Unzählige freie Lehrstellen, Fachkräftemangel: Handwerksbetriebe in der Region haben es definitiv nicht leicht. Im aktuellen Ausbildungsjahr gab es in Niederbayern laut Handwerkskammer einen Rückgang in Sachen Ausbildungsverträge um 10,6 Prozent. Ende August 2020 waren noch 724 Ausbildungsstellen in Niederbayern frei. „Wir haben im Laufe der letzten 15 Jahre einen massiven Schülerrückgang von etwa 79 Prozent zu verzeichnen. Mittlerweile haben wir uns auf niedrigem Niveau stabilisiert. Ein Aufwärtstrend ist momentan nicht zu erkennen“, sagt Lothar Graf, Abteilungsleiter „Ernährung“ an der Staatl. Berufsschule Passau.
Es stellen sich unweigerlich die Fragen: Wo ist es besonders schwierig? Wo sind Lichtblicke erkennbar? Das Onlinemagazin da Hog’n will in einer Serie über Sanitärfachleute, Schreiner, Maler und andere Berufszweige berichten, die täglich „Hand anlegen“. In Teil 2 besuchen wir eine mittelständische Haustechnik-Firma: Das Familienunternehmen Weigerstorfer.
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Freyung. „Wenn wir nur in Freyung-Grafenau angesiedelt wären, hätten wir ein großes Problem“, sagt Karin Weigerstorfer. Sie ist Geschäftsführerin des gleichnamigen Haustechnik-Unternehmens mit Hauptsitz in Freyung. Aber es gibt eben auch noch einen Firmensitz in München. Dort erwirtschaftet die Firma 95 Prozent ihres Umsatzes, sagt die Chefin. Und dort seien auch viele der Fachkräfte zu finden, an denen es hier in der Region mangelt…
„Wir werden nicht überrannt mit Bewerbungen“, bedauert Karin Weigerstorfer. Von den sieben bis acht Auszubildenden, die das Haustechnik-Unternehmen jedes Jahr einstellt, kommen höchstens drei aus dem Landkreis Freyung-Grafenau.
„Handwerk taugt mir einfach“
Berufe wie etwa der Versorgungsingenieur sind der Firmeninhaberin zufolge vielen Schulabgängern gar nicht bekannt. „Wenn der Vater oder Onkel in diesem Bereich arbeitet, hat man Chancen, auch den Sohn oder Neffen für diese Ausbildung zu begeistern“, sagt die 45-Jährige. Ansonsten wählten die junge Leute eher bekannte Lehrberufe wie beispielsweise Technischer Zeichner oder Bürokauffrau. „Wir bilden aber keine Technischen Zeichner aus, sondern Technische Systemplaner“, erklärt die Chefin weiter.
Bei Andreas Schuster waren es Freunde, die den Beruf des Anlagenmechanikers erlernten und ihn auf diese spezielle Ausbildung aufmerksam machten. „Ich habe dann einen Ferienjob hier im Betrieb gemacht“, erzählt der 16-Jährige. Dabei hat er festgestellt: „Handwerk taugt mir einfach.“ Seit September 2020 absolviert er nun eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker. Und er weiß auch schon, dass er sich auf den Bereich Heizung und Sanitär spezialisieren möchte.
Denn Haustechnik ist ein sehr weites Feld. Während der Lehrzeit wählt man einen Fachbereich aus: Man kann sich dabei auf Heizungsanlagen oder den Sanitärbereich festlegen. Lüftungs- und Klimatechnik gehören genauso zum Angebot der Bayerwald-Firma wie Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen oder auch der Tankstellenbau, ein ganz spezielles Aufgabengebiet.
Alles begann mit dem Bau von Tankstellen
Mit dem Tankstellenbau hat vor 49 Jahren alles angefangen. „Mein Großvater war Schlosser und hat Tankstellen-Dächer gebaut“, erzählt Karin Weigerstorfer. Nach und nach habe er auch alle anderen Arbeiten rund um den Tankstellenbau durchgeführt. Und dann kam die gesamte Haustechnik dazu.
Die Auftragslage sei in allen Unternehmensbereichen seit Jahren stabil, informiert die 45-Jährige. Es werde viel gebaut und – dank diverser Förderprogramme – auch viel saniert in Sachen Heizanlagen.
Mehr als 270 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen derzeit – darunter viele langjährige Angestellte aus dem Landkreis Freyung-Grafenau, aus München, aber auch aus dem benachbarten Tschechien und anderen osteuropäischen Ländern.
