Landshut. Knapp fünf Jahre war Bertram Vogel als Geschäftsführer des Niederbayern-Forums tätig – vor Kurzem hat er die Leitung der Thermen- und Tourismusgesellschaft im Kurort Badenweiler in Baden-Württemberg übernommen. Seine Nachfolgerin, Christina Tanosova, ist für ihre neue Aufgabe aus dem benachbarten Bundesland nach Niederbayern zurückgekehrt. Seit Anfang Mai gibt sie nun die Richtung im Verein für niederbayerische Regionalentwicklung vor. „Ich komme ursprünglich aus der Region“, sagt die im tschechischen Sušice geborene 27-Jährige, die 14 Jahre in Freyung gelebt und gearbeitet hat.
Christina Tanosova, die Staatswissenschaften und Internationale Beziehungen an der Universität Passau und an der Andrássy Universität in Budapest studierte, hat sich in den vergangenen, von der Coronakrise geprägten Wochen in ihrem neuen Umfeld „etwas eingelebt“, wie sie im Gespräch mit dem Onlinemagazin da Hog’n berichtet.
„Selbst wenn die aktuellen Wirtschaftsdaten eher alarmierend sind“
Sie haben Staatswissenschaften und Internationale Beziehungen studiert – ist es nicht auch sinnvoll, einen gewissen betriebswirtschaftlichen Hintergrund zu haben?
Knowhow im Bereich Wirtschaftslehre ist definitiv hilfreich, in meinem Grundstudium habe ich u.a. das Modul Volkswirtschaftslehre mit Vorlesungen der Mikro- und Makroökonomie sowie der politischen Ökonomie absolviert. Ich denke, ich bin durch meinen Studienhintergrund und meinen bisherigen beruflichen Werdegang gut gerüstet für den Posten der Geschäftsführerin des Niederbayern-Forums. Meine jetzige Tätigkeit als Leiterin der Geschäftsstelle ist meinen bisherigen Aufgaben tatsächlich sehr ähnlich. So habe ich zuletzt als Geschäftsführerin des Vereins Bürgerschaftliche Regionalentwicklung Jagstregion e.V. Mitglieder betreut, Vorstands- und Beiratssitzungen geleitet sowie Mitgliederversammlungen organisiert. Zu meiner Zeit beim EUREGIO Bayerischer Wald – Böhmerwald – Inn e.V. war ich für Öffentlichkeitsarbeit und die Organisation von verschiedenen Veranstaltungsformaten zuständig.
Eine wichtige Aufgabe des Niederbayern-Forums betrifft immer mehr das deutsch-tschechische Miteinander. Welche Rolle können Sie hier einnehmen?
Aktuell setzen wir ein Projekt namens „Seitenwechsel – Niederbayern-Südböhmen-Pilsen 2019-2021″um, wobei durch grenzüberschreitend angelegte Initiativen, die in regionaler bayerisch-tschechischer Zusammenarbeit umgesetzt werden, junge Menschen über eine Landesgrenze hinweg an unsere binationale Region gebunden bzw. auch dorthin zurückgeholt werden sollen. Das bayerisch-tschechische Gebiet soll dabei nach außen hin als attraktiver grenzübergreifender Lebens- und Arbeitsraum beworben werden, der aufgrund seiner Lage ganz besondere Stärken vorweisen kann und gerade für junge Leute eine hervorragende Zukunftsperspektive bietet.
Dabei ist es durchaus von Vorteil, dass ich Tschechisch spreche. So kann man sich ganz persönlich ohne eine Drittsprache wie z. B. Englisch mit Projektpartnern austauschen. Wir arbeiten in diesem Projekt beispielsweise mit dem Netzwerkmanagement Bayern-Böhmen, angesiedelt bei der Europaregion Donau-Moldau in Freyung zusammen, mit dem sich in den vergangenen Jahren eine sehr enge Partnerschaft herausgebildet hat. Daran möchte ich in jedem Falle anknüpfen. Genauso wichtig ist mir die weitere Förderung bayerisch-tschechischer Wirtschaftskooperationen, beispielsweise im Bereich der Gründerszene.
Wie bewerten Sie die momentane Corona-Lage und deren Auswirkungen auf die niederbayerische Wirtschaft?
Die Corona-Pandemie ist grundsätzlich problematisch, die gesamte Weltwirtschaft leidet darunter. Und natürlich macht Corona – bedingt durch die Globalisierung – auch vor der niederbayerischen Wirtschaft nicht Halt. Dennoch denke ich, dass gerade die niederbayerische Wirtschaft auf einer starken Basis beruht, weshalb diese sich im Laufe der Zeit sicherlich wieder erholen wird – selbst wenn die aktuellen Wirtschaftsdaten eher alarmierend sind und viele Unternehmen sich um ihre Liquidität sorgen und von Kurzarbeit bis hin zum Abbau von Arbeitsplätzen oder Ähnlichem bedroht sind.
