Neureichenau. Einen persönlichen Auftritt hat sie im Video, in dem mehr als 40 Tätowierer und Tätowiererinnen aus Bayern auf ihre momentane Situation aufmerksam machen, zwar nicht. Doch sie hat eigenen Angaben zufolge von der Idee bis zur Umsetzung daran mitgewirkt: Diana Auerbach vom Altreichenauer Tattoo-Studio „Morpheus“, über deren prekäre Arbeits- und Finanzlage während des Corona-Lockdowns da Hog’n Anfang März berichtet hatte.
Das Video sei noch vor zwei Wochen lediglich eine fixe Idee weniger bayerischer Tätowierer und Tätowiererinnen gewesen. Nun kann es der Öffentlichkeit präsentiert werden. „Über hundert von ihnen haben sich in einer Facebook-Gruppe zusammengefunden und nach einer großen Zoom-Konferenz beschlossen, ein gemeinsames Video zu produzieren“, teilt Diana Auerbach mit.
„Es klang wie Hohn in den Ohren“
Darin machen die Tätowierer auf ihre derzeitige Lage aufmerksam und wehren sich gegen die Ungleichbehandlung. Bayern lässt nämlich als einziges Bundesland die Tattoo-Studios bislang geschlossen und ohne jede Öffnungsperspektive – entgegen den Beschlüssen der Bund-Länder-Konferenz im März dieses Jahres, wie auch die Altreichenauerin betont.
Dabei wurde entschieden, gewisse körpernahe Dienstleistungen im Bundesgebiet wieder zuzulassen. 15 von 16 Bundesländern setzten dies um, Bayern als einziges jedoch nicht. „Wie Hohn klang es in den Ohren der Tätowierer, als Bayerns Ministerpräsident Söder wenige Wochen später forderte, es müsse in Deutschland einheitliche Regeln geben„, heißt es in einer entsprechenden Pressemitteilung der bayerischen Tätowierer.
Nun haben sich die Tätowierer zu Wort gemeldet – und ernten große Resonanz. Das am vergangenen Sonntagabend auf mehreren Facebook-Seiten veröffentlichte Video wurde alleine auf der Facebook-Seite des Tattoostudios „Tempel München“ bereits über 2.000 mal geteilt.
Statement der bayerischen TätowiererInnen
Diejenigen Worte, die von den TätowiererInnen im Video gesprochen worden sind, gibt es hier nochmals wortwörtlich zum Nachlesen:
„Deutschland verschärft wieder einmal die Lockdown-Regeln. Ganz Deutschland ächzt und stöhnt unter der Last von Corona. Und jetzt kommen auch noch wir Tätowierer mit einem Video. Wir möchten ganz kurz erklären warum. Genauer gesagt, geht es vor allem um Tätowierer aus Bayern. Warum? Für uns hat sich nämlich erst einmal gar nichts geändert.
Wir Tätowierer in Bayern befinden uns nämlich seit 1.November im Lockdown. Als einziges Bundesland übrigens durchgängig. In allen anderen Bundesländern darf bzw. durfte inzwischen gearbeitet, also tätowiert und gepierct werden. Anfang März beschloss die Bund-Länder-Konferenz, die restlichen – also alle – körpernahen Dienstleistungen in Deutschland zu öffnen. 15 von 16 Bundesländern setzten dies konsequent um. Bayern als einziges Bundesland lies uns Tätowierer geschlossen.
Die Folgen davon. Einige Tätowierer aus Bayern gingen zum arbeiten in Studios in angrenzende Bundesländer oder ins Ausland. Und ihre Kunden reisten ihnen hinterher. In unseren Nachbarländern wird nämlich fast durchgängig tätowiert, zum Teil mit Testpflicht. Das reisen zum Arbeiten ist in Pandemiezeiten völlig legal, aber schwachsinnig. Für die meisten von uns war das sowieso keine Option bzw. nicht praktikabel. Schlimmer noch: Auch die Schwarzarbeit in den Wohnzimmern boomt. Die Sozialen Netzwerke sind voll mit unzähligen Beispielen.
„Nicht eine einzige Infektion“
Wie da wohl die Hygiene und Kontaktnachverfolgung ist? Die Ehrlichen, aber auch die, die nicht einfach reisen können, sind in so einem Fall die Dummen. Uns und unsere Kunden vor übertragbaren Krankheiten zu schützen, ist schon immer ein wichtiger Bestandteil unserer täglichen Arbeit. Deshalb gehören Dinge wie Desinfektion, das Tragen von Masken und Handschuhen sowie die Kontaktnachverfolgung nicht erst seit Corona zu unserem Hygienestandard. Auch darum – und das ist eigentlich der entscheidende Punkt – gab und gibt es bis dato keine nachgewiesene Corona-Infektion durch den Besuch eines Tattoo-Studios. Nicht eine einzige.
