Am 13. Januar 1886 unterschrieb Bayernkönig Ludwig II. auf Schloss Hohenschwangau mit seiner äußerst schwungvollen Unterschrift das königliche Dekret zum Bau der Lokalbahn Passau-Freyung. Das nur in drei Artikeln formulierte „Gesetz zur Herstellung einer Lokalbahn von Passau nach Freyung betreffend“, endet mit dem Vermerk „Auf Königlich Allerhöchsten Befehl“. So einfach ging damals die Gesetzgebung noch vonstatten. Die Mittelbereitstellung hinsichtlich der Gesamtkosten erfolgte in Art. 1 auf den Maximalbetrag von 5.832.000 Mark. Verwahrt wird dieses Originaldokument im Verkehrsarchiv Nürnberg unter VM Nr. 5359.
Das „Eisenbahn-Comitee Freyung“ forderte die Zugverbindung
Vehement gefordert hat diese Waldbahn – laut Erforschung der Vorgeschichte zum Bahnbau durch Kreisarchivpfleger Paul Praxl – das „Eisenbahn-Comitee Freyung“ mit Eingabe vom 26. Dezember 1881. Die ostbayerischen Abgeordneten haben diese dringende strukturverbessernde Maßnahme geschlossen unterstützt. Sie erhofften sich – wie in anderen bayerischen Regionen auch – durch den Bahnbau einen wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung, den das Waldland damals bitter nötig hatte.
Bereits zwei Jahrzehnte vorher – sofort, nach dem Anschluss Passaus an die „Ostbahn“ und noch vor Fertigstellung der ersten bayerisch-böhmischen Eisenbahnverbindung von Regensburg nach Pilsen – hatte der „Passauer Gewerbe-Verein“ über die Handels- und Gewerbekammer für eine Anschlussbahn von Passau über Freyung und Grafenau nach Furth plädiert.
1882 machte sich erneut ein Freyunger Bahnkomitee, zusammen mit Interessenten aus Handel und Wirtschaft, für einen Eisenbahnbau stark, der von Passau über Waldkirchen, Freyung und Grafenau nach Zwiesel führen sollte. Nachdem die daran interessierten Gemeinden und Unternehmen bedeutende Geldbeiträge aufbrachten, zeigte sich der König beeindruckt und gewogen. Er dekretierte per Gesetz den Bau der Lokalbahn von Passau nach Freyung.
Ehe die Trassenführung vom beauftragten Sektionsingenieur Wilhelm Schlesing in Passau genau festgelegt werden konnte, gab es noch diversen lokalpatriotischen Streit um die Streckenführung und die Standorte der Bahnstationen. Im Frühjahr 1888 konnte dann endlich der Bahnbau durch das Ilztal begonnen werden. Infolge der gegebenen topographischen Verhältnisse und dem Mangel an Arbeitskräften sahen sich die Bahnbauingenieure und ausführenden Firmen vor schwierig zu lösende Probleme gestellt. Obendrein sorgten schlechte Witterungsbedingungen für Bauverzögerungen.
1894: 104.943 Fahrgäste und 53.346 Tonnen Güter
Am 6. Dezember 1890 konnte dann doch zunächst der Bahnverkehr bis Röhrnbach aufgenommen werden. Erst zwei Jahre später (am 15. Oktober 1892) erfolgte die Inbetriebnahme der Strecke bis Freyung. Der Fuhrpark der Lokalbahn bestand damals aus vier Tender-Dampflokomitiven des Typs DX, Personenwaggons mit unterschiedlichen Klassifizierungen sowie drei Gepäckwagen mit Postabteil und fünf gewöhnlichen Gepäckwagen.
Im Jahre 1894 wurde die von der Kgl. Bausektion errichtete „Waldbahn“ von der Kgl.-Bayerischen Staatseisenbahn übernommen. Dieser Entschluss dürfte dieser nicht schwer gefallen sein, denn der Bahnbetrieb florierte – sowohl im Personen, als auch im Güterverkehr – hervorragend. Bereits im ersten vollen Betriebsjahr wurden nicht weniger als 104.943 Fahrgäste und 53.346 Tonnen Güter befördert.
Die Verbindung zwischen Freyung und Grafenau blieb leider aus
Die Absicht König Ludwigs II., dem Waldland zwischen Passau und Freyung durch den Bahnbau strukturpolitisch wirksam unter die Arme zu greifen, trug voll Früchte. Leider ist der ursprünglich angedachte Anschluss zur 1890 eröffneten Bahn von Zwiesel nach Grafenau damals unterblieben. Das war – besonders aus heutiger Sicht, vor allem nach der Zusammenlegung der beiden früheren Landkreise Wolfstein und Grafenau – ein tragisches Versäumnis. Die Realisierung dieser Streckenführung wäre heutzutage eine ebenso wichtige wie attraktive – gerade was Sicherheit, Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit anbetrifft – Verkehrsverbindung für den gesamten Bayerischen Wald.
Karl-Heinz Paulus