Zwiesel. Markus Hesse (Diplom-Kaufmann, Jahrgang 1966) kandidiert im März auf Platz sieben der Liste der Parteifreien Wählergemeinschaft (PWG) für den Zwieseler Stadtrat – wie schon bei den Kommunalwahlen 2008 und 2014. So ganz „parteifrei“, wie es der Name der PWG -Liste vermuten lässt, ist Markus Hesse jedoch nicht: Er ist Mitglied der Alternative für Deutschland (AfD) und war als solches bis vor Kurzem als Schatzmeister im Vorstand des Bezirksverbands Niederbayern tätig. Ein Amt, das er eigenen Aussagen zufolge seit Freitag vergangener Woche nur noch stellvertretend ausführt.*
So mancher Zwieseler sieht seine Stadtratskandidatur kritisch, befürchtet gar, dass dadurch die teils offen rechtsextremistische AfD auch in der Glasstadt salonfähig gemacht werden könnte. Da Hog’n hat daher die Fraktionsvorsitzenden im Zwieseler Stadtrat, Walter Unnasch (CSU), Andreas Lobenz (SPD), Hans-Peter Marx (FW), Jens Schlüter (Die Grünen) und Ludwig Steckbauer (PWG) sowie mit Markus Hesse um deren Meinung dazu befragt.
„Ohne Vorurteile konstruktiv bleiben“
„Auch wenn es mich zuerst überrascht hat, sehe ich die Kandidatur eines AfD-Politikers auf der PWG-Liste mittlerweile sehr neutral“, sagt Andreas Lobenz und ergänzt: „Zudem kenne ich weder Herrn Hesse als Person noch weiß ich über seine eventuelle AfD-politische Ausrichtung Bescheid.“ Seiner Meinung nach liege es im alleinigen Ermessen der PWG-Wählergruppe, ob und welche Personen auf deren Stadtratsliste aufgenommen werden.
„Fakt ist, dass sich Herr Hesse nicht für die AfD sondern für die PWG für den Zwieseler Stadtrat aufstellen hat lassen. Ob und inwieweit dadurch eine AfD für Zwiesel salonfähig gemacht wird, wird die Zukunft zeigen und liegt meines Erachtens am Wahlverhalten der Zwieseler Bürgerinnen und Bürger.“
Im Falle der Wahl Hesses zum Stadtrat werde Lobenz mit ihm wie mit jedem anderen demokratisch-gewählten Stadtrat umgehen – „und ohne Vorurteile versuchen, in konstruktive Gespräche zu gehen“. Sollten sich rechtsextremistische Anzeichen ergeben, seien hierfür die Strafverfolgungsbehörden zuständig.
„Wehret den Anfängen“
„Es ist sicher problematisch, wenn ein AfD-Politiker, hier sogar ein Parteifunktionär*, auf der PWG Liste kandidiert“, teilt FW-Fraktionsvorsitzender Hans-Peter Marx auf Hog’n-Nachfrage mit und fügt hinzu: „Aber das Problem wird einzig und allein bei der PWG liegen – wohlgemerkt steht PWG für Parteifreie Wählergemeinschaft.“
Marx geht davon aus, dass die Kandidatur Hesses sicherlich der Versuch sei die AfD in Zwiesel salonfähig zu machen. „Hier sage ich nur: Wehret den Anfängen!“ Seiner Meinung nach sollte im Falle des Einzugs Hesses in den Stadtrat der Umgang mit ihm auf das Notwendigste beschränkt werden.
„Naiv und geschichtsvergessen“
Als „sehr problematisch“ bezeichnet Jens Schlüter von den Zwieseler Grünen die Kandidatur Hesses auf der PWG-Liste. „Denn dadurch gibt die PWG einer Partei eine Stimme, die in Teilen vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft wird, deren führende Mitglieder sich nicht scheuen, rechtsradikale Aussagen zu tätigen und in enger Verbindung mit verfassungsfeindlichen Vereinigungen stehen.“ Die PWG hat damit Schlüter zufolge auch eine Partei auf ihrer Liste, die vor allem in den sozialen Medien mit Hass und Hetze auffällt.
„Wer einem führenden Funktionär* der AfD in Niederbayern auf seiner Liste kandidieren lässt, teilt entweder dessen rechte Gesinnung oder ist naiv und geschichtsvergessen“, teilt der Grünen-Fraktionsvorsitzende weiter mit. Die Einbindung radikaler Gruppierungen habe noch nirgends funktioniert und führe meistens in die Katastrophe. „Man kann es auch mit den Worten der Fußball-Legende Eric Cantona sagen: Mit Rassisten zu diskutieren ist, als würde man mit einer Taube Schach spielen. Es ist egal, wie gut Du bist, die Taube wird alles umschmeißen, auf das Spielfeld kacken und danach herumstolzieren, als hätte sie gewonnen.“
Schlüter zufolge sollten der Bürgermeister, der Stadtrat und die ganze Stadt Zwiesel stets klar machen, „dass wir keine radikalen Positionen unterstützen“. Gerade Zwiesel mit international recht erfolgreichen Firmen dürfe keinen Zentimeter Platz lassen für eine rückwärtsgewandte und geschichtsvergessene Politik. „Wir brauchen Zuversicht und Optimismus, um unsere Herausforderungen anzugehen.“
„Bislang nicht wahrgenommen worden“
CSU-Fraktionsvorsitzender Walter Unnasch teilt auf Hog’n-Anfrage mit, dass er nichts davon gewusst habe, dass Markus Hesse Schatzmeister* der AfD Niederbayern sei. Er kenne ihn nicht persönlich und könne daher dessen politische Grundeinstellung nur aus der Tatsache einer funktionellen Mitgliedschaft bei der AfD vermuten.
