Der Journalist – leistet er einen wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaf? Oder müllt er die Leute eh nur mit unnützem Wissen zu und nervt mit lästigen Fragen? Fest steht: Mit dem Bild des Journalisten ist es nicht weit her. Wer heutzutage noch den Beruf des Reporters und Berichterstatters ergreifen will, muss eine gehörige Portion Idealismus mitbringen. Die Jobs sind rar, das Gehalt meist mickrig – und schimpfen tut sowieso jeder auf den sensationsgeilen „Schmierfinken“, wenn die Berichterstattung einmal nicht wie gewünscht ausfällt, sondern eben etwas kritischer (…) Doch woher kommt eigentlich dieses miese Image – und stimmt es überhaupt? Lässt es sich auch ohne Journalisten ganz gut leben? Da scheiden sich die Geister unserer Hog’n-Leser Reserl und Sepp …
Reserl: Sepp, ich hab so einen Hals, ich kann’s Dir gar nicht sagen. Gestern war ich in Passau bei meinem Freund, dem Hans, den hat’s beim Hochwasser ganz schön übel erwischt. Der ist heute noch fix und fertig mit den Nerven. Und schuld daran sind auch diese Reporter – noch bevor die Feuerwehr und Helfer da waren, hat schon einer von den Schmierfinken vorbeigeschaut, geknipst wie ein Irrer und dem Hans saudumme Fragen gestellt. Helfen hätt’ der sollen, sonst nix!
Hochwasser: ohne schnelle Informationen keine schnelle Hilfe
Sepp: Ich verstehe ja, dass Du Dich darüber ärgerst. Ist eine schlimme Sache gewesen mit dem Hochwasser. Aber gerade deshalb braucht’s die Journalisten. Wie sonst hätten die Leute von der Katastrophe erfahren sollen? Ohne die schnellen Informationen hätte es auch keine so schnelle Hilfe aus der Bevölkerung gegeben.
Reserl: Ja, ja. Ist schon recht. Aber braucht’ s das, dass diese Schreiberlinge dann ausgerechnet den Hans ausfragen, der in seinem vollgelaufenen Haus hockt und g’wiss andere Sorgen hat, als mit den Siebengescheiten zu reden?
Sepp: Freilich braucht’s das. Der Mensch ist leider so: Er braucht konkrete Gesichter, um Emotionen zu entwickeln. Ohne Emotionen keine Solidarität. Und ohne Solidarität keine Hilfe. Und das wissen gute Journalisten, das gehört zu ihrem Handwerk.
Reserl: A geh! Eine verdammte Schaufel hätt’ er in die Hand nehmen sollen, wenn er schon unbedingt handwerklich unterwegs sein wollte!
Sepp: Mei Reserl, es haben doch mehrere tausend Leute Schaufeln in die Hand genommen – und dank den Aufrufen der Medien Geld, Möbel und Kleidung gespendet – und ganz nebenbei noch ein großartiges, schon lange nicht mehr dagewesenes Zusammengehörigkeitsgefühl geschaffen.
„Der Journalist will aufdecken – und wird deswegen gefürchtet“
Reserl: Dank der Medien?!? Dass ich nicht lache. Das machen die doch nur aus reinem Eigennutz. Damit sie gut dastehen, als die famosen Weltretter! Weil sie ihr schlechtes Image verbessern müssen. Dringend nötig haben sie das! Brauchst Dich grad mal am Sonntagabend vor den Tatort setzen. Wer nervt am meisten, schleicht störend und dick bebrillt herum und ist nur auf eins aus, nämlich auf die nächste fette Schlagzeile? Der Journalist. Die Karla Kolumna vom Benjamin Blümchen, die habe ich schon als Kind gehasst …
Sepp: Des stimmt scho. Das Image des Journalisten ist tatsächlich nicht das beste und wird von Film und Fernsehen – und meinetwegen auch von Benjamin Blümchen – nicht gerade verbessert. Doch warum ist das so? Weil sie stören, weil sie unangenehm sind, weil sie Missstände und illegale Machenschaften aufdecken wollen – eigentlich genau so wie der Kriminalkommissar. Nur macht der eben nichts öffentlich. Und das tut der Journalist schon, am nächsten Tag steht’s in der Zeitung oder im Internet. Deshalb wird er gefürchtet. Und das berechtigterweise.
Reserl: Gefürchtet?!? Die Zeitungsfuzzis nerven einfach nur! Schlag die Zeitung doch mal auf oder geh ins Internet! Was ist da drin? Lauter negativer Mist, der mich überhaupt nicht betrifft und nur meine schlechte Laune noch weiter runterzieht. Muss das sein?
Sepp: Na klar. Oder willst Du vielleicht lieber blind durch die Welt laufen? Meinst Du, Dich betreffen gewisse Themen nicht, nur weil Du nichts davon weißt? Und glaubst Du ernsthaft, Dich betreffen gewisse Themen erst recht nicht, wenn Du davon weißt? Moralisch betrachtet hast Du als Bürgerin eine gewisse Pflicht Dich zu informiren – und nicht wegzuschauen! Es ist einfach nur ignorant, unwissend durch die Friede-Freude-Eierkuchen-Welt zu spazieren und den Herrgott einen guten Mann sein zu lassen.
