Passau. Es ist kein neues Thema. Trotzdem ist die Problematik aktuell: Nach wie vor ist es in Passau nicht möglich, am städtischen Klinikum einen Schwangerschaftsabbruch nach der Beratungsregelung durchführen zu lassen. Neben anderen Gruppierungen setzt sich auch das Bündnis „Pro Choice Passau“ seit 2018 dafür ein, etwas an der Lage in der Dreiflüssestadt zu ändern (da Hog‘n berichtete).
Die Gründe für den gewollten Abbruch einer Schwangerschaft können vielzählig sein, denn jede betroffene Person hat einen individuellen Hintergrund und ihre eigene Geschichte. Dennoch dürfen die Eingriffe nach wie vor nicht in der Passauer Einrichtung durchgeführt werden. Vor Kurzem startete das Bündnis für Sexuelle Selbstbestimmung (BfsS) deshalb eine Petition mit dem Ziel, Schwangerschaftsabbrüche am Klinikum Passau endlich zu ermöglichen.
Die Bündnispartner formieren sich
„Es ist wirklich traurig, dass so eine Aktion im Jahr 2021 noch notwendig ist“, meint Susanna Lindlein. Die 17-jährige Schülerin aus Passau tritt gemeinsam mit Sara Köhl und Henriette Gremm als Pressesprecherin der Petition in Erscheinung. „Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung wurde 2019 gegründet, angestoßen durch die Gruppe ProChoice und die Passauer ProFamilia.“ Mittlerweile zählen stolze 21 Bündnispartner und -partnerinnen (darunter auch Parteien) dazu.
Doch im Rathaus tut sich bisweilen wenig bis gar nichts. „Bereits im letzten Jahr haben wir mehrmals versucht, Oberbürgermeister Jürgen Dupper zu einem Gespräch zu bewegen, um mit ihm über das Verbot der Schwangerschaftsabbrüche am Klinikum zu sprechen“, berichtet Susanna Lindlein. Nachdem dieses jedoch immer wieder vertagt wurde, startete das Bündnis nun die Petition. „Je mehr Unterschriften wir sammeln können, desto größer wird der Druck endlich zu handeln.“
Veraltete Beschlüsse keine Reaktion des Bürgermeisters
Ein erster Meilenstein wurde bereits nach kurzer Zeit realisiert: „Schon nach einer Woche haben wir über 2.000 Unterschriften gesammelt“, freut sich die Schülerin. Des Weiteren konnte damit die nötige Relevanzschwelle zur Einholung einer Stellungnahme des Oberbürgermeisters durch die Betreiber der OpenPeition-Website erreicht werden. Denn die Aktion richte sich bewusst nicht an das Klinikum, sondern an Jürgen Dupper und die Mitglieder des Passauer Stadtrats.
Susanna Lindlein erklärt weiter: „Das Verbot basiert auf absolut veralteten Stadtratsbeschlüssen aus den Jahren 1998 und 2007. Das heißt, dass sich seit 14 Jahren nichts getan hat. Der Stadtrat blockiert mit dieser Beschlusslage also nach wie vor die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen.“ Die Tatsache, dass der Rat aus 34 männlichen und nur zehn weiblichen Politikern besteht, verstärke den Ärger vieler Unterstützer noch, so die 17-Jährige. Denn ein Großteil derer, die für das Verbot mitverantwortlich zeichnen, werde selbst nie in die Situation kommen, eine ungewollte Schwangerschaft abbrechen zu müssen. Des Weiteren bilde die Gesetzeslage eine absolute Ausnahmesituation: „In Deutschland ist es eigentlich gesetzlich vorgegebenen, flächendeckend Abbrüche zu ermöglichen.“
Möglichst viele Bürger erreichen – im Netz und auf der Straße
Über Social-Media-Kanäle wie Instagram, Twitter und Facebook konnten die Initiatorinnen bereits viele Menschen erreichen. Nun möchte das Bündnis auch offline noch aktiver werden. „Jeden Donnerstag und Freitag haben wir einen Infostand in der Fußgängerzone, um auch diejenigen zu erreichen, die keine Sozialen Medien nutzen“, berichtet Susanna Lindlein.
Denn in erster Linie soll die Passauer Bevölkerung erreicht werden. Das Bündnis erhofft sich dadurch ein (schnelleres) Handeln des Oberbürgermeisters. „Wenn Herr Dupper sieht, dass das Thema wichtig für seine potenziellen Wählerinnen und Wähler ist, ist das wahrscheinlich am effektivsten.“ Bisher sei die Resonanz größtenteils positiv ausgefallen. „Natürlich erfahren wir auch immer wieder Gegenwind – doch zum Glück hielt sich dieser bisher in Grenzen.“ Zwar sei die Thematik der körperlichen Selbstbestimmung in den vergangenen Jahren vor allem durch die sog. Sozialen Medien immer mehr in den Vordergrund getreten, wodurch sich vor allem jüngere Frauen damit auseinandersetzten. Dennoch falle die Zustimmung auch bei anderen Teilen der Bevölkerung häufig zustimmend aus: „Nur, weil man beispielsweise jüngere Menschen schneller über das Internet erreicht, bedeutet das nicht, dass nicht auch ältere offen für die Petition sind und diese unterstützen möchten“, betont die Schülerin.
Als größter Gegner von Schwangerschaftsabbrüchen am Passauer Klinikum gilt die selbsternannte „Lebensschutzbewegung„, die in den vergangenen Jahren durch Protestaktionen vor der ProFamilia-Beratungsstelle aufgefallen ist. Die Petitionsinitiatoren rechnen damit, mit wachsendem Bekanntheitsgrad ebenfalls mehr Widerstand zu erfahren. Für Susanna Lindlein ist dies jedoch kein Grund sich einschüchtern zu lassen: „Das zeigt doch erst recht, wie notwendig es ist, endlich ins Handeln zu kommen. Niemand sollte anderen Personen vorschreiben dürfen, wie sie mit ihren Körpern umzugehen haben.“
Nächste Etappe: Das persönliche Gespräch
Ein weiteres Ziel, welches das Bündnis anstrebt, ist der persönliche Dialog: „Ein runder Tisch wäre super, so könnten wir mit dem Bürgermeister, Stadtratsmitgliedern und vielleicht auch mit Vertretern des Klinikums sprechen.“ Erste Gespräche mit den weiblichen Ratsmitgliedern habe es im Frühjahr dieses Jahres sowie vor ein paar Wochen gegeben. Auch ein vor kurzem stattgefundener Austausch mit der Klinikleitung ist Lindlein zufolge sehr aufschlussreich verlaufen. Diese sei sich der Problematik durchaus bewusst. Für das Bündnis bedeutet das nun, „solange weiter zu machen, bis dieser veraltete Beschluss endlich gekippt wird“.
Malin Schmidt-Ott
Das Onlinemagazin da Hog’n möchte von der Stadtverwaltung unter anderem dazu wissen, mit welchen Argumenten sich die Stadt Passau und deren politische Vertreter damals für ein Verbot ausgesprochen haben, aus welchen Gründen die Mehrheit seiner politischen Vertreter bis dato keinen Grund dafür sieht die damaligen Beschlüsse zu ändern und warum Oberbürgermeister Dupper in dieser Sache offensichtlich wenig Gesprächsbereitschaft zeigt.
Auf mehrmalige Nachfrage teilt man uns telefonisch mit, dass es dazu eine Medien-Auskunft geben wird, sobald die Stadt zunächst die Petenten entsprechend informiert habe. Dies solle in den nächsten Tagen erfolgen.
da Hog’n
Starke Initiative!