Regen. Ganzheitlich im Zeichen der Volksmusik steht die Stadt Regen am kommenden Pfingstwochenendem, denn vom 17. bis 21. Mai findet in der Bayerwald-Stadt wieder das „drumherum – das Volksmusikspektakel“ statt – 400 Ensembles und rund 50.000 Besucher werden auch in diesem Jahr erwartet. Im Vorfeld der volksmusikalischen Großveranstaltung spricht Projektleiter und drumherum-Cheforganisator Roland Pongratz (47) über die bisherige Entwicklung des Spektakels, das Image des Volksmusik-Genres und über die geplante, bald fertiggestellte Volksmusikakademie in Freyung.
Roland, das drumherum 2018 steht an: Auf was dürfen sich die Besucher heuer freuen?
Die Besucher dürfen sich auf Musik und G’sang an allen Ecken und Enden einer Kleinstadt freuen. Mehr als 400 Volksmusikensembles aus allen Regionen des Freistaates und den umliegenden Ländern bringen die Kreisstadt Regen zum Singen und Klingen. Über die ganze Innenstadt verteilt, wird auf Freiluftbühnen, im Kurpark, in Hinterhöfen, in Gärten oder in Wirtshäusern musiziert, gesungen, getanzt und gefeiert, was das Zeug hält.
Weit über 700 Auftritte gestalten die Aktiven am Pfingstwochenende in Regen: Vom Tanzabend bis zum Konzert, vom Hoagarten bis zum Gottesdienst, von Straßenmusik bis zur Musi-Stubn im eher privatem Rahmen. BR-Heimat ist mit einer eigenen Bühne vor Ort und stellt unzählige Gruppen vor, zeichnet auf und strahlt eine Live-Sendung aus Regen aus. Auch Traudi Siferlinger und Jürgen Kirner präsentieren ihre TV-Formate „Wirtshausmusikanten“ und „Brettl-Spitzen“.
„Es klingt komisch: Aber die Besucher sind nicht sooo wichtig“
Am Samstag können die Besucher im Rahmen unserer „Wirtshausakademie“ aus jeder Menge Workshops mit ausgezeichneten Referenten auswählen und kostenlos teilnehmen. Da ist für jeden etwas dabei – für den, der mal das Jodeln ausprobieren möchte oder erste Versuche auf dem Tanzboden wagen will, aber genauso für Spezialisten, die ihre Kenntnisse vertiefen wollen.
Natürlich gibt’s am Sonntag und Montag wieder den großen Kunsthandwerkermarkt mit mehr als 80 Ausstellern, in den dieses Mal auch ein kleiner, aber feiner Trachtenmarkt integriert ist. Bei einer Instrumentenversteigerung am Pfingstmontag kann man vielleicht ein musikalisches Schnäppchen erwerben und bei der 11. Internationalen Volksmusikmesse (Samstag bis Montag) bieten 50 Instrumentenbauer, Verlage und Musikalienhändler ihre meisterhaft gefertigten Erzeugnisse an.
Ja und dann gibt’s natürlich noch die musikalischen Höhepunkte. Aber bei 400 Gruppen etwas herauszugreifen ist wirklich schwierig, drum verweise ich jetzt einfach mal auf den musikalischen Aufgalopp mit „The Heimatdamisch“ am Mittwoch, 16. Mai, das Eröffnungskonzert mit „Tschejefem“ am Donnerstag, 17. Mai, und die großen Tanzabende mit „Karl Edelmann und seinen Altbairischen Musikanten“ sowie der fränkischen Kapelle „Allerweil“ am Samstagabend. Ansonsten muss man sich einfach selbst einen Überblick im 48-seitigen Programmheft, auf unserer Website oder der praktischen drumherum-App (für Android und iPhone) verschaffen.
Das Volksmusikspektakel in der Stadt Regen ist inzwischen zum Besuchermagneten geworden. Wie erklärst Du Dir diese Erfolgsgeschichte?
Das klingt jetzt vielleicht ein wenig komisch, aber die Besucher sind uns gar nicht sooo wichtig. Wir wollen vor allem den Sängern und Musikanten den roten Teppich ausrollen, sie sollen sich beim „drumherum“ wohlfühlen, sie sollen sich angenommen und gut aufgenommen fühlen. Die Aktiven sollen unvergessliche Stunden erleben können, andere Sänger und Musikanten kennenlernen, sich austauschen, sich begegnen, sich fortbilden können. Und wenn sich die Musikanten wohlfühlen, dann springt der Funke schnell über, das kann auch mäßige Witterung nicht verhindern.
Volksmusik als „Lebensmittel“ in der Gesellschaft verankern
Die Veranstaltung war lange Zeit ein Geheimtipp in der Volksmusikszene. Aber mit mehr Teilnehmern und Besuchern spricht es sich natürlich schnell herum, dass hier ein außergewöhnliches Flair herrscht. Wir halten uns mit überregionaler Werbung eher zurück, wir möchten als Besucher am liebsten diejenigen gewinnen, die sich für das Thema Volksmusik interessieren – und nicht Menschen anziehen, die nur zum Festival kommen, weil halt viele andere auch da sind.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt wohl darin, dass die Sänger und Musikanten quasi das Programm gestalten. Jeder kann seine Wünsche äußern, wie er gerne beim drumherum in Erscheinung treten möchte – und wir versuchen dann die optimalen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Das honorieren die Aktiven mit entsprechend fulminanten Auftritten, die begeistern und mitreißen.