Nicht wenige Arbeiter pendeln während der Woche von Freyung aus nach München. So auch Azubi Andreas Schuster. „Drei Übernachtungen pro Woche in München sind für mich völlig okay“, sagt der angehende Anlagenmechaniker. Ein junges Team und abwechslungsreiche Arbeitsaufträge machen für ihn die Ausbildung interessant: „In der Industrie müsste ich immer das Gleiche machen“, ist er sich sicher. „Hier arbeite ich mal an sehr großen Anlagen, teils auch an kleineren.“ Zudem sei sein Verdienst als Lehrling recht angemessen.
„Job beinhaltet mehr als nur Waschbecken anschließen“
Hinzu kommt, dass sich die Technik in den Bereichen Heizung und Sanitär ständig ändert, das Thema Umweltschutz und Energie-Einsparung eine immer tragendere Rolle spielt – und jeder Handwerker somit stets auf dem neuesten Stand bleiben muss.
Das weiß auch die Chefin selbst: Karin Weigerstorfer ist gelernte Anlagenmechanikerin, hat nach der Ausbildung BWL studiert und ihren Meister im Bereich Heizung und Sanitär gemacht. Nun führt sie gemeinsam mit ihrem Vater Ernst den Betrieb. Ihr Großvater Walter habe sie oft mitgenommen auf die Baustellen, erzählt sie, und so das Interesse bei ihr geweckt, einmal in den Familienbetrieb einzusteigen.
Als sie in die Lehre ging, war sie die einzige Frau. Auch heute gebe es nur selten weibliche Azubis im Betrieb, berichtet die Junior-Chefin. „Aktuell haben wir eine Auszubildende. Der Beruf des Anlagenmechanikers wird oft mit schwerer körperlicher Arbeit assoziiert“, erklärt die Freyungerin und ergänzt: „Obwohl das bei einem Großteil der Arbeit nicht mehr so ist. Der Job beinhaltet viel mehr als nur Waschbecken anschließen.“ Ihre Mitarbeiter seien auch längst nicht mehr nur in Einfamilienhäusern im Einsatz: „Einen viel größeren Anteil unserer Aufträge machen große Wohnanlagen, Produktionsgebäude mit großen Heizanlagen oder auch Industrieanlagen aus.“
„Stillstand hatte ich hier nie“
Wer die Ausbildung zum Anlagenmechaniker abgeschlossen hat, könne noch die zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik hinten dranhängen – vom Unternehmen finanziert. „Bei uns gibt es viele Möglichkeiten sich weiterzuentwickeln“, macht Karin Weigerstorfer Werbung. Wer in dem Familienbetrieb eine Ausbildung absolviere, könne zudem davon ausgehen, dass er nach dem Abschluss übernommen wird: „Wir zielen immer auf langfristige Beschäftigungsverhältnisse ab.“
So wie bei Michael Weigerstorfer. Der 47-Jährige – übrigens nicht verwandt mit seinen Arbeitgebern – arbeitet seit 32 Jahren in der Firma. „Stillstand hatte ich hier nie“, sagt er und lacht.
1989 begann er seine Ausbildung im Bereich „Zentralheizungs- und Lüftungsbau“. Nach der Lehre war er beim Tankstellenbau beschäftigt, erzählt er. Das Interessante dabei sei, dass man hier sämtliche handwerkliche Tätigkeiten ausführt: „Ich habe eine Elektro-Zusatzausbildung und eine Schweißausbildung“, führt er beispielhaft an. Das alles benötige man, da das Unternehmen die gesamte Technik einer Tankstelle installiert.
Schuften bis zur Rente? Nicht unbedingt!
Seit einem Jahr ist Michael Weigerstorfer nun Teamleiter im Bereich Kundendienst. „Ich habe einen Veränderungsschritt gewagt“, sagt er. Denn seitdem arbeitet er viel mehr im Büro. „Ich bin eigentlich leidenschaftlicher Handwerker. Aber man wird ja auch nicht jünger“, stellt er fest. Und deshalb habe er die Chance genutzt, in eine Position mit Personalverantwortung zu wechseln – weg von der täglichen Baustellentätigkeit. „Heißt aber nicht, dass ich jetzt nur noch am Computer sitze“, betont er. „Ich bin immer noch gerne und viel auf den Baustellen unterwegs.“
Sabine Simon