Spiegelau/Klingenbrunn. Die Erleichterung bei Josef Erhard und seinen Mitstreitern der Bürgerinitiative „Natur & Heimat“ ist groß. Die Vodafone GmbH hat ihren Bauantrag für die Errichtung eines Mobilfunkmastens neben der Fatima-Kapelle in Klingenbrunn zurückgezogen. Ein Missverständnis sei hierfür ursächlich gewesen, wie Vodafone-Sprecher Volker Petendorf auf Hog’n-Nachfrage mitteilt. Der Vodafone-Antrag habe sich in der Gemeinde Spiegelau mit der Information über die Baugenehmigung für den 500 Meter entfernt gelegenen Telekom-Masten in der Bergstraße überschnitten, so der Konzern.
Doch die generellen Bedenken innerhalb von Teilen der Bürgerschaft gegenüber dem Ausbau der Mobilfunktechnik und deren Auswirkungen, insbesondere was das Thema Strahlenbelastung anbelangt, sind damit nicht ausgeräumt. „Wir wollen wissen, was in der Gemeinde Spiegelau in Sachen Mobilfunk geplant ist“, insistiert BI-Sprecher Erhard weiterhin.
Widersprüchliche Aussagen
„Dass die Gemeinde bis dato nichts vom Vodafone-Masten gewusst hatte, ist für mich schwer zu beurteilen“, sagt der 72-Jährige im Gespräch mit dem Hog’n. „Ich weiß nicht, zu welchem Zeitpunkt Informationen geflossen sind.“ Was er hingegen zu wissen glaubt: „Laut Bundesimmissionsschutzgesetz haben die Gemeinden ein Mitwirkungsrecht bei der Aufstellung von Funkmasten. Es kann also meiner Ansicht nach nicht an der Gemeinde vorbei irgendein Masten gebaut werden.“
Eher zufällig hatten Erhard und seine Mitstreiter von dem Vorhaben erfahren: Vodafone hatte sich schriftlich bei den Nachbarn desjenigen Klingenbrunner Bürgers gemeldet, auf dessen Privatgrundstück der neue Masten errichtet werden sollte. Spiegelaus Bürgermeister Karlheinz Roth zeigte sich ebenfalls überrascht. „Die Gemeinde wurde nicht miteinbezogen“, äußerte sich dieser Mitte November gegenüber der Lokalzeitung. „Die Grundstücksnachbarn wussten früher vom Bauantrag für den LTE/GSM-Mobilfunkmasten als wir“, wird der Rathaus-Chef zitiert. Im Normalfall werden ihm zufolge die Kommunen bei der erfolgreichen Sicherung eines privaten Standorts von dem jeweiligen Netzbetreiber darüber unterrichtet. „Dies ist im gegenständlichen Fall nicht erfolgt“, bestätigt Roth auch gegenüber dem Onlinemagazin da Hog’n.
Eine Aussage, die im Widerspruch zu denjenigen Informationen steht, die wir von Vodafone-Konzernsprecher Petendorf bekommen haben. „Wir hatten die Gemeinde erstmals im Juni 2018 über unser Bauvorhaben informiert“, teilt dieser auf Nachfrage mit. „Die Gemeinde hat dann am 4. November 2020 unseren Bauantrag erhalten.“
„Den Preis bezahlen die Bürger mit ihrer Gesundheit“
Die Bürgerinitiative „Natur & Heimat“, die Erhard zufolge derzeit an die 300 Leute vereint, wurde vor einigen Wochen ins Leben gerufen. Einer der Gründe: „Mangelnde Transparenz seitens der Gemeinde. Die Bürger wissen nicht, was in Sachen Mobilfunk-Ausbau vor sich geht – und sind deswegen verärgert und verunsichert“, sagt der ehemalige Forstbeamte und jetzige Rentner. Er sei auf Bitten mehrerer Mitbürger dazu bewogen worden sich dem Thema anzunehmen, da er sich vor Jahren bereits bei einer Bürgerinitiative gegen Windkrafträder in einem Landschaftsschutzgebiet (Wagensonnriegel) engagiert habe und somit BI-Erfahrung vorweisen könne.
Des Weiteren kritisiert Josef Erhard die im Rahmen des staatsministerialen Modellprojekts „Smart Cities, Smart Regions“ geplanten Schritte für eine langfristige Digitalisierungsstrategie innerhalb der ILE-Nationalparkgemeinden, deren Vorsitz Spiegelaus Bürgermeister Karlheinz Roth innehat. Die Teilnahme am Projekt bezeichnete dieser jüngst als „großartige Auszeichnung“ sowie – „aufbauend auf unseren Erkenntnissen aus dem Digitalen Dorf Spiegelau-Frauenau“ – als „weiteren Meilenstein in Richtung Zukunft“. Es gehe darum, anhand von Machbarkeitsstudien den digitalen Mehrwert für die Region herauszuarbeiten, um so eine gemeinsame Digitalstrategie zu entwickeln.
