört das traditionelle Wolfauslassen, auch „Wolfaustreiben“ genannt. Dieser alte Hirtenbrauch stammt noch aus der Zeit, als das Vieh mit den Hirten den Sommer im Wald und auf den Schachten, den Waldwiesen in den Hochlagen des Bayerischen Walds, verbrachte. Die Kühe trugen Glocken um den Hals, um Bären und Wölfe durch das Gebimmel von der Weide fernzuhalten. Von Zeit zu Zeit schnalzte der Hirte mit seiner „Goaßl“ (Viehpeitsche), um so auch Raubtiere abzuschrecken. Beim Viehabtrieb im Herbst läuteten die Hirten die Glocken dagegen selbst, um so ihrer Freude über die Rückkehr ins Tal zum Ausdruck zu bringen. Am Vorabend des Martinitages, dem 10. November, wenn das Weidevieh heimgetrieben worden war, forderten die Hirten im Dorf ihre Entlohnung für ihre Arbeit während des Sommers.
Beim heutigen Wolfauslassen führt ein Hirte eine Gruppe von „Wölfen“ an, gibt mit seinem Hirtenstab den Takt an, zu dem die Wolfauslasser ihre schweren Glocken läuten. Dabei entsteht ein infernalischer Lärm, der noch im weiten Umkreis zu hören ist. Dann zieht die wilde Horde von Haustür zu Haustür und sammelt Geldspenden für Speis und Trank ein.
Einer dieser Hirten im Arberland ist der 38-jährige Johannes Ertl: Seit nunmehr 14 Jahren führt er den „Kasberger Wolf“ an, eine rund 70-köpfige Gruppe aus weiblichen und männlichen Wolfauslassern aus dem Ortsteil Kasberg der Gemeinde Rinchnach. „Die Tradition des Wolfauslassens wird einem bei uns schon mit in die Wiege gelegt – man wächst damit auf und ist von klein auf mit dabei. Das erste Mal habe ich bereits im Alter von zwei Jahren mitgemacht, damals noch auf den Armen meines Vaters“, erzählt Johannes Ertl.
Keine Nachwuchssorgen in Kasberg
Die Glocken, die die Wölfe läuten, sind gewaltig und bis zu 80 Zentimeter groß. Sie wiegen – je nach Blechstärke – bis zu 60 Kilogramm. Kein Wunder, dass sie solch einen Lärm machen: „Viele Wölfe haben sich ihre eigene Glocke anfertigen lassen. Es gibt aber auch Sammler, die jedes Jahr ihre Glocken den teilnehmenden Wölfen zur Verfügung stellen.“ Nachwuchssorgen hat man in Kasberg übrigens keine: In der Gruppe sind heute zwei- bis 50-jährige Wolfauslasser dabei, allein 20 Kinder nehmen teil und lassen sich das jährliche Spektakel nicht entgehen.
da Hog’n
Im zweiten Teil der Serie „Menschen aus dem Arberland“ geht es um Pistenraupenfahrer, Glaskünstler, den Pichelsteiner Eintopf und Ledergerber…