Reserl: Willst Du mir jetzt ernsthaft mit Moral kommen? Unmoralisch ist ja wohl nur, was tagtäglich berichtet wird: Mord, Totschlag und Betrügereien … Und der Reporter bohrt auch noch darin herum.
„Ohne kritischen Journalismus würdest Du vieles nicht wissen“
Sepp: So ist die Gesellschaft, in der wir leben, nun mal. Und ohne ernsthaften, kritischen Journalismus würdest Du das gar nicht wissen. Leuchtet Dir nicht ein, dass der Journalismus ein wichtiges Kontrollorgan ist? Nicht umsonst werden die Medien (neben Judikative, Legislative und Exekutive) als Vierte publikative Gewalt, bezeichnet.
Sonst würden Wirtschaft und Politik noch mehr Schmarrn treiben, als sie es ohnehin schon tun. Als informierter Leser hast Du mehr Handlungsfähigkeit, kannst zum Beispiel bestimmte Produkte boykottieren oder bei der nächsten Wahl dein Kreuzerl an einer anderen Stelle machen …
Reserl: Und Du meinst, das ändert irgendetwas? Wirtschaft und Politik haben doch auch ohne mich die gleiche Macht – und damit auch ohne den Journalismus. Da ist doch sowieso der Wurm drin. Bist Du wirklich so naiv? Wohl noch nie etwas von Lobbyismus gehört, hm?
Sepp: Geh fei, Reserl, auf der Brennsupp’n bin i net dahergschwumma. Freilich gibt’s überall Lobbyisten. Und darum muss Journalismus auch immer kritisch betrachtet werden. Aber um kritikfähig zu werden, muss man sich mit der Materie befassen und sich auskennen in der Medienwelt. Den Unterschied zwischen Schmierbladl und seriöser Tageszeitung kennst schon, oder?
Reserl: Hab ich da etwa BILD gehört? Hör mir doch damit auf! Titten und Blut, mehr sag ich nicht, wobei die Titten wenigstens noch schön anzuschauen sind … Nur: Eine ordentliche Zeitung ist zwar gut und schön, aber wer hat schon Zeit, sich durch solche Bleiwüsten zu ackern?
„Gesellschaft will nur noch unterhalten werden, sie verdummt!“
Sepp: Jeder, der sich eine echte Meinung bilden möchte. Aber da unsere Facebook-geschädigte Generation nur mehr noch irgendwelche hirnverbrannte Schwachsinnsbilder á la „Heute scheint die Sonne, deswegen bin ich so fröhlich“ teilt – und, so kommt es mir jedenfalls vor, am laufenden Band lustige Videos bejubelt, gehen die wirklich wichtigen Infos verloren. Unsere Gesellschaft verdummt regelrecht …
Reserl: So ein Krampf! Unsere Gesellschaft verdummt nicht. Sie will halt unterhalten werden! Was ist denn so schlimm daran, dass man Informationen und Nachrichten etwas aufpeppt? Nimm zum Beispiel die ZDF-Doku „Auf der Flucht – das Experiment“. Da regen sich jetzt alle darüber auf, dass es geschmacklos sei, wenn man mit irgendwelchen B- und C-Promis die Fluchtwege von Flüchtlingen nachzeichnet, weil diese eine wirkliche Flucht in keinster Weise nachempfinden könnten. Aber nur so sehen sich das auch viele Leute an. Wenn das nur trocken aufbereitet und mit ein paar Zahlen in der Tagesschau gebracht wird, interessiert’s doch keinen!
Sepp: Was heißt hier „trocken aufbereitet“? Da geht es um das Leid von Menschen! Das kann es doch nicht sein, dass man aus deren Unglück auch noch eine Plattform für gescheiterte Sternchen macht! Wie sollen Journalisten in diesem Land denn vernünftig arbeiten können, wenn jeder von ihnen verlangt, dass der Unterhaltungs- und nicht der Nachrichtenwert im Vordergrund steht? Ach ja: zahlen will auch keiner so recht dafür. Der Journalist soll gefälligst objektiv, unabhängig und umsonst arbeiten … und anschließend soll er bitte möglichst gelassen mit der Kritik umgehen, die ihm entgegenweht.
Aber mir scheint, als würdest Du mir sowieso schon nicht mehr zuhören … Fällt Dir etwa nichts mehr ein?
Reserl: Hä? Wos host g’sogt?
Sepp: Spinnst Du? Ich red mit Dir! Und Du schmierst schon wieder auf Deinem Smartphone herum.
Reserl: Ja, weil ich grad aufm Hog’n bin. Oh mei, hast es schon gehört? In Herzogsreut ist schon wieder eingebrochen worden …
Und was denkt Ihr? Übernehmen Journalisten eine wichtige Aufgabe in unserer Gesellschaft oder sind sie nur überflüssige, von Sensationsgier getriebene „Schmierfinken“? Schreibt uns Eure Meinung zum Thema, am besten gleich als Kommentar unter diesem Artikel.