„Smart Cities, Smart Regions setzt ein lückenloses Mobilfunknetz mit 4G und LTE voraus“, kommentiert Erhard dazu. „Um die riesigen Datenpakete transportieren zu können, werden die 4-G-Sendemasten mit den 5-G-Sendern Zug um Zug aufgerüstet. Verschwiegen wird, dass alle 100 bis 150 Meter die Städte und Orte mit Mini-Sendern ausgestattet werden müssen, die rund um die Uhr funken.“ Die davon ausgehende Strahlung erachten der 72-Jährige und seine Mitstreiter als gesundheitsgefährdend. Erhard beruft sich dabei u.a. auf entsprechende Literatur. „Die 5-G-Technik ist für die Mobilfunkkonzerne ein Milliardengeschäft – aber den Preis bezahlen die Bürger mit ihrer Gesundheit. Die Rechnung bekommen sie in zehn bis 25 Jahren am eigenen Leib zu spüren.“
„Zur Kenntnis genommen“
„Es gibt bis dato keine Abschätzung der technischen Folgen“, kritisiert Erhard und ergänzt: „Wenn bewiesen wäre, dass diese Strahlung vollkommen unschädlich ist, hätten wir kein Problem – doch das ist nicht der Fall.“ Er sieht hier die Mobilfunkindustrie in der Beweislast, nicht die Bürgerschaft. Ebenso müsse die Politik ihrer Vorsorgepflicht nachkommen. „Wir sind der Meinung, dass die Gesundheit der Bürger an erster Stelle stehen muss. Sie muss wichtiger sein als jegliche wirtschaftlichen Interessen – darum geht es uns.“ Die Mitglieder der Bürgerinitiative seien nicht grundsätzlich gegen die Digitalisierung. Sie fordern einen Stopp der 5-G-Planungen und stattdessen den lückenlosen Ausbau des Glasfasernetzes mit Anschluss an das Wohngebäude. „Für einen guten Handyempfang brauch ich kein 5G – da reicht auch 3G oder 4G.“
Die Forderungen der BI hat Bürgermeister Karlheinz Roth „zur Kenntnis genommen“, wie er dem Hog’n gegenüber mitteilt. „Respektiert werden sollte dabei jedoch auch, dass es zu dem Thema auch durchaus andere Meinungen und Darstellungen gibt.“ Daher ist ihm zufolge eine differenziertere Betrachtung bei der Integration neuer Techniken erforderlich. „Nur so können auch wir von den vielen neuen Chancen profitieren, die sich gerade in den ländlichen Regionen im Bereich der Digitalisierung eröffnen. Die Forderung, auch in den nächsten Jahren den Glasfaserausbau voranzutreiben, wird in diesem Zusammenhang von mir ausdrücklich unterstützt.“
Die Sorgen der Bürger über mögliche gesundheitliche Bedenken sind laut Roth „grundsätzlich immer ernst zu nehmen“. Er wünsche sich daher von Seiten der zuständigen öffentlichen Stellen des Bundes noch mehr Informationen für die die Bevölkerung. Die jüngsten Informationsinitiativen der zuständigen Behörden – „Fragen und Antworten zur Einführung der 5G-Mobilfunknetze“ sowie „Kommunikationsinitiative der Bundesregierung zum Mobilfunkausbau und zu 5G sind aus seiner Sicht begrüßenswert.
„Wünsche mir, dass offen und konstruktiv informiert wird“
„Leider wird in den Diskussionen immer wieder vergessen, dass die Zuständigkeit für den Mobilfunkausbau in unserem Land nicht bei den einzelnen Gemeinden, sondern beim Bund liegt“, teilt der Spiegelauer Rathaus-Chef weiter mit. Die Bundesregierung habe hierzu Ende des vergangenen Jahres eine eigene Strategie beschlossen, wie sich der Mobilfunkausbau hierzulande in den nächsten Jahren weiter gestalten soll.
„Den einzelnen Kommunen kommt in Zusammenhang mit der Errichtung von neuen Mobilfunkstandorten entgegen der weit verbreiteten Meinung im Regelfall auch kein eigener Entscheidungsspielraum zu, es sei denn, dass der Mobilfunkausbau auf einem Grundstück erfolgt, das der Gemeinde selbst gehört“, gibt Roth Auskunft. Viele der Bauvorhaben der Mobilfunkbetreiber könnten nach der geltenden Rechtslage sogar ohne Baugenehmigung realisiert werden. „Soweit wir als Kommune in den Prozess eingebunden werden, werden wir diese Informationen selbstverständlich auch weiterhin öffentlich kommunizieren.“
„Wenn man heute allen Verschwörungstheorien das Wasser abgraben will, braucht man eine transparente Politik – nicht nur im Bereich Mobilfunk“, sagt BI-Sprecher Josef Erhard. „Ich wünsche mir, dass die Karten auf den Tisch gelegt werden, dass offen und konstruktiv informiert wird. Das ist der beste Weg.“
Stephan Hörhammer