Hohenau. Vom Bademeister zum Bürgermeister – es gibt wahrlich weichere berufliche Übergange. Und dennoch ist Josef Gais davon überzeugt, in seinem alten Beruf das nötige Rüstzeug für seine neue Aufgabe bekommen zu haben. Der 48-Jährige wurde im März dieses Jahres zum Bürgermeister der Gemeinde Hohenau gewählt – und ist somit Nachfolger von Polit-Urgestein Edi Schmid. Auf überaus redselige Art und Weise spricht der gelernte Schreiner und Fachangestellte für Bäderbetriebe, der einige Jahre auch als Brückenbauer tätig war, über seinen Drang nach neuen Herausforderungen, seine politische Karriere und gemeinde-spezifische Sachthemen.

Nachdem er vorher bereits Stellvertreter war, wurde Josef Gais im März dieses Jahres zum Bürgermeister der Gemeinde Hohenau gewählt. Der 48-Jährige ist somit Nachfolger von Eduard Schmid.
Herr Gais: Haben Sie sich in neuer Funktion bereits freigeschwommen?
(mit Nachdruck) Ja.
Das klingt überzeugt. Wie lange hat dieser Prozess gedauert – und: War er schwierig zu meistern?
Eigentlich nicht allzu lange. Der Grund dafür: Ich bin bereits seit 18 Jahren im Gemeinderat tätig, war zuvor dritter und zweiter Bürgermeister. In diesen Funktionen habe ich einen hervorragenden Einblick bekommen und meinen Vorgänger Edi Schmid auch mehrmals vertreten. Alles in allem war ich gut darauf vorbereitet, selber als erster Bürgermeister aktiv zu werden. Es klingt paradox, aber: Die Coronakrise ist mir dabei etwas entgegen gekommen. In dieser entschleunigten Phase – es fielen beispielsweise alle Außentermine weg – hatte ich genügend Zeit, mich einzulesen und einzuarbeiten.
Ihr Graineter Kollege Jürgen Schano, auch ein Neuling auf dem Rathaus-Stuhl, hat eine ähnliche politische Vorgeschichte wie Sie. Er hatte uns gegenüber jedoch betont, dass die Verantwortung als erster Bürgermeister deutlich größer sei.
Da hat er recht. Als Stellvertreter kennt man nicht die Details aller Vorgänge. Vor allem die Taktung des Bauhofes musste ich mir genauer anschauen. Und ja: Auch die Verantwortung ist deutlich größer. Das stört mich aber nicht weiter, sondern treibt mich an.
Die Blocknummerierung als Startpunkt der Politik-Karriere
Gehen wir etwas weiter zurück. Wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass Sie sich für Politik interessieren?
Es begann nach meiner Umschulung zum Bademeister und meiner Anstellung beim Zweckverband Sport&Erholung der Stadt Grafenau und des Landkreises. Es war gang und gäbe, dass ich mit dem jeweiligen Bürgermeister und Landrat zu tun hatte. Auch zum Geschäftsleiter und zum Stadt- bzw. Kreistag hatte ich regelmäßig Kontakt. Ich musste mich also mit politischen Vorgängen auseinandersetzen. In der Folge habe ich mich immer mehr für diese Materie interessiert. (überlegt) Und es gibt durchaus Ähnlichkeiten: Sowohl als Politiker wie als Bademeister ist man stets derjenige, der die Badegäste bzw. Bürger etwas lenken muss – in beiden Berufen gleicht darüber hinaus kein Tag dem anderen.
Wie ging es dann weiter?
