Bischofsreut. Winter 2022. Hog’n-Redakteurin Sabine Simon steht am Weberberg in Bischofsreut. Sie ist mit einer Freundin zum Langlaufen verabredet. Die Freundin verspätet sich. Bescheid geben kann sie nicht: Sie hat ein Handy mit o2-Vertrag. Und o2-Netz gibt es kaum in der Gemeinde Haidmühle. Wenn es nach der Betreibergesellschaft Telefónica geht, soll sich das bald ändern: Ein Sendemast soll her.
Wie vielerorts sorgt das Thema Mobilfunkmast auch in der Gemeinde Haidmühle für hitzige Diskussionen. Eine Bürgerinitiative hat sich formiert. Sie will zeigen: Wir wollen ihn nicht, den etwa 50 Meter hohen Pfosten in unmittelbarer Nachbarschaft zur Wohnbebauung am Weberberg. Bei einer Ortsbegehung durch Telefónica und Vertreter der Bayerischen Staatsforsten, auf deren Grund der Mast voraussichtlich gebaut werden soll, wollten die verärgerten Anwohner protestieren. Wann und wo die Besichtigung des Standortes stattfand, gab das Forstamt aber nicht bekannt. Der Ärger war deshalb groß.
Die Fakten: Was ist eigentlich geplant?
„Alles hinter unserem Rücken.“ So wurde die Bürgerinitiative wenige Tage später in der Lokalzeitung zitiert. Aber ist das so? Was plant Telefónica genau und warum? Das Onlinemagazin da Hog’n hat mit einem Mitarbeiter gesprochen, der für die Netzabdeckung zuständig ist.
Im Dezember informierte Telefónica Deutschland das Rathaus darüber, dass sie neue Sendeanlagen im Gemeindebereich errichten möchte. Der Grund dafür: Haidmühle ist ein weißer Fleck auf der Karte, wenn es um die Netzabdeckung des Betreibers mit seinem o2-Netz geht – und zwar der Ort selbst sowie größere Teile des Nachbardorfs Bischofsreut. Zudem hat ein Abschnitt der Staatsstraße 2130 bei Schwarzenthal nicht nur schlechten o2-Empfang: Dorthin reichen auch die vorhandenen Sendemasten von Telekom und Vodafone nur unzureichend.
Für Thomas Lichtenberger, verantwortlicher Mitarbeiter im Netzbereich bei Telefónica, sind das wichtige Gründe, um vor Ort auf Standortsuche zu gehen. Im Gespräch mit dem Hog’n stellt er klar: „Bei der Frequenzversteigerung hat der Gesetzgeber mit der Vergabe der Frequenzen eine Auflage verknüpft: Alle Staatsstraßen im Bundesgebiet müssen mit 50 Mbit/s versorgt werden“, erklärt Lichtenberger. „Telefónica hat die Verantwortung, die Lücke bei Schwarzenthal zu schließen, weil Telefónica hier bislang keinen Standort hat.“
Netzlücke im Bereich der Staatsstraße muss geschlossen werden
Und genau aus diesem Grund hat sich in der Gemeinde der Standort am Bischofsreuter Weberberg als geeignet herausgestellt: Wird dort ein etwa 50 Meter hoher Mast aufgestellt, so versorgt dieser nicht nur in Richtung Theresienreut und Auersbergsreut, sondern auch zur anderen Seite den Berg hinab die Staatsstraße bei Schwarzenthal, sagt Lichtenberger.
Die gesamten Lücken im Gemeindegebiet könne man damit zwar nicht schließen. Ein weiterer Sendemast in Haidmühle sei aber nachrangig, denn hier geht es ausschließlich um fehlende Versorgung mit o2-Netz – die Staatsstraßen im Bereich der Ortschaft Haidmühle sind durch die Telekom und Vodafone ausreichend abgedeckt.
