Breitenberg/Freyung. Sowohl für den Großteil der Bevölkerung als auch für viele regionale Politiker sind Inge Schuh vom Breitenberger Modegeschäft „IS.fashion“ und Norbert Kremsreiter vom Freyunger Pendant „Trendline“ die moralischen Sieger. Sie hatten, wie berichtet, kurzerhand ihr bestehendes Sortiment um Lebensmittel, Drogerieartikel und insbesondere Klopapier erweitert, um eine Wiedereröffnung ihrer Geschäfte im Sinne der Infektionsschutzverordnung (§12) zu forcieren: Mindestens 51 Prozent der Produkt-Palette waren somit aus Sicht der Inhaber als systemrelevant einzustufen. Ein Vorgehen, das das Landratsamt Freyung-Grafenau nun, nach gut drei Wochen der Öffnung, als nicht legitim erachtet, wie es per Pressemeldung mitteilt.
„Eine Schließungsanordnung hat das Landratsamt Freyung-Grafenau dem Betreiber des Ladengeschäftes Trendline zugestellt. Er wird darin aufgefordert, sein Geschäft für den generellen Kundenverkehr zu schließen. Er darf aber, wie andere Geschäftsinhaber auch, weiterhin die Abholung vorbestellter Waren im Ladengeschäft, sogenanntes „Click&Collect“, sowie die Öffnung des Ladengeschäftes für einzelne Kunden nach vorheriger Terminbuchung für einen fest begrenzten Zeitraum nach Vorlage eines negativen Corona-Tests, so genanntes „Click&Meet“, anbieten. Sollte der Betreiber weiterhin sein Geschäft generell für den Kundenverkehr öffnen, droht ihm ein Zwangsgeld“, heißt es in der Pressemitteilung aus dem Freyunger Landratsamt.
Sortimentsumstellung „hinter den Kulissen“
Und weiter: „Der Betreiber des Trendline hatte bereits Ende März eine Öffnung des Modehauses Trendline für den generellen Kundenverkehr vollzogen. Er hatte sich dazu durch eine Änderung/Ergänzung des Sortiments – den Handel mit Drogerieartikeln, Haushaltswaren und Lebensmitteln – berechtigt gesehen. Nach der Sortimentserweiterung und einer zuvor erfolgten Gewerbe-Ummeldung hatte der Betreiber sein Geschäft als einen sogenannten Mischbetrieb eingeschätzt und daraus für sich eine entsprechende Erlaubnis zur Öffnung abgeleitet.“
Eine Auffassung, die das Landratsamt Freyung-Grafenau allerdings nicht teilt. „Zulässig wäre eine solche Öffnung – aus Sicht des Landratsamtes – nur nach einer dauerhaften Sortimentsumstellung.“ Eine solche gibt es nach Einschätzung des Landratsamtes in diesem Fall nicht. Äußerungen des Betreibers – etwa in der regionalen Presseberichterstattung – sprächen dem entgegen. Im Landratsamt sehe man das Trendline unter anderem deshalb weiterhin als Mode- bzw. Bekleidungsgeschäft. „Und dessen generelle Öffnung ist bei einer 7-Tage-Inzidenz zwischen 100 und 200 laut der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung untersagt“, stellt die Behörde klar. Auch der Verkauf von Waren, die über das übliche Sortiment des jeweiligen Geschäftes hinausgehen, um die Verordnung zu umgehen, sei explizit untersagt.
Wenn sich das Geschäft nun weiterhin als Mode-/Bekleidungsgeschäft darstelle und mit diesem Angebot für sich werbe, sei dies ein erheblicher Anhaltspunkt dafür, dass die Sortimentsumstellung „hinter den Kulissen“ lediglich zu Umgehungszwecken der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung dient, so das Landratsamt. Zusätzlich betrachtet die Behörde den vom Betreiber errechneten Anteil von mehr als 50 Prozent der Gesamtfläche, auf der das unter Corona-Bestimmungen erlaubte Sortiment verkauft werde, als nicht gegeben an.
„Aber wir geben nicht auf!“
„Nachdem seit Montag die gesamte Verkaufsfläche unter den Bedingungen des Click&Meet wieder geöffnet ist, gilt es die gesamte, deutlich größere Verkaufsfläche des Betriebes in Betracht zu ziehen. Für die seit Ende März aus Sicht des Landratsamtes unrechtmäßig erfolgte Öffnung des Ladengeschäftes läuft darüber hinaus ein Bußgeldverfahren, das aber noch nicht abgeschlossen ist.“ Da der Betreiber des „Trendline“ seinen „Klopapier & Fashionstore“ auch unter den derzeit geltenden gesetzlichen Regelungen – aus Sicht des Landratsamtes unrechtmäßigerweise – generell geöffnet hält, habe man sich nun dazu gezwungen gesehen, die Schließungsanordnung auszusprechen.
Die Reaktion von Trendline-Geschäftsführer Norbert Kremsreiter, der die Schließungsanordnung eigenen Angaben zufolge nun juristisch prüfen lassen will, via Facebook:
„Wir sind fassungslos – wo bleibt die Gerechtigkeit? Trotz intensiver Bemühungen, massiver Sortimentsumstellung und Neuausrichtung, damit wir wenigstens mit einem kleinen Teil unseres Geschäfts weitermachen können, dürfen wir Klopapier&Fashion nicht weiterführen. Warum? Fehlt uns die Lobby? Weil wir nicht Aldi & Co heißen? Aber wir geben nicht auf! Ihr dürft weiterhin zu uns kommen – mit einem negativen Coronatest stehen Euch jetzt 950m² aktuelle Frühlingsware zur Verfügung. Vielleicht ein kleiner Wehrmutstropfen. Bitte haltet uns die Treue – wir brauchen Euch mehr als je zuvor!
Landtagsabgeordnter Toni Schuberl (Bündnis 90/Die Grünen) stellte dazu eine Anfrage an die bayerische Staatsregierung. Sein Kommentar:
„Meiner Meinung nach kann es nicht sein, dass sich die bayerische Staatsregierung seit Wochen einem echten Lockdown verweigert, obwohl sie diesen jederzeit in Bayern beschließen könnte, deshalb die Zahlen nicht nach unten gehen, die Geschäfte in notwendige und unverzichtbare unterteilt und dann den vor dem Bankrott stehenden Unternehmern verbietet, ihr Sortiment zu erweitern. Da braucht es endlich mehr Nachvollziehbarkeit und Konsistenz in den Regeln.“
da Hog’n
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