Mit 25 Jahren bin ich der JU beigetreten und später dann der CSU. Freie Wähler hat es zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gegeben – und mich haben die Inhalte der CSU eher angesprochen als die der SPD. Bei den Christsozialen habe ich mich von Beginn an wohlgefühlt- und das hat sich bis heute nicht geändert. 2002 habe ich mich dann das erste Mal auf eine Gemeinderatsliste setzen lassen – und habe den Einzug ins Gremium auf Anhieb geschafft. 2008 und 2014 konnte ich meine Ergebnisse weiter ausbauen. (überlegt) ich erinnere mich noch genau an mein erstes, großes kommunalpolitisches Thema…

Erst Schreiner und Brückenbauer, dann Bademeister, nun Bürgermeister: Josef Gais liebt die beruflichen Herausforderungen.
Erzählen Sie.
Anfang der 2000er, mit dem zunehmenden Einsatz von Computern, hatten viele Leute bei der Adresseingabe Probleme mit einem Vierzeiler. Dieser war mit den damaligen Programmen schwierig umzusetzen. Wir von der JU haben daher damals die Blocknummerierung durchgesetzt, die noch heute Bestand hat. So habe ich erfahren, dass man durchaus etwas bewegen kann, wenn man sich politisch engagiert.
War es Ihnen von Beginn an klar, in Richtung Bürgermeisteramt gehen zu wollen?
Mein Interesse dafür hat sich nach und nach entwickelt – und nahm seinen Lauf, als ich 2008 zum dritten Bürgermeister gewählt worden bin. Mir hat es nicht nur gefallen, einen genaueren Einblick in kommunalpolitische und verwaltungstechnische Vorgänge zu erhalten, sondern vor allem, als Vertreter der Gemeinde nach außen hin aufzutreten.
Es gibt also kein explizites Schlüsselerlebnis.
(überlegt) Es war ein Prozess. 2014 habe ich ein sehr gutes Wahlergebnis eingefahren. Edi Schmid hat damals bereits verkündet, dass er seine letzte Periode in Angriff nehmen wird. Gleichzeitig hat er erste Gespräche mit mir geführt, ob ich nicht sein Nachfolger werden möchte. Es lässt sich bei mir ein gewisses Muster erkennen: Jeweils nach zehn Jahren habe ich stets etwas Neues gemacht. Erst Schreiner und Brückenbauer, dann Bademeister in Grafenau und Passau, jetzt Bürgermeister. Ich bin immer wieder auf der Suche nach neuen Herausforderungen.
„Ich wollte unbedingt Bürgermeister werden“
Ihre Nominierung zum CSU-Bürgermeister-Kandidaten war dann reine Formsache, oder?
Irgendwie ja und irgendwie nein. In der Gemeinde gibt es zwei CSU-Ortsverbände – einen in Hohenau, einen in Schönbrunn am Lusen. Als Kirchler gehöre ich zu Letztgenannten, ich bin dort auch Ortsvorsitzender. Und natürlich mussten wir uns vor der Nominierung mit den Hohenauer Kollegen abstimmen, was dann auch schnell vonstatten gegangen ist. Ähnlich reibungslos ist der Wahlkampf verlaufen. Ja, es war ein Konkurrenzdenken da, logisch. Ja, ich hatte mit Bella Weber eine starke Mitbewerberin. Aber letztlich verlief alles ohne größere Kriegsschauplätze.
Und ihre Wahl zum Bürgermeister war aus Ihrer Sicht schon im Vorfeld klar?
Nein, überhaupt nicht. Bella Weber hatte ja bereits 2014 kandidiert und konnte damals auch ein gutes Ergebnis einfahren. Die Karten wurden allerdings neu gemischt. Es hat keinen Favoriten gegeben. Aus diesem Grund waren die Wochen vor der Wahl auch sehr nervenaufreibend. Ich wollte unbedingt Bürgermeister werden, habe alles dafür getan und wollte eine Stimme mehr als meine Mitstreiterin. Das Wahlergebnis mit knapp 70 Prozent hat mich aber doch sehr überrascht.

Eduard Schmid führte 18 Jahre lang das Zepter in der Gemeinde Hohenau, ehe er sich – wie angekündigt – zurückzog.
Trotzdem sind die Fußstapfen von Edi Schmid sehr groß.