Generell nimmt die Begeisterung für Volksmusik wieder mehr zu. Warum ist das Deiner Meinung nach so?
Das drumherum war bei seiner Gründung 1998 wohl eine der ersten Veranstaltungen, bei der versucht wurde, Volksmusik als „Lebensmittel“ wieder mehr in der Gesellschaft zu verankern. Volksmusik sollte nicht nur in engen Zirkeln praktiziert werden, sondern wieder möglichst viele Menschen erreichen. Volksmusik sollte das Image als altbackenes, verzopftes Musikgenre abstreifen. Wir wollten den Menschen zeigen, dass man mit traditioneller Volksmusik in all ihren Facetten einen hohen Unterhaltungsfaktor bieten kann – und das in unterschiedlichsten Lebenslagen.
In den vergangenen 20 Jahren haben das im Bereich der Volkskultur viele Institutionen, Verbände etc. erkannt und unterschiedliche Veranstaltungsformate ins Leben gerufen. Und die Menschen sind darauf angesprungen – wohl auch, weil sie in der globalisierten Welt ein Stück Heimat für sich bewahren oder wiederentdecken wollten.
Als dann auch noch die Unterhaltungsindustrie den Trend erkannt hatte, wurde aus dem Schneeballeffekt eine Lawine – man denke nur an Sendungen wie die „Wirtshausmusikanten“ und „Heimatsound“ oder an Veranstaltungen wie die „Oide Wiesn“ auf dem Oktoberfest oder das „Woodstock der Blasmusik“ – die unzähligen Nachahmer will ich gar nicht aufzählen müssen. Im Zuge dessen setzte auch eine gewisse Professionalisierung ein. Die Musikanten sind bestens ausgebildet, musizieren auf hohem Niveau, brauchen den Vergleich mit anderen Genres nicht scheuen und die Veranstaltungen kommen alles andere als verstaubt daher.
„Die Geschmäcker sind schließlich verschieden“
Welche Rolle könnte in diesem Zusammenhang die Volksmusikakademie in Freyung spielen?
Die Volksmusikakademie – die übrigens heuer beim drumherum mit einer eigenen kleinen Bühne vertreten ist – kann hier eine ganzjährige Mittlerfunktion übernehmen. Sie kann ausgezeichnete Referenten und lernwillige Schüler zusammenbringen, sie kann die Musikinstitutionen mit den Wissbegierigen verknüpfen, sie kann Hilfestellung bei Probenwochenenden und der Weiterbildung des musikalischen Horizonts liefern. Sie kann neben bestehenden Institutionen ein zentraler Anlaufpunkt für diesen ganz speziellen Bereich der Musikkultur werden und damit den Ball mit Knowhow und ohne Hang zur Kommerzialisierung am Laufen halten. So kann sichergestellt werden, dass die musikalische Volkskultur auch über den momentanen Hype hinaus eine reale Chance hat, sich weiterzuentwickeln und Traditionen weitergepflegt werden – auch wenn das Interesse daran wieder einmal abebben sollte.
Mitverantwortlich für den Hype sind sicherlich auch Künstler wie Andreas Gabalier. Stehen solche Musiker aber nicht eher für die volkstümliche Musik, die man klar von der Volksmusik trennen muss? Im Umkehrschluss: Sind solche Künstler nicht für die Volksmusik „schädlich“?
Ich muss überhaupt nichts trennen. Wer sagt das? Und sofern Musik nicht für politische Stimmung- und Meinungsmache missbraucht wird, kann sie auch nicht schädlich sein! Musik berührt, reißt mit – jedes Lied, jedes Stück, jeder Künstler, egal ob Profi oder Amateur, auf seine Art und Weise. Leben und leben lassen, die Geschmäcker sind schließlich verschieden und die Grenzen zwischen einzelnen Stilarten und Genres sind oft mehr als schwammig. Für mich gibt es nur gute und schlechte Musik, eine, die mich anspricht und eine, die das nicht tut, eine, die für die entsprechende Situation passt und eine, die eben nicht passt.
„Beim zweijährigen Rhythmus wird es bleiben“
Abschließend ein Blick in die Zukunft: Wie wird sich das drumherum entwickeln? Bleibt der zweijährige Turnus?
Ui, das ist jetzt wirklich eine schwierige Frage. Mit Zukunftsprognosen bin ich immer vorsichtig. Wir können und wollen jedenfalls nicht mehr wachsen – über 400 Ensembles und rund 50.000 Besucher reichen auf jeden Fall (lacht). Die Entwicklungsmöglichkeiten in Regen sind so gut wie erschöpft, wir optimieren jetzt eigentlich nur noch. Ein paar kreative Ideen zur inhaltlichen Weiterentwicklung hätte ich schon noch in der Hinterhand und da hätte ich auch viel Lust, diese umzusetzen – aber frühestens in zwei Jahren. Beim zweijährigen Rhythmus wird es bleiben, der zeitliche Abstand hat sich bewährt, die Veranstaltung bleibt organisatorisch mach- und finanzierbar und jeder Musikant oder Besucher freut sich drauf.
Vielen Dank für das Interview und viel Spaß beim drumherum 2018
Interview: Helmut Weigerstorfer