„Ich bewerte dies als problematisch“
Welche neuen Impulse wollen Sie im Rahmen des Niederbayern-Forums setzen? Welche neue Note wollen Sie hinterlassen? Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?
Das Regionalmarketing liegt mir sehr am Herzen. Dabei ist mir wichtig, die Marke Niederbayern sowohl nach innen – sprich: den eigenen Bürgern und Unternehmen der Region -, als auch nach außen beispielsweise gegenüber potenziellen Fachkräften, die neu hinzuziehen könnten, sehr positiv darzustellen. Es gibt bereits etablierte und sehr erfolgreiche Modelle wie etwa unsere Botschafter Niederbayerns. Da haben wir bislang Erwachsene ausgezeichnet – hier möchten wir künftig auch Persönlichkeiten jüngeren Alters berücksichtigen und planen die Initiative „U21-Botschafter für Niederbayern“.
Wie bewerten Sie die aktuellen Grenzschließungen vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Europa?
Ich bewerte dies als problematisch, doch die Coronakrise hatte die Grenzschließungen erforderlich gemacht. Besonders Unternehmen im Dreiländereck Deutschland-Tschechien-Österreich leiden darunter, vor allem aufgrund der Produktionspausen und der Arbeitskräfte, die nicht mehr ins jeweilige Land einreisen dürfen.
Welche konkreten Chancen und Potenziale hat Niederbayern Ihrer Meinung nach?
Niederbayern ist ein attraktiver Lebens- und Wirtschaftsraum. Wir haben wunderbare Landschaften, die zum Entspannen und Erholen einladen. Allerdings haben wir auch starke Unternehmen – gerade im Handwerk, in Industrie oder auch im Dienstleistungsbereich. Hier kann man wunderbar leben, hier kann man sich beruflich austoben und weiterentwickeln. Man hat hier zum Beispiel nicht das Problem hoher Mietpreise wie in den Ballungszentren. Ebensowenig hat man Probleme damit überhaupt eine Wohnung zu finden.
Gerade junge Leute und junge Familien sind sehr gut in Niederbayern aufgehoben, weil man sich hier beruflich total entfalten kann und nicht mehr in Zugzwang gerät aufgrund des eigenen Berufswunsches in ein Ballungsgebiet ziehen zu müssen. Hier kann man hervorragend sein Eigenheim errichten und seine Kinder aufwachsen lassen.
„Ich denke mein Alter ist ein Vorteil“
Sehen Sie Niederbayern eher auf einem aufsteigenden oder auf einem absteigenden Ast im Vergleich zu anderen Regierungsbezirken?
Niederbayern war die letzten Jahre über sehr bemüht aufzusteigen und sich als attraktiver Lebensraum und innovative Wirtschaftsregion weiterzuentwickeln, daher ist meiner Meinung nach großes Potenzial vorhanden. Insbesondere, wenn man sich den früheren Ruf der Region anschaut – vor 35 Jahren sprach man historisch bedingt vom Ende der Welt. Mittlerweile hat sich der Ruf sehr gewandelt, das heißt: Niederbayern wird heute als innovativ-kreative, aufstrebende und starke Region wahrgenommen. Darauf sollte man sich auch weiterhin konzentrieren.
Was wünschen Sie sich für Ihre erste Amtszeit als Geschäftsführerin des Niederbayern-Forums?
Ich wünsche mir, dass der Erfolg, den das Niederbayern-Forum mit seinen Initiativen in den vergangenen Jahren erzielen konnte, aufrecht erhalten werden kann und neue Impulse gesetzt werden können. Ich wünsche mir, dass ich weiterhin in einer sehr engen Partnerschaft mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft arbeiten und die Marke Niederbayern weiterentwickeln kann.
Abschließende Frage: Mit 27 sind Sie noch relativ jung – ihr Vorgänger, Bertram Vogel, ist mit über 50 fast doppelt so alt. Ist es Ihrer Meinung nach ein Vor- oder ein Nachteil, diese Aufgabe noch so jung an Jahren zu bewerkstelligen?
Für mich ist es eine große Ehre, dass ich diese Aufgabe ausführen darf. Ich denke mein Alter ist durchaus ein Vorteil, da ich noch sehr flexibel bin. Und Krisen übersteht man ja besonders dann, wenn man anpassungsfähig und lernfähig ist. Meine jetzige Ausgangssituation kann der langjährigen Erfahrung eines Geschäftsführers vielleicht nicht unbedingt komplett die Stirn bieten, aber ich bringe sehr gute Voraussetzungen mit, um diese Position mit Leben zu füllen.
Vielen Dank für Ihre Zeit und alles Gute für Ihre neue Aufgabe.
Interview: Stephan Hörhammer