Cham. Der Begriff „to go“ ist mittlerweile aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken. Zuerst ist der Kaffeebecher zum Mitnehmen aus den USA in den Woid rübergeschwappt, heute gibt es nahezu alles Essbare zum Abholen für den Verzehr in den eigenen vier Wänden. Gerade jetzt, wo die Welt von Corona gebeutelt wird, hat sich das „Kauf-und-Nimm-mit“-Konzept bewährt und sichert so manchem Gastronomen das Durchhalten bzw. Überleben.
Hairstyling to go dürfte bisher wohl eher als Novum in der Mitnahmewelt gelten – und vielleicht hat sich gerade deshalb die Geschäftsidee von Friseurmeisterin Tanja Hastreiter und ihrem (Geschäfts-)Partner Mario Biendl aus Weiding im Landkreis Cham als zukunftsträchtig erwiesen und sich innerhalb kürzester Zeit etabliert.
Die „Boderstum“ als Garage fürs Haarmobil
„Im Mai 2020 ist unser Boderwag’l aus der Not heraus geboren“, erinnert sich Mario Biendl. „Wir wollten einen Salon in Weiding eröffnen, konnten aber nicht die passenden Räumlichkeiten finden, also haben wir uns erst einmal für die mobile Variante entschieden. Später hat sich dann ein Laden durch Stammkundschaft aufgetan.“ Die „Boderstum“, sozusagen der feste Wohnsitz des Boderwag’ls, ist heute in der ehemaligen Sparkassenfiliale der 2.500-Seelen-Gemeinde untergebracht.
Das Boderwag’l-Konzept ist so einfach wie genial: Ein ausrangiertes Feuerwehrauto aus Magdeburg wurde in Eigenregie in einen fahrenden Friseursalon umfunktioniert, der das komplette Repertoire einer fest verorteten Frisierstube bietet. Vom Kinderhaarschnitt bis hin zu aufwändiger Strähnenarbeit oder Brautfrisuren wird dabei alles geboten. Die Absprache der Dienstleistung erfolgt bei Terminvergabe – wie in einem Laden eben auch. Sehr gerne nehmen die Kunden den praktischen WhatsApp-Service an, bei dem man bereits den Wunschtermin und die gewünschte Dienstleistung vorab mitteilen kann.
Im ersten Lockdown 2020 richteten die Friseurmeisterin und ihr Partner in viel Eigenregie die Boderstum in Weiding ein und wollten nebenbei noch einen rollenden Salon durch den Landkreis schicken. „Durch die beiden Lockdowns hatten wir genügend Zeit zum Werkeln. Wir hätten jedoch nicht gedacht, dass wir so schnell so erfolgreich sein würden“, freut sich Tanja Hastreiter. „Dabei haben wir gar nicht viel Werbung gebraucht: zwei Werbeschilder sowie Posts auf Facebook und Instagram – das war’s.“ Von Mittwoch bis Samstag ist sie aktuell jede Woche mit Mario Biendl auf Tour, bedient Kunden und Kundinnen in einem Umkreis von 20 Kilometern um die Kreisstadt Cham. Die Boderstum, die Garage für das Haarmobil, läuft währenddessen als Geschäft mit einer Mitarbeiterin weiter. Montag und Dienstag ist das haarverliebte Paar selbst in Weiding im Einsatz.
Die Boderwag’l-Idee als Franchise-Modell
Man könnte denken, dass vorwiegend ältere Menschen die Annehmlichkeit des mobilen Friseursalons in Anspruch nehmen, weil sie nicht den für sie womöglich beschwerlichen und mit Umständen verbundenen Weg zum Friseur auf sich nehmen müssen. Doch dem ist nicht so. Das Alter der Kundschaft liegt zwischen 25 und 50 Jahren. Gerne genießt auch mal eine komplette Familie den Service: von Mama und Papa bis hin zum jüngsten Kind werden dann die Haare geschnitten und gestylt. Damit das „Boderwag’l“ vorm Haus parken und darin eifrig frisiert werden kann, muss ein Mindestumsatz von 45 Euro gegeben sein, damit sich die Fahrt auch trägt. Die Preise sind nicht höher als im Salon. Drei bis vier Termine, wobei durchschnittlich zwei Stunden eingeplant sind, nimmt Tanja Hastreiter pro Tag wahr.
Eine klare Vision ihrer geschäftlichen Zukunft haben die beiden Boderwag’l-Betreiber bereits vor Augen: Sie wollen die Idee zu einem Franchise-Unternehmen ausbauen und somit vielen Friseuren und Friseurinnen die Möglichkeit zur Geschäftseröffnung bieten, ohne einen großen Schuldenberg anhäufen zu müssen. Das komplett ausstaffierte Fahrzeug – sogar der Föhn ist inklusive – wird dabei voll versichert als Mietmobil zur Verfügung gestellt. Die passenden Haarprodukte können günstig in der Boderstum erstanden werden – und ab geht die Post. Oder, besser gesagt, der Boder. „Wir möchten die Idee flächendeckend in Bayern einführen. Pro 60.000 Einwohner ein Boderwag’l. Man kann weitaus mehr verdienen als ein angestellter Friseur, ohne großartig investieren zu müssen“, ist Mario Biendl überzeugt. Noch dieses Jahr wollen die beiden loslegen und noch mehr mobile Boder auf Bayerns Straßen schicken.
Melanie Zitzelsberger