Landshut/Passau. Ob die scharfe Kritik Urban Mangolds damit zusammenhängt, dass er als Mitglied des neu gewählten niederbayerischen Bezirkstags in keinem dem Bezirk angegliederten Ausschüsse, Zweckverbände und sonstigen Gremien vertreten ist, darüber darf geflissentlich spekuliert werden. Der Passauer, der seit 2013 als ÖDP-Bezirksrat in Landshut aktiv ist, übte jedenfalls harsche Kritik am Verteilungsverfahren und dem „Postenschacher“ im niederbayerischen Regionalparlament.
Der Bezirkstag von Niederbayern wird alle fünf Jahre gemeinsam mit dem Bayerischen Landtag vom Volk gewählt. Seine Zusammensetzung soll ein Spiegelbild des Willens der Wähler darstellen. Dem mittlerweile XVII. Bezirkstag von Niederbayern für die Wahlperiode 2023 bis 2028 gehören 24 ehrenamtlich tätige Bezirksrätinnen und Bezirksräte an, die wiederum aus ihrer Mitte den Bezirkstagspräsidenten bestimmen. In der konstituierenden Sitzung am 27. Oktober, in der zahlreiche Sitze in Zweckverbänden und sonstigen Gremien vergeben worden sind, wurde Dr. Olaf Heinrich (CSU) mit 19 zu vier Stimmen (nach 2013 und 2018) erneut in dieses Amt gewählt.
„Belohnungsreservoir nach Gutsherrenart“
Der Bezirkstagspräsident, der Dienstvorgesetzter von rund 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist, vertritt den Bezirk nach außen, führt den Vorsitz im Bezirkstag sowie in fast allen Gremien des Bezirks sowie Zweckverbänden, an denen der Bezirk mehrheitlich beteiligt ist. Der Bezirkstag verfügt über fünf Ausschüsse (Kultur-, Jugend und Sportausschuss, Sozialausschuss, Rechnungsprüfungsausschuss, Wahlprüfungsausschuss, Bezirksausschuss) sowie sieben Zweckverbände (ZV Kurmittelhaus Bad Abbach, ZV Bad Gögging, ZV Bad Füssing, ZV Bad Griesbach, ZV Thermalbad Birnbach, ZV Niederbayerische Freilichtmuseen Massing und Finsterau sowie ZV Landestheater Niederbayern). Hinzu kommen verschiedene Beiratsgremien. In keinem taucht der Name Urban Mangold auf.
Die Sitze in den Zweckverbänden und in den 47 sonstigen Gremien werden im niederbayerischen Bezirkstag nicht wie anderorts, beispielsweise beim Bezirkstag von Oberbayern, nach einem mathematischen Verfahren vergeben, teilt der 60-Jährige in einer Pressemeldung mit. „Die Zusatzpöstchen werden vielmehr als Belohnungsreservoir nach Gutsherrenart verwendet für alle, die den Präsidenten wählen und die nächsten fünf Jahre stützen“, moniert Mangold. „Diese Pöstchen befinden sich in einem Schatzkästchen, zu dem nur der Herr Bezirkstagspräsident den Schlüssel hat“, missbilligte der ÖDP-Politiker in seiner Wortmeldung in der ersten Bezirkstagssitzung.
„Helikoptermäßig“ seien die Sitze in diesen Gremien „in nahezu alle Richtungen hinausgeschleudert worden, bis eine Mehrheit zustande kam, an der fast alle mitgewirkt haben“, so der Bezirksrat weiter. „Da bleibt nach meiner Ansicht der klare Blick für den Oppositionsbedarf auf der Strecke. Wer den Auftrag der Bezirksordnung, den Präsidenten und sein Verwaltungshandeln zu kontrollieren, ernst nimmt, tut gut daran, sich gegen solche Vereinnahmung zu immunisieren“, sagt Mangold.
„Besetzung unterliegt rechtlicher wie demokratischer Legitimität“
Nach Hog’n-Anfrage nimmt die Pressestelle des Bezirks Niederbayern wie folgt dazu Stellung:
„Als in der Verfassung des Freistaates Bayern verankerte dritte kommunale Ebene beachtet der Bezirk Niederbayern stets den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. So findet auch die Postenvergabe unter Berücksichtigung rechtlich ordnungsgemäßer wie demokratischer Verfahren statt. Der Bezirkstag von Niederbayern stimmt über die Besetzung seiner Gremien ab. Anders als von Bezirksrat Urban Mangold in seiner Pressemitteilung vom 3. November dargestellt, obliegt dies nicht allein dem Bezirkstagspräsidenten.
Bei der Zusammensetzung der bezirklichen Ausschüsse wie etwa dem Bezirks- oder dem Sozialausschuss, trägt der Bezirk Niederbayern entsprechend der Bestimmung des Art. 26 Abs. 2 Satz 2 der Bezirksordnung für den Freistaat Bayern sowie der Maßgaben seiner Geschäftsordnung dem Stärkeverhältnis der im Bezirkstag vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung. Die Zahl der Ausschussmitglieder, die auf die einzelnen Parteien und Wählergruppen entfällt, bestimmt der Bezirkstag gemäß seiner Geschäftsordnung nach dem sogenannten Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren – das verwendet etwa auch der Deutsche Bundestag zur Besetzung seiner Ausschüsse und Gremien. Die Parteien oder Wählergruppen, auf die die Sitze entfallen, schlagen selbst die jeweiligen Bewerber und ihre ständigen Vertreter vor.
Für die Bestellung der Vertreter des Bezirks Niederbayern in den Zweckverbänden bestehen keine bindenden Rechtsvorschriften im Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit beziehungsweise in der Geschäftsordnung des Bezirkstags von Niederbayern. Diese erfolgt in Anlehnung an das Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren – allerdings ohne Berücksichtigung der Alternative für Deutschland. Diese Praxis entspricht dem Selbstverwaltungsrecht und ist eine zulässige politische Mehrheitsentscheidung. Sie wurde auch in der vergangenen Legislaturperiode auf diese Weise praktiziert.
Die Vertreter in den sonstigen Gremien werden konsensual zwischen den im Bezirkstag vertretenen Parteien besprochen und besetzt. Hierbei werden vor allem Interessen und persönliche Schwerpunkte berücksichtigt. Dieses Vorgehen hat lange Tradition.
Letztendlich stimmte in der konstituierenden Sitzung eine große Mehrheit für die entsprechende Verteilung der Sitze in den Ausschüssen und Gremien. Ihre Besetzung unterliegt damit rechtlicher wie demokratischer Legitimität.“
„Fünf weitere Jahre kritische Opposition“
Urban Mangold ist im Bezirkstag von Niederbayern klarer Einzelkämpfer. Während die CSU mit neun, die Freien Wähler mit sechs, die AfD mit vier die Grüne und SPD mit jeweils zwei Mandatsträgern vertreten sind, hat die ÖDP nur einen Sitz von Seiten der Wählerschaft zugeteilt bekommen. Ob das oben genannte Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren tatsächlich dafür verantwortlich zeichnet, dass der Passauer Bezirksrat am Ende in keinem einzigen Bezirksgremium vertreten ist, müsste entsprechend überprüft werden. Wenn’s so ist, gilt es dies jedenfalls zu akzeptieren. Mangold kündigte indes „fünf weitere Jahre kritische ÖDP-Opposition“ an.
Stephan Hörhammer