Die Bürger haben bereits wahrgenommen, dass ein anderer Bürgermeister im Rathaus sitzt. Dennoch sind die Fußstapfen meines Vorgängers enorm. Edi hat viel erreicht für die Gemeinde und auch noch vieles angeleihert, was in den nächsten Jahren fertiggestellt wird. Wir hatten einen sehr guten und harmonischen Übergang. Er hat mir alles bis ins Detail erklärt. Ich freue mich auf meine Aufgaben, auch wenn ich immer mehr meinen größten Schwachpunkt feststellen muss.
Der da wäre?
Ich möchte es allen recht machen. Allerdings ist mir bewusst, dass das nicht möglich ist – egal ob im Privaten, im Ehrenamt oder als Bürgermeister. Ich habe mir vorgenommen, immer ehrlich zu sein – und auch Dinge, die nicht möglich sind, offen auszusprechen. Es ist klar, dass ich Entscheidungen treffen werde, mit denen ich so manchem auf die Füße treten muss. Aber ich denke, dass ich mit meiner Art und Weise dafür sorgen kann, dass es in der Folge keine Komplikationen geben wird.
„Das Wort Flächenfraß will ich gar nicht hören“
Steigen wir ein in die Sachthemen: Da wäre zum einen der Aus- bzw. Umbau der B533, um u.a. Saldenau und Kapfham vom Verkehr zu entlasten. Wie weit ist dieses Projekt vorangeschritten?
An dieser Sache bin ich fast seit 20 Jahren beteiligt, war bei den entsprechenden Verkehrskonferenzen mit dabei. Erst kürzlich hat es wieder ein Treffen gegeben. Der aktuelle Stand der Dinge: Der Bundesverkehrswegeplan ist bis 2030 festgeschrieben. Nachdem eine Verkehrszählung vor Jahren eine der Strecke angemessene Zahl an Verkehrsteilnehmern geliefert hat, ist unser Vorhaben in diesem Plan leider nicht enthalten. Es gibt also noch keine konkreten Planungen, sondern nur lose Gedankengänge. Wir müssen auf die nächste Bundestagswahl hoffen. Vielleicht findet dann ein Umdenken statt.
Aus Sicht der Gemeinde Hohenau bringt eine Umgehung keine Nachteile mit sich?
Eigentlich nicht. Freilich muss man entsprechende Grundstücksbesitzer mit ins Boot holen, auf deren Flächen die neue Straße entstehen könnte. Probleme sind da bekanntlich vorprogrammiert. Aber davor ist mir nicht bange. In Gesprächen lassen sich diese Schwierigkeiten sicher aus der Welt schaffen. Lösungen zu finden ist meine Aufgabe als Bürgermeister.

Josef Gais zeigt sich im Interview sehr redselig und mit einer sehr aktiven Gestik.
Welche Rolle spielt bei diesem Vorhaben der grüne Gedanke?
Der grüne Gedanke gehört dazu, keine Frage. In meinem Wahlprogramm sind auch einige Naturschutz-Projekte vorgesehen. Das Wort Flächenfraß will ich dabei aber überhaupt nicht hören. In meinen Augen gibt es bei uns im Bayerischen Wald keinen Flächenfraß. Wir haben eine tolle, weitläufige Natur, die nachhaltig gesichert werden muss. Das haben Politiker der vergangenen Generationen auch hervorragend gemacht – egal welcher Couleur. Natur- und Umweltschutz hat in unserer Region immer eine entscheidende Rolle gespielt, auch wenn entsprechende Maßnahmen lange Zeit nicht groß diskutiert worden sind. Eine Straße, wie von uns vorgesehen, ist, was den Flächenverbrauch betrifft, da nur eine Randnotiz.
An der Bundesstraße befindet sich das Gewerbegebiet der Gemeinde Hohenau. Wie beurteilen Sie dessen Entwicklung?