„Aus demokratischer Gesinnung heraus sehe ich es nicht problematisch, wenn sich politisch Andersdenkende für ein kommunales Ehrenamt bewerben“, sagt Unnasch. Das Programm der AfD unterscheidet sich jedoch substanziell von seiner eigenen politischen Wertedefinition. Und weiter: „Die PWG bezeichnet sich als Parteifreie Wählergemeinschaft. Auf der Kandidatenliste stehen neben Herrn Hesse auch Personen, die sich für die FDP als Kreistagskandidat nominieren ließen. Ob dies problematisch ist, muss der Wähler für sich entscheiden.“
Ob die AfD durch die Kandidatur Hesses salonfähig gemacht werde? „Herr Hesse ist bislang in Zwiesel als Vertreter der AfD politisch nicht wahrgenommen worden.“ Von öffentlichen Auftritten oder Redebeiträgen sei dem CSU-Politiker nichts bekannt. „Die AfD ist in Zwiesel bisher weder als Ortsverband noch durch regionalpolitische Statements in Erscheinung getreten. Mit Sicherheit gibt es Bürgerinnen und Bürger, die sich mit manchen Themen der AfD anfreunden können, ohne eine rechtsradikale Gesinnung zu haben“, so Unnasch.
„Wenn Herr Hesse in den Stadtrat einzieht, hat er ein politisches Mandat wie alle Ratsmitglieder. Das ist ohne Vorbehalte zur Person zu respektieren.“ Im Stadtrat würden nur Entscheidungen gefällt, die den definierten Wirkungsbereich der Kommunalpolitik betreffen. Diese Entscheidungen bräuchten Mehrheiten, die ausschließlich auf sachlicher Entscheidungsbasis beruhen. „Für politische Argumentation ist hier kein Raum.“
„Bei uns gibt es keine Parteipolitik“
„Herr Hesse war immer schon bei der PWG“, teilt Ludwig Steckbauer, Gründer und Fraktionsvorsitzender der Parteifreien Wählergemeinschaft Zwiesel, auf Hog’n-Anfrage mit. Diese gebe es seit mehr als 20 Jahren. Ein Problem mit Markus Hesses AfD-Mitgliedschaft und dessen Funktionärstätigkeit* habe er nicht. „Wir sind parteifrei – bei uns gibt es keine Parteipolitik und keinen Fraktionszwang.“ Es gebe bei ihnen auch CSU’ler und FDP’ler auf der Liste. „Wenn einer Parteipolitik betreiben möchte, dann hat er bei uns nichts verloren. Dann ist der bei der nächsten Sitzung draußen – so rigoros sind wir dann“, wird Steckbauer deutlich.
„Dialektik der Vernunft“
„Die PWG war vor der AfD“, betont auch Markus Hesse. Bereits 2008 und 2014 bewarb er sich auf der Liste der Parteifreien Wählergemeinschaft für den Zwieseler Stadtrat. 2014 bereits mit dem Hintergrund seiner Kandidatur als Direktkandidat im Wahlkreis Straubing/Straubing-Bogen/Regen für die AfD bei den Bundestagswahlen 2013.
„Eine parteipolitische Korrelation über Programme ist zwischen der PWG und der AfD nicht gegeben“, sagt Hesse. Denn die PWG enge ihre Mandatsträger nicht mit Fraktionszwang oder Denkverboten ein.“ Dialektische Herangehensweisen an Problem- und Fragestellungen seien die Grundlage für Entscheidungsfindungen.
Seine Ziele für die Arbeit im Stadtrat im Falle einer Wahl lauten: Überwindung der existenten Spaltungen und Spannungen im Gremium, Einbringen der persönlichen Erfahrungen aus dem eigenen Arbeitsumfeld in effektive Projektarbeit sowie die Mediation im Stadtrat und Stadtverwaltung zur Überwindung der vorhandenen Friktionen. Darüberhaus strebe er u.a. den Austritt aus der FNBW an.
Die AfD erachte er nicht als „teils rechtsextremistisch“, sondern als „liberal-konservativ bis rechtskonservativ“. Diese Einschätzung basiere auf seinem Engagement und den damit verbundenen persönlich gemachten Erfahrungen seit seinem Eintritt im März 2013, unmittelbar nach Gründung der AfD. Eine Spaltung der Partei in mehrere Lager könne er nicht erkennen – gerade hier in Bayern sei mit der neuen Landesvorsitzenden und Bundestagsmitglied Corinna Miazga „eine verbindliche und verbindende Persönlichkeit im Amt, welche auf Parteiebene besonnen und effizente Arbeit leistet“, so Hesse.
„Aus der politikwissenschaftlichen Schule der Universität Passau kommend, sind meine politischen Positionen entstanden aus der dort – zumindest zu meiner Zeit – d.h. Oberreuter und Steinbach als die führenden Professoren – gelehrten analytischen Vorgehensweisen. Diese schließen ganz klar jedwede Extremposition aus.“ Zusammengefasst sei die „Dialektik der Vernunft“ seine Position und Handlungsweise.
Stephan Hörhammer
* Anmerkung der Redaktion: Markus Hesse war zum Zeitpunkt der Hog’n-Anfrage bei den Fraktionsvorsitzenden im Zwieseler Stadtrat noch (erster) Schatzmeister des AfD-Bezirksverbands Niederbayern. Dieser wird auf der AfD-Website auch immer noch in dieser Position geführt (Stand: 22. Januar 2020). Stellvertretender Schatzmeister sei er eigenen Aussagen zufolge seit Freitag, 17. Januar. Hauptamtlicher Schatzmeister ist Hesse zufolge nun Oskar Atzinger.