Passau. „Sie hat gar nichts getan, rein gar keinen Anlass zu dieser Tat gegeben, ist ein völlig schuldloses Opfer“ – die besondere Tragik des Ablebens von Uschi S. wird alleine durch die Lektüre dieser Feststellung des Gerichts deutlich. Zu dieser Auffassung kam die Passauer Justiz im Rahmen der Verhandlung des einschlägig Vorbestraften Roman B. Dieser war in die Wohnung des Opfers eingebrochen, um Geld zu stehlen, wurde aber von Uschi S. dabei überrascht und stach diese mit mehreren Messerstichen nieder, um seine Tat zu vertuschen. Autor Franz Hartl aus Passau hat diesen Kriminalfall in seinem Buch „Wie können Menschen nur so etwas tun?“ aufgearbeitet – Teil 12 der Serie „Mord verjährt nie“ .
Als 17-Jähriger hat er seine eigene Mutter vergewaltigt
„Der bestialische Mord an der 50-jährigen Krankenschwester Uschi S. am Allerheiligentag 2006 hat viele verängstigt und erschreckt. Das Entsetzen darüber, dass der wegen Mordes bereits zweifach vorbestrafte Roman B. (42) frei herumlaufen konnte, wurde dagegen immer größer, als immer mehr Datails über seine früheren, fast noch unvorstellbareren Straftaten bekannt geworden sind. So hat er als 17-jähriger seine 52 Jahre alte Mutter auf dem Krankenbett vergewaltigt, geschlagen und danach, um sicherzugehen, dass sie auch tot ist, auch noch das für sie lebenswichtige Beatmungsgerät abgeschaltet.
Das Gericht schickte ihn damals für zehn Jahre hinter Gitter. Ein Gutachter sprach von einer ‚unreparierbaren Schädigung‘, weil er schon als Baby in ein Heim gebracht wurde und ohne Mutter aufwuchs. Dass Roman B. nach Verbüßung seiner Gefängnisstrafe kein anderer Mensch geworden war, zeigte sich wenig später im Landkreis Rosenheim. Weil er dort einen beinamputierten Rentner umbringen wollte, verurteilte ihn das Landgericht Traunstein erneut zu seiner Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren. Nach seiner Haft wurde er aus der JVA Straubing freigelassen, obwohl psychiatrische Gutachten den Gewalttäter als tickende Zeitbombe eingestuft haben.
„Mit dem möchte ich nichts zu tun haben“
B. bewirbt sich gegen Ende der Straubinger Haftzeit nach Passau, die dortige Strafvollstreckungskammer stimmt zu. Er bekommt einen örtlichen Bewährungshelfer, außerdem einen Psychotherapeuten. Die Kripo hatte mehrfach Kontakt zu dem Verbrecher. Und obwohl B. nach seiner Haftenlassung mehrere kleine Diebstähle begeht, bleibt er auf freiem Fuß und kann erneut zum Mörder werden.
Das spätere Passauer Mordopfer Uschi S. hatte von Anfang an ein mulmiges Gefühl, als Roman B. in die Wohnung neben ihr einzog: ‚Mit dem möchte ich nichts zu tun haben‘, vertraut sie einer Nachbarin an. Der Mann aus der Nähe von Landshut machte keinen Hehl aus seiner Knacki-Vergangenheit. Allerdings behauptete er, die letzten Jahre wegen Bankraubs gesessen zu haben.
B., der seinen Namen zur Täuschung etwas anders schrieb, litt unter chronischer Geldknappheit. Seit gegen ihn und seine Freundin eine Räumungsklage lief, hatte er sich kaum noch in der Wohnung in der Spitalhofstraße aufgehalten. Am Allerheiligentag 2006 stieg er über den Balkon in die Wohnung seiner Nahbarin ein. Er hatte sie weggehen sehen, wusste, dass sie in der Röntgenabteilung des Klinikums Passau und nebenher als Thekenkraft im Club Camera am Ludwigsplatz arbeitete.