Alle Parzellen sind verkauft. Allein das macht deutlich, dass es die richtige Entscheidung war, den Gewerbepark zu initiieren. Es ist doch viel besser, dass heimische Betriebe direkt bei uns bauen können, als dass sie aussiedeln müssen. Wir haben bereits ein weiteres Grundstück gekauft, um ein neues Gewerbegebiet auszuschreiben – dieses Mal nahe der Abbiegung Haslach/Saulorn. Dieses Vorhaben muss jedoch noch alle Fachstellen durchlaufen, ebenso müssen die Entwicklungen nach Corona abgewartet werden.
„Es ist unmöglich, weiter in die Zukunft zu blicken“
Leidet das Ortszentrum unter dem Satelliten-Standort?
Diese Befürchtung war zu Beginn da. Es hat sich aber gegenteilig entwickelt. Diejenigen Betriebe, die dorthin ausgewandert sind – wie etwa die Metzgerei Piser – konnten sich vergrößern und mehr Arbeitsplätze schaffen. Und Unternehmen wie das Kaufhaus Koller, die im Zentrum geblieben sind, mussten keine Einbußen bei den Einnahmen hinnehmen. Alles gut also.
Wie schaut’s generell mit neuen Parzellen aus – egal, ob gewerblich oder privat?
Unsere Baugebiete sind voll, wir können keine neuen Baugrundstücke anbieten – zwölf Interessierte stehen aktuell auf unserer Warteliste. Unsere Aufgabe ist es nun, die einzelnen Ortskerne wieder zu beleben bzw. die Leerstände zu beseitigen. Auch in Sachen Erbbaurecht der Kirche müssen wir Aufklärungsarbeit leisten. Ebenso gilt es, auf dem Wohnungsmarkt tätig zu werden. Wir brauchen ein größeres Mietshaus, das Platz für mehrere Parteien bietet.

Das einst in Raimundsreut angesiedelte Hinterglasmuseum hat im früheren Schönbrunner Schulhaus eine neue Heimat gefunden.
Thema Tourismus: Ist das neu eröffnete Hinterglasmuseum tatsächlich so ein Renner?
Absolut. Zugegeben – auch ich war etwas skeptisch. Ein Museum mit Bildern stelle ich mir eher langweilig vor – dazu noch im ehemaligen Schulhaus von Schönbrunn. Doch die Einrichtung hat mich vollends überzeugt. Die alten Räume sind nicht wieder zu erkennen – und auch die Inhalte werden sehr ansprechend dargestellt. Die Gemeinde und der gesamte Bayerische Wald werden von diesem Museum profitieren, davon bin ich überzeugt.
Ein neuer Leuchtturm auf der einen, die immer kleiner werdende Bedeutung des früheren Aushängeschildes, des Hotels Bierhütte, auf der anderen.
Ja, die Entwicklung dieses Objektes ist alles andere als erfreulich. Doch hat eine Gemeinde nur wenig Einfluss darauf, welchen Lauf ein Hotel dieser Art nimmt. Freilich können wir mit Ratschlägen unterstützen, das machen wir auch. Der Erfolg liegt aber dann letztlich in den Händen des jeweiligen Besitzers oder Pächters. Nun probiert ja ein neuer Gastronom sein Glück dort. Hoffen wir das Beste.
„…dass es unmöglich ist, weiter in die Zukunft zu blicken“
Abschließend ein Blick in die Zukunft: Welche größeren Ziele verfolgen Sie in den nächsten Jahren?
Mittel- und langfristige Planungen müssen zwar aufgestellt werden, um eine ungefähre Richtung vorzugeben. Die Coronakrise hat uns aber gezeigt, dass es unmöglich ist, weiter in die Zukunft zu blicken. Deshalb müssen wir mit voller Kraft die Gegenwart meistern und mit besten Wissen und Gewissen handeln, um Fehler, die erst in ein paar Jahren offensichtlich werden, zu vermeiden.
Vielen Dank für das Gespräch, alles Gute für die Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer