Waldkirchen. Einen schwarzen Tag in der Waldkirchener Stadtgeschichte stellte der 19. September 1862 dar. Ein Freitag, der gerade eine halbe Stunde alt war. Ihm war ein warmer, trockener, aber windiger Herbsttag vorangegangen. Starker Wind herrschte auch noch in der Nacht, in der die jüngste Stadt des Landkreises Freyung-Grafenau ein Opfer der Flammen werden sollte. Teil 1 der Hog’n-Trilogie in Zusammenarbeit mit Studiendirektor a.D. Dr. Claus Kappl.
Der Beamte Albert Lucas von der königlichen Baubehörde Passau I befand sich auf Dienstreise in Waldkirchen. Er schilderte den Brand folgendermaßen:
„Nachts um 12 ½ Uhr geweckt durch den Nothruf fand ich bereits auf der Kirchenseite 5 Gebäude in voller Gluth. Das Feuer soll im weißen Bräuhause (in demselben befindet sich die provisorische Fronveste) ausgekommen seyn. Von einem heftigen Ostwinde angefacht, brannte das Feuer mit der größten Rapidität und theilte sich im Nu den jenseits der breiten Marktstraße gelegenen Gebäude mit, steckte Apotheke u. Post in Brand und schnitt auf diese Weise den oberen vom unteren Markte ab, bei dem heftig Brand der gefüllten Speicher warf der Sturmwind die Flammen über die Ringmauer, ergriff dort die aufgeschichteten Holzmassen u. schnitt auch hier den Weg zum oberen Theil des Marktes ab.
„Lange widerstand die Kirche…“
Als auf diese Weise der mittlere [Teil] des Marktes vom Feuer ergriffen war und noch eine der beiden Spritzen im Hof des Bräuhauses verbrannt war, weil sich die Bedienungsmannschaft flüchten mußte, war nur noch eine Spritze brauchbar, aber der Drang des Einzelnen seine wenigen Habseeligkeiten zu retten machte auch diese Menschen nutzlos. Das Feuer breitete sich nun, immer gepeitscht von dem heftigen Wind, mit rasender Schnelligkeit über den ganzen Markt aus, von dem auch nicht ein Haus unbeschädigt blieb, mit Ausnahme von 2 Häusern, die etwas entfernt vom Markte liegen.
Lange widerstand die Kirche, obgleich sie ringsum von Feuer umtost war, bis sie endlich um 3 ½ Uhr in Brand aufging, nachdem schon vor ihr der Pfarrhof ein Raub der Flammen geworden war.
„Dachrinnen von Zink schmolzen“
Das neue Landgerichtsgebäude,(…) widerstand lange, u. [man] glaubte die Gefahr beseitigt als auch noch die Branntweinbrennerei des Lebzelter Friedl von Feuer ergriffen war. Dieses koloßale Gebäude entwickelte eine solche Glut, daß am Landgerichtsgebäude, das dem genannten Gebäude gegenüber im Windzuge stand, die Dachrinnen von Zink(…) u. die Firstabdeckungen schmolzen u. so den Dachstuhl in Brand brachten. (…) Um 4 ¾ Uhr hat sich der gehorsamst Unterzeichnete vom Brandplatz wegbegeben.“
Albert Lucas legte bei der Beschreibung des Marktbrandes berufsbedingt sein Hauptaugenmerk auf den Brand des neu errichteten Landgerichtsgebäudes, das ebenso wie das bisherige provisorische Landgerichtsgebäude ein Opfer der Flammen wurde. Das Landgericht musste in der Folge zeitweise nach Jandelsbrunn ausweichen.
Das Schicksal des Franz Josef Jell
Dennoch wird aus seinen Schilderungen das Ausmaß der Brandkatastrophe deutlich. Fast alle Wohn- und Wirtschaftsgebäude im Markt wurden zerstört, die eingebrachte Ernte vernichtet, das eingestallte Vieh war durch Feuer und Rauch ums Leben gekommen. Angesichts der Gewalt der Flammen erscheint die Zahl der Todesopfer – das Stadtbuch listet zehn auf – relativ gering.
Wobei das Schicksal von Franz Josef Jell besonders erwähnenswert ist. Der 53-jährige Händler, der im Haus Nr.115 am oberen Ende des Marktplatzes wohnte, rollte ein Pulverfass zum Marktbach und versenkte es dort. Allerdings wurde er dennoch Opfer einer Pulverexplosion. Er erlag am 25. September 1862 seinen erlittenen Verbrennungen. Die Bewohner Waldkirchens standen vor dem Nichts, ihre gesamte Habe war vernichtet, der Winter stand vor der Tür. Da war schnelle Hilfe nötig. Diese kam von Seiten der Medien…
Dr. Claus Kappl
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Im zweiten Teil thematisiert der ehemalige stellv. Schulleiter des Waldkirchener Gymnasiums die Rolle der Medien in Folge des Stadtbrandes Waldkirchen.