‚Er versprach sich, bei ihr Geld zu finden, das er ja dringend brauchte konnte‘, erklärte die Vorsitzende bei der Verhandlung vor dem Schwurgericht Passau am 18. September 2017. Bloß durch die Rückkehr in die Wohnung gegen 16 Uhr sei Uschi S. zum Zufallsopfer geworden. ‚Sie hat gar nichts getan, rein gar keinen Anlass zu dieser Tat gegeben, ist ein völlig schuldloses Opfer‘, so das Gericht. Der Einbrecher jedoch fühlte sich, so gab er selbst zu, ‚ertappt‘ und sei dann in Panik geraten.
Möglicherweise hat es in der Wohnung einen Kampf zwischen Uschi S. und ihrem Mörder gegeben, denn der Wäschetrockner war gekippt und an einer Tür klebten blutige Fingerspuren. ‚Die Frau starb an 34 Messerstichen, zwölf davon waren jeder für sich schon tödlich‘, wurde festgestellt. Diese Tat sei laut Gutachter ein ‚Niedermetzeln‘ zum Vertuschen des Einbruchs gewesen, damit Uschi S. ganz bestimmt nichts mehr sagen und verraten kann.
Hätte der Mord verhindert werden können?
Roman B. ließ die verblutende Frau einfach liegen, wusch sich in der Wohnung das Blut ab, griff sich ihren Geldbeutel und zog los auf eine Sauftour. Am nächsten Tag, als der Mord noch nicht entdeckt war, holte er sich beim Arbeitsamt 877 Euro in bar ab und fuhr dann mit seiner Freundin nach Schwaben, wo er dann am 4. September 2006 gefasst wurde.
Dass die Bluttat zwei Tage danach überhaupt entdeckt wurde, lag daran, dass die allein lebende Uschi S. Termine beim Arzt und bei einer Friseurin nicht wahrgenommen hatte. An ihrem Arbeitsplatz im Klinikum vermisste sie niemand, da sie gerade in Urlaub war. Als mehrere Anrufe bei ihr erfolglos blieben, holte man mit Hilfe der Hausmeisterin einen Ersatzschlüssel. Gemeinsam ging man in die Wohnung im zweiten Stock, wo man dann das entsetzliche Verbrechen entdeckte. Uschi S. lag am Boden ihres Esszimmers in einer riesigen Blutlache.
Das Landgericht Passau verurteilte Roman B. am 18. September 2007 zu einer lebenslangen Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Damit ist sichergestellt, dass dieser Mörder für immer weggesperrt ist. Generell stellt sich die Frage, ob dieser Mord vermeidbar gewesen wäre. Warum? Bei seiner zweiten Verurteilung wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht Traunstein wurde ein entscheidender Umstand nicht beachtet: Eine Sicherheitsverwahrung wurde im Anschluss an die Haftstrafe nicht angeordnet. Und nachträglich war dies damals, im Gegensatz zur neuen Rechtspraxis, nicht möglich.“
Franz Hartl/ da Hog’n
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- Mord verjährt nie (1): Der dramatische Tod der Hildegard Baumann (18)
- Mord verjährt nie (2): Dreifacher Offiziersmord in der Koller-Villa
- Mord verjährt nie (3): Tödlicher Schuss an der Grenze
- Mord verjährt nie (4): Der Tod eines Schwarzhändlers
- Mord verjährt nie (5): Der Gattinnenmord von Hacklberg
- Mord verjährt nie (6): Bluttat in der Heiliggeistgasse
- Mord verjährt nie (7): Mysteriöser Raubmord in Tiefenbach
- Mord verjährt nie (8): Der brutale Mord an Maria Schmid
- Mord verjährt nie (9): „Neptun“ – das Mordopfer, das noch heute lebt
- Mord verjährt nie (10): Tödliche Schüsse im Schnellzug 222
- Mord verjährt nie (11): Messerattacke in der Passauer Donaupassage