Passau. Nein, der Bau einer neuen, deutlich größeren Justizvollzugsanstalt (JVA) im Nord-Westen von Passau ist nicht ein weiterer aktueller Beleg dafür, dass die Verrohung unserer Gesellschaft immer mehr zunimmt. Dieses Mega-Projekt (Kosten laut Bayerischem Justizministerium: 252 Millionen Euro) ist vielmehr von langer Hand geplant. Bereits 1997 hatte der Passauer Stadtrat beschlossen, das bestehende Gefängnis in der Theresienstraße (Innenstadt) zu verlagern, weil es schon „damals veraltet und klein“ war, wie Maria Proske vom OB-Büro auf Hog’n-Anfrage mitteilt. 30 Jahre später, im Jahr 2027, soll den vorläufigen Planungen nach diese Entscheidung realisiert sein.
Es sind Zahlen, die auf den ersten Blick überdimensioniert und deshalb unwirklich erscheinen. Im Ortsteil Königschalding stehen seit über einem Jahr die Maschinen nicht still. Zunächst – von März 2022 an – wurden die Erdarbeiten durchgeführt. Im Oktober folgte dann die Grundsteinlegung. Seitdem wird an allen Ecken und Enden des sieben Hektar großen Areals betoniert, gemauert und gegraben. „Aktuell wird an vielen Bauteilen parallel gearbeitet: an Versorgungskanälen, Bodenplatten sowie Bauteilen im Untergeschoss und in der Erdgeschoss-Ebene“, teilt Sabine Süß mit. Sie ist Sprecherin des Staatlichen Bauamtes Passau, das für die Planung und Umsetzung von staatlichen Bauvorhaben, zu dem auch die JVA zählt, verantwortlich zeichnet.
450 Haftplätze, 300 Bedienstete, 180 Parkplätze
„Bereits durchgeführt sind die Erdarbeiten zur Geländemodellierung, die Errichtung der Baustellenentwässerung und die Verlegung der Grundleitungen. Außerdem wurde die Anstaltsmauer bis auf den Bereich der zukünftigen Torwache und die Baustellenzufahrt fertiggestellt“, führt die Medienbeauftragte weiter aus. Insgesamt werden 450 Haftplätze (bestehende JVA im Stadtzentrum: 74) entstehen: 250 für den Justizvollzug, 100 für die Abschiebehaft und 100 weitere, die von beiden Bereichen je nach Bedarf genutzt werden können.
Nach Angaben des Bayerischen Justizministeriums bestehen drei Viertel der Hafträume aus Einzelzellen mit einer Grüße von jeweils 9,3 Quadratmetern. Der Rest teilt sich auf Gemeinschaftshafträume (22 Quadratmeter) für bis zu drei Personen auf. In der Verwaltung sowie der Bewachung der Verurteilten werden über 300 Bedienstete (326 Planstellen) im 3-Schicht-Betrieb beschäftigt sein. Neun Garagenstellplätze für Dienstfahrzeuge sowie 180 offene Parkflächen stehen zur Verfügung.
Neustrukturierung
Männlich Straftäter (Frauen müssen nach Regensburg, Aichach oder München) aus dem gesamten südostbayerischen Raum werden in der neuen Justizvollzugsanstalt ihre Freiheitsstrafen abbüßen. Dass mehr Passauer zu den „schwere Jungs“ gehören und deshalb hinter Gitter müssen, ist also ob des großen Einzugsgebietes zu kurz gedacht. Dass ein größeres Gefängnis als bisher nötig ist, liegt auch an der sog. Abschiebungshaft, die gerade in der Grenzregion eine immer gewichtigere Rolle spielt. „Die konsequente Abschiebung in Grenznähe soll gesichert werden. Das bayerische Staatsministerium der Justiz vollzieht Abschiebungshaft in Amtshilfe für das Staatministerium des Innern, für Sport und Integration“, erklärt Michael Bieber, Sprecher des Justizministerium dazu.
Gleichbedeutend mit dem Umzug von der Theresienstraße nach Königschalding ist eine Neustrukturierung des JVA-Wesens in Niederbayern. Bisher war die Passauer Anstalt dem Gefängnis in Straubing angegliedert. Dies ändert sich ab voraussichtlich 2027: „Die neue JVA Passau soll organisatorisch verselbstständigt werden und eine eigenständige Verwaltungsorganisation erhalten“, berichtet Bieber weiter. In der Dreiflüssestadt werden dann Verurteilte inhaftiert sein, die sich im Erst– oder Regelvollzug befinden. In der Gäubodenstadt, im Hochsicherheitsgefängnis, all diejenigen, die in beiden Bereichen mehr als fünf Jahre absitzen müssen.
„Die Entwicklung der Gefangenenzahlen und der Kriminalität ist insgesamt abzuwarten, bevor entschieden werden kann, welche Zuständigkeiten in den Bereichen Untersuchungs- und Strafhaft zukünftig im Detail für die Justizvollzugsanstalt Passau festgelegt werden“, macht der Ministeriumssprecher in diesem Zusammenhang deutlich.
Kritische Stimmen der Anlieger
Alles in allem ein großes Gewaltpotenzial, das – zwar hinter Mauern – da auf Königschalding zukommt. Und natürlich, daraus macht Maria Proske vom OB-Büro keinen Hehl, gibt es deshalb auch kritische Stimmen bei den Anrainern der neuen Anstalt. „Die Bedenken seitens der unmittelbaren Anlieger waren selbstverständlich da, als die Planungen aufgenommen wurden.“
Michael Bieber geht darauf ein, wie es bei einer fiktiven Gefahr bleiben soll. „Der Freistaat Bayern setzt bei der Gestaltung der Hafträume, der Außensicherung sowie der elektronischen Sicherungssysteme auf modernste Technik und sorgt durch kontinuierliche Aus- und Weiterbildung der vor Ort tätigen Bediensteten für ein Höchstmaß an Sicherheit im Justizvollzug. Auch beim Neubau in Passau wird es keine Kompromisse bei der Sicherheit geben. Standorte von Justizvollzugsanstalten weisen statistisch betrachtet zudem keine Auffälligkeiten hinsichtlich der Anzahl der dort begangenen Straftaten auf.“
In Königschalding ist die Zukunft also gewiss. Was das Gebäude in der Theresienstraße betrifft, ist hingegen noch alles offen in Sachen Nachnutzung, wie seitens Bieber zu hören ist: „Bevor das Bayerische Staatsministerium der Justiz eine von der Justiz bewirtschaftete Liegenschaft an die Immobilien Freistaat Bayern zur Entscheidung über eine Anschlussnutzung zurückgibt, wird geprüft, ob eine Anschlussnutzung durch die Justiz selbst erfolgen soll. Diese Prüfungen dauern hinsichtlich der bisherigen Liegenschaft an.“
Helmut Weigerstorfer