Im Fokus also: Der Standort am Weberberg, auf einem Waldgrundstück unweit der Wohnbebauung. Sollte Telefónica hier einen Mast aufstellen, liegt es übrigens an Telekom und Vodafone, ob sie diesen ebenfalls mit Antennen für ihre Netze ausstatten wollen. Telefónica baut ihn nämlich nicht selbst, sondern beauftragt eine externe Firma damit. Wenn der Mast steht, dürfen auch andere ihn mieten. Bereits in der Planungsphase informiere man die Mitbewerber darüber, dass hier eine neue Sendeanlage aufgestellt werden soll, berichtet Lichtenberger weiter.
Bald 5G im Leopoldsreuter Wald?
Welche Mobilfunktechnik jeweils vom Sendemasten aus angeboten wird, entscheidet ebenfalls der jeweilige Betreiber. Die große Angst, die sofort bei manchem mitschwingt: Sind die Anwohner hier bald einer 5G-Strahlung ausgesetzt? Um die neueste Mobilfunkgeneration ranken sich die meisten Gerüchte, sie verursacht die meisten Bedenken und Sorgen.
Grundsätzlich habe man bei Sendeanlagen die Möglichkeit, sie mit allen verfügbaren Technologien auszustatten, teilt Thomas Lichtenberger von Telefónica mit. Wann 5G am Standort Bischofsreut angeboten werde, hänge auch davon ab, ob überhaupt 5G-fähige Handys in der Nähe genutzt werden. Der Ausbau erfolge nämlich häufig bedarfsorientiert.
Generell werde die Technik streng durch die Bundesnetzagentur überwacht, betont Florian Streicher, Pressesprecher der Telefónica. Sicherheitsabstände müssten eingehalten werden. „Es existieren strenge gesetzliche Grenzwerte für den Mobilfunk, die die Mobilfunkanbieter nicht nur einhalten, sondern in der Regel sogar um ein Vielfaches unterschreiten“, betont er.
Dass außerhalb von Sicherheitsbereichen ein Einfluss der Mobilfunkstrahlung auf den menschlichen Körper so gut wie ausgeschlossen werden kann, sagen auch Wissenschaftler, die dazu forschen. Viel stärkerer Strahlung als unterhalb eines Sendemasts ist man beispielsweise ausgesetzt, wenn man mit dem Handy am Ohr telefoniert oder wenn das Handy in der Hosentasche ständig Netz sucht.
Die Gegner: Warum der Protest?
Traudi Kölbl ist sich nicht sicher, ob sie derlei Dinge glauben kann. Sie ist skeptisch eingestellt gegenüber allem, was die Mobilfunkindustrie behauptet. Kölbl ist eine derjenigen, die gegen den Metallpfosten in Bischofsreut Stellung bezieht und zeigen will, dass es durchaus Gegenwind in der Bevölkerung gibt.
Hauptgrund für ihre Skepsis sei, dass hinter den Plänen der Netzbetreiber vor allem wirtschaftliche Gedanken stecken: „Die Macht des Geldes macht Moral und Anstand nieder“, sagt die Bischofsreuterin. Mehr Masten bedeuten mehr Strahlung, da ist sie sich sicher. Und dass von der Strahlung ein Gesundheitsrisiko ausgeht – auch davon ist sie überzeugt. Sie persönlich wolle im Wald ihre Ruhe haben und brauche dort kein Handynetz.
Gemeinderat Martin Zellner geht es eher um das Landschaftsbild: Er hat sich der Bürgerinitiative angeschlossen, weil er durch den neuen Mast eine „optische Verschandelung der Landschaft“ befürchtet, wie er es gegenüber dem Hog’n formuliert. Zellner beobachtet, wie in der näheren Umgebung derzeit ein Sendemast nach dem anderen errichtet wird – und fragt sich, ob dies vor allem deshalb geschieht, weil die Netzbetreiber eine Förderung dafür erhalten, Bayern flächendeckend mit Mobilfunktechnik der neuesten Generation zu versorgen.
„Wir haben bereits einen Sendemast mitten in Bischofsreut. Sie könnten doch auch diesen nutzen für eine o2-Antenne“, findet Zellner. Was aber laut Telefónica nicht möglich ist: Der bestehende Mast sei statisch bereits ausgelastet, sagt Telefónica-Pressesprecher Streicher. „Das bedeutet, dass hier keine weitere Technik angebracht werden kann.“ Zudem könne von diesem aus die erforderliche Lizenzauflage nicht erfüllt werden, sprich: die Straße bei Schwarzenthal bliebe zu schlecht versorgt. „Damit bleibt nur ein Neubau am aktuell geplanten Standort“, stellt Streicher klar.