Im Vergleich zu vielen anderen Branchen, die öffnen durften, haben wir eine weitaus geringere Kontaktdichte – die meisten von uns arbeiten mit einem oder zwei Kunden am Tag. Zudem ist sicher: Wer sich schlecht fühlt, geht nicht zum Tätowierer. Wer wenige Tage nach dem Tattoostudio-Besuch eine Corona-Infektion hat, kann sich vielleicht nicht mehr daran erinnern, wo er beim Einkaufen war. Den Besuch beim Tätowierer hat er sicher nicht vergessen.
Ministerpräsident Söder hat einheitliche Regelungen in Deutschland zur Bekämpfung der Corona-Pandemie gefordert. Diese kommen jetzt. Aber auch nur bis zu einem gewissen Teil. Bei einer Inzidenz von über 100 greift das Bundesgesetz. Bei einer Inzidenz von unter 100 sind dann wieder die Länder zuständig. Da schaut es für uns in Bayern schlecht aus. Wie bereits gesagt, wurde Anfang März zwar ein einheitlicher Beschluss in der Bund-Länder-Konferenz gefasst. Bayern setzte diesen jedoch als einziges Bundesland im Bezug auf Tätowierer nicht um. Warum, das wissen wir nicht. Es stimmt uns aber nicht zuversichtlich und hoffnungsfroh, wenn wir an die Zukunft denken.
„Warum ist das so?“
Selbst der Verwaltungsgerichtshof in Bayern erkannte, dass hier möglicherweise eine Ungleichbehandlung vorliegt. Nur wegen der derzeitigen Pandemie hat er die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung nicht umgehend aufgehoben. Das sollte jedoch für unsere Regierung ein deutlicher Hinweis sein, hier für die Zukunft nachzubessern.
Schon aus Eigenschutz haben wir – vorerst – kein Problem damit, nur diejenigen Kunden, die einen aktuellen, negativen Corona-Test vorweisen können, zu tätowieren. Viele von uns fordern das, was jetzt für die Frisöre umgesetzt wird, für die Branche der körpernahen Dienstleistungen schon seit Monaten. Warum das für uns aber nicht in Betracht gezogen wird, warum in Fabriken, Büros und Produktionen, die auch nicht lebensnotwendig sind, der Betrieb von Anfang an normal weiter läuft, verstehen wir nicht.
Wenn die Zahlen wieder unter 100 sind, darf in jedem Bundesland wieder tätowiert werden. In einem nicht, nämlich unserem. Auch das verstehen wir nicht. Genauer gesagt versteht es eigentlich niemand mehr. Wir haben in Bayern inzwischen Städte mit Inzidenzen von bis zu über 500. Dort gilt zwar eine Ausgangssperre ab 20.30 Uhr, aber Fabriken bleiben geöffnet. Stand heute sind unter diesen Bedingungen in Bayern die körpernahen Dienstleistungen immer noch geöffnet. Außer Tätowierer natürlich. Für uns gab es nicht einmal eine Perspektive, als die Inzidenz unter 100 war. Auch nicht mit Test. Warum ist das so?
„Vergesst uns bitte nicht noch einmal“
Deutschland plant einheitliche Regeln. Wäre es da nicht auch an der Zeit, uns in Bayern mit den Kollegen der anderen Bundesländer gleichzustellen? Wir wollen keine Sonderbehandlung. Auch wenn so mancher uns und unseren Beruf als ungewöhnlich beurteilen mag. Wir führen ihn mit bestem Gewissen und Verantwortung aus und zahlen Steuern – so wie jeder andere Mensch es auch machen sollte. Wir wollen einfach so behandelt werden wie alle anderen Menschen auch. Sowohl in vergleichbaren Gewerben, als auch in unserem Gewerbe im Rest der Republik.
Deswegen unsere bitte, auch in diesen harten Zeiten: Vergesst uns bitte bei den nächsten Lockerungen in Bayern nicht noch einmal. Behandelt uns in Bayern bitte so, wie auch im Rest der Republik. Das wäre einfach nur fair und außerdem an der Zeit. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.“
da Hog’n