„Des deafans fei iatz net schreim.“ Ein Satz, der einem im Lokaljournalismus immer wieder mal begegnet. In Interview-Situationen, gerne in Anwesenheit von Bürgermeistern oder sonstigen Politikern aus dem regionalen Umfeld. Aber freilich auch im normalen Recherche-Alltag ohne politischen Hintergrund. Ein Satz, der beim Rezipienten schon mal die (meist unausgesprochene) Frage aufwirft: „Ja, warum äußern Sie’s denn dann überhaupt, wenn Sie eh nicht möchten, dass das Gesagte irgendwo erscheint?“ Der manchmal aber auch zu einem gewissen journalistischen Mehrwert führt, der im Alltagsgeschäft entscheidend sein kann. Wie so oft: Eine Frage der Perspektive.
Es gibt nicht wenige Journalisten, die aus persönlichen Gründen allergisch auf diesen Satz reagieren. Die sich dadurch bevormundet fühlen – wie der Bäcker, dem an der Theke mitgeteilt wird: „S’nächste Moi deafans de Brezn fei ruhig mit weniger Soiz mocha.“ Oder der Metzger, dem man in gleicher Situation wissen lässt: „De Weisswiaschd deafans fei gern a bissl besser würz’n.“ So mancher fühlt sich bei dieser Aussage bei der Ehre gepackt. Denkt sich: „Das musst Du schon mir überlassen, wie ich meinem Job zu tun oder zu lassen habe.“ Es gibt Journalisten, die diesen Satz als respektlos gegenüber ihrer Arbeit empfinden. Die sich dadurch zum Handlanger, zum Lakeien desjenigen degradiert fühlen, der sich – manchmal wie selbstverständlich – zu dieser Aussage hinreißen lässt.
Warum fallen diese Worte auf Seiten des Interviewten überhaupt?
Es gibt aber auch Schreiberlinge, die bei diesem Ausspruch reflexartig ihren Stift aus der Hand legen – und dafür die Ohren umso mehr spitzen. Die sich schön „artig“ und ganz im Sinne des Sprechers verhalten – weil sie’s immer schon so gemacht haben, wenn dieser Satz gefallen ist und weil sie wissen: Jetzt wird’s interessant, jetzt gibt’s exklusive Infos! Viele reden dabei von der „Vertrauensbasis“, die sich über die Jahre der Zusammenarbeit hinweg zwischen den beiden Interviewpartnern aufgebaut hat. Motto: „Diese Informationen gibt es jetzt unter der Hand und nicht offiziell – was Sie daraus machen, sei Ihnen überlassen.“ So mancher Journalist beginnt hierbei erst recht nachzubohren, versucht so viele hintergründige Auskünfte wie möglich herauszukriegen – für diese oder die nächste Geschichte.
„Des deafans fei iatz net schreim“ – warum fallen diese Worte auf Seiten des Interviewten überhaupt? Aus Kontrollgründen, weil er dirigierend und leitend, wie es etwa ein Bürgermeister von seinem Alltag her gewohnt ist, ins Geschehen eingreifen und nicht die Zügel hinsichtlich dessen aus der Hand geben möchte, was am Ende über ihn in der Öffentlichkeit geschrieben steht? Weil er diese Worte ganz bewusst benutzt, um dem Gegenüber ein Gefühl der „Vertrautheit“ zu vermitteln, das den Rezipienten letzten Endes wiederum in eine bestimmte Richtung lenken soll? Oder schlichtweg nur aus Sorge ums eigene Image? Kontrolle, Macht und Einfluss sowie die Verlustängste um dieselbigen spielen hierbei gewiss keine geringe Rolle…
Von Bedeutung bei dieser Diskussion ist auch die Frage nach dem Selbstverständnis von Journalismus – sowohl auf der Seite des Interviewten als auch auf der Seite des Interviewenden. Ein Bürgermeister etwa, der diesen Satz allein mit der Absicht ausspricht, um zu verhindern, dass diese oder jene Information öffentlich gemacht und ein bestimmtes Bild gewahrt wird, hat meist wenig Schimmer vom Begriff des unabhängigem Journalismus, der allein der Wahrheitsfindung verpflichtet ist. Journalisten, die dieses Spielchen mitmachen, fungieren dabei oft selbst als PR-Abteilung des Rathauschefs. Ein Spielchen, das sich insbesondere in recht eingeschliffenen Redaktionen seit vielen Jahr(zehnt)en zur „guten Tradition“ entwickelt hat (Motto: „Des ham mia owei scha so g’mocht!“) – und in deren Folge gar „freunderlwirtschaftliche“ Bande geknüpft worden sind…
„Und warum deafad i iatz des net schreim?“
Was also tun, wenn’s wieder mal heißt „Des deafans fei iatz net schreim“? Einfach weghören und so tun, als ob man’s nicht vernommen hat? Darauf eingehen und weiterbohren? Oder einfach nachfragen: „Und warum deafad i iatz des net schreim?“ Die Reaktion darauf bleibt jedem selbst überlassen, ist oft auch eine situative Abwägungssache. Sie kann jedoch am Ende zwischen wertigem und weniger wertigem, zwischen abhängigem und weniger abhängigem Journalismus entscheiden. Der Grat ist oftmals schmal. Sich immer wieder einmal zu hinterfragen, was dieser Satz für Auswirkungen hat, kann gewiss nicht schaden…
Gedanken von: Stephan Hörhammer