Die Behörden: Genehmigung für den Mast?
Wann und ob Telefónica die Sendeanlage errichten lässt, entscheidet sich in den nächsten Monaten. Verhindern könnte das Projekt zum einen der Grundstückseigentümer, also die Bayerischen Staatsforsten. Nicht aber das Forstamt vor Ort hat hier das letzte Wort, sondern die Immobilien-Abteilung der Zentrale.
Jan-Paul Schmidt, Pressesprecher jener Anstalt des öffentlichen Rechts, teilt auf Hog’n-Nachfrage mit: „Die Bayerischen Staatsforsten stellen Flächen für Dritte grundsätzlich nur dann bereit, wenn durch die Nutzung forstbetriebliche Belange des jeweiligen Forstbetriebes nicht wesentlich beeinträchtigt werden und die künftige Nutzung öffentlich-rechtlich genehmigungsfähig ist.“ Ob das in Bischofsreut der Fall ist, wird derzeit geklärt.
Und das Dorf Bischofsreut und seine Anwohner? Die Gemeinde Haidmühle sei von Anfang an in das Thema Standortsuche miteinbezogen worden, betont Telefónica. Der Gemeinderat selbst kann den Mast aber nicht verhindern. Ob der Standort genehmigungsfähig ist, entscheidet letztendlich das Landratsamt.
Bisher liege kein Bauantrag vor, teilt der Pressesprecher des Landratsamtes Freyung, Karl Matschiner, dazu mit. „Die Zulässigkeit kann erst in einem entsprechenden Genehmigungsverfahren geprüft werden“, schreibt er. „Wie für jedes andere Vorhaben auch sind je nach Standort diverse Vorgaben zu beachten. Dies sind vorrangig bau- und immissionsschutzrechtliche Vorschriften, aber gegebenenfalls auch naturschutzrechtliche Belange, die zu berücksichtigen sind.“
Bislang habe man in Freyung-Grafenau noch keinen Antrag zum Bau eines Sendemasts ablehnen müssen: Den antragstellenden Unternehmen seien die grundsätzlichen Anforderungen in der Regel schon vor dem Einreichen des Bauantrages bekannt. „Im Einzelfall wurden jedoch auch Standortverschiebungen vorgenommen, um die Genehmigungsfähigkeit zu erreichen“, teilt Matschiner mit. Letztendlich sei es immer eine Einzelfallentscheidung, bei der es einer Abwägung bedarf.
Wie viele lehnen den Masten tatsächlich ab?
Die Bürgerinitiative hat indes ein großes Plakat in Bischofsreut aufgestellt. Darauf steht: „Unser Dorf wurde nicht gefragt!“ Derzeit sind es laut Angaben der Bürgerinitiative rund 40 Personen, die sich klar gegen den neuen Sendemasten aussprechen. Wie der Rest der Gemeinde Haidmühle darüber denkt, bleibt tatsächlich offen. Es gibt aber durchaus Bürger, die die neue Technik nicht verhindern wollen und Personen, die sich fragen: Was wäre, wenn kein neuer Mast kommt? Irgendwann werden die Mobilfunkbetreiber die bereits veraltete Edge-Sendetechnik abschalten. Nicht jeder würde in diesem Fall wohl größere Funklöcher der 5G-Technik vorziehen.
Thomas Lichtenberger von Telefónica geht davon aus, dass der Standort Bischofsreut innerhalb eines Jahres realisierbar sein wird. Bereits in der Planungsphase wolle man die Untere Naturschutzbehörde fragen, ob am vorgesehenen Standort besondere Anforderungen gelten. Er hat im Blick, dass für den Sendemast größere Ausgleichsmaßnahmen als für andere Bauvorhaben nötig sein werden, sieht aber derzeit keine gewichtigen Gründe, die gegen die Errichtung sprechen. Gewichtige Gründe für die Errichtung gebe es dagegen.
Sabine Simon