Freyung. Heiß war es in Freyung an diesem Donnerstag, dem 27. Juni 1872. Kein Wölkchen stand am Himmel, lediglich ein ordentlicher Südwestwind brachte Kühlung. Ein ideales Wetter zum Einbringen der Heuernte. Das nutzten die Freyunger ausgiebig. Schließlich gehörte zu vielen Anwesen im Ort eine kleine Landwirtschaft. Drum werkelten alle, die nicht im Haus benötigt wurden, draußen auf den nach Heu duftenden Wiesen. Eine Idylle, die aber schlagartig und grausam zerstört wurde.
Gegen Viertel nach eins ertönte auf einmal das durch Mark und Bein gehende gefürchtete Hornsignal des Feuermelders. Feuer! Im Markt schien ein Brand ausgebrochen zu sein. Kurz darauf begannen die Kirchenglocken Sturm zu läuten. Die Heuarbeiter blickten erschrocken in Richtung Markt. Dort stieg bereits eine mächtige Rauchsäule zum Himmel. Sofort warfen alle ihre Rechen und Gabeln beiseite und eilten zu ihren Häusern.
Brennende Schindeln als „Brandbomben“
Was war passiert? Beim Stadel des Gasthauses Leopold Bauer (heute Gasthof Brodinger) war ein mächtiges Feuer ausgebrochen. Der Wind fachte den Brand an, Funken stoben. Tapfer versuchte die Freyunger Feuerwehr, die erst im vorangegangenen Jahr gegründet worden war, dem Feuer Einhalt zu gebieten. Ein hoffnungsloses Unterfangen. Schon hatte das Feuer auf die benachbarten Häuser mit den Ställen übergegriffen. Das Pröbstl-Anwesen brannte, das Feuer breitete sich rasend schnell bis hinunter zum Gasthof zur Post aus.
Und dann nahm die Katastrophe vollends ihren Lauf. Die durch die Luft wirbelnden Funken entzündeten das Schindeldach der Kirche und der angrenzenden Sebastianikapelle. Wie eine Fackel loderte der Kirchturm, der Wind schleuderte Tausende brennende Schindeln durch die Luft. Wie Brandbomben entzündeten die lichterloh flackernden Schindeln jetzt auch die weiter entfernt liegenden Anwesen, im Nu brannte der halbe Markt.
Das gesamte Zentrum des Marktes brennt ab
Feuerreiter holten in höchster Eile Hilfe herbei aus Waldkirchen, Perlesreut, Röhrnbach, Kreuzberg, Grainet und sogar aus Grafenau. Doch auch mit vereinten Kräften wurde man dem Feuer nicht Herr. Zu groß war die Hitze und es fehlte an Löschwasser. Wasserleitung gab es noch keine, die drei Marktbrunnen lieferten nicht genug von dem kostbaren Nass. In ihrer Not griffen die Löschmannschaften sogar auf Jauche als Löschflüssigkeit zurück.
Aber zu spät. Bald standen 37 Wohngebäude mit 41 Nebengebäuden in Flammen. Die Kirche und die Sebastianikapelle sowieso, aber auch die Schule, das Mesnerhaus, die Fronfeste (heute Apotheke Riederer), das Kommunebräuhaus (heute Passauer Hof). Aber auch die Brauerei Lang brannte, das Bräustüberl, der Blumstingl, alle Gebäude bis hinunter zum Bäcker Schuster.
Diebstähle und Plünderungen, aber auch große Hilfsbereitschaft
Die Schäden waren verheerend. Viele Freyunger verloren ihre Wohnung, ihre Habe und auch die bereits eingebrachten Futtervorräte. Es dauerte Tage, bis das Feuer vollkommen gelöscht war. Unbeschreibliche Not stürzte viele Freyunger in Verzweiflung. Umso verwerflicher war es, dass sich in Windeseile von überall her Räuber- und Diebesbanden einfanden, die alles plünderten und stahlen, was nicht niet- und nagelfest war. Um diese Missstände einzudämmen, wurden Gendarmeriemannschaften aus Perlesreut, Röhrnbach, Bischofsreut, Neureichenau und Hauzenberg nach Freyung beordert. Letztlich konnten diese dem Treiben der Plünderer ein Ende bereiten, aber die Diebstähle hatten die durch den Brand entstandenen Verluste noch dramatisch verschlimmert.
Der bei dem Brand entstandene Schaden wurde auf 235.640 Gulden geschätzt, weniger als 100.000 Gulden waren durch Versicherungen abgedeckt. Gottlob erwiesen sich viele Menschen als sehr hilfsbereit. Es konstituierte sich ein Hilfskomitee, die Spenden flossen reichlich.
Benefizveranstaltungen generierten Hilfsgelder, sogar der Wiener Gesangsverein gestaltete mit der Passauer Liedertafel ein großes Konzert, dessen Erlös den durch den Brand Geschädigten zugutekam. Ja, auch König Ludwig spendete aus der Kabinettskasse 1.000 Gulden – und Prinz Luitpold ließ sich mit immerhin 300 Gulden ebenfalls nicht lumpen.
Doch was war denn nun die Ursache des Brandes gewesen? Letztlich konnte man diese Frage nicht klären. Man munkelte von Brandstiftung und hatte auch eine konkrete Vermutung. Aber man konnte dem 72-jährigen Verdächtigen die Tat nicht nachweisen.
Aus den Trümmern entsteht ein neues Freyung
Bei allem Schaden brachte der Großbrand langfristig jedoch auch den ein oder anderen Nutzen: Nach einer Notkirche als Provisorium wurde innerhalb von sechs Jahren eine neue Kirche gebaut, und zwar wesentlich größer und schöner als die abgebrannte Kirche. Diese neu errichtete Kirche bildet auch heute noch den Mittelpunkt der Stadt Freyung. Den ursprünglich rund um die Kirche befindlichen Friedhof verlegte man nordöstlich außerhalb des Marktes. Dort fand auch die Sebastianikapelle einen neuen Platz. Viele Freyunger Häuser erstanden in neuem Glanz und auch den Gedanken an eine Wasserleitung fasste man ins Auge. So erwuchs aus der Katastrophe langfristig ein neues Freyung. Aber der Preis dafür war immens hoch gewesen.