Hauzenberg. Müssen mehr Windräder im Bayerischen Wald gebaut werden, um die Energiewende endlich umzusetzen – oder verdienen hier Investoren viel Geld, ohne dass dabei am Ende tatsächlich etwas für die Umwelt getan wird? Bringen Windkraftanlagen grüne Energie – oder handelt es sich um „Windwahn“? Fragen wie diese spalten in Hauzenberg sowie den Nachbargemeinden Sonnen und Wegscheid (Landkreis Passau) gerade die Gesellschaft. Ein heftiger Streit ist entbrannt. Was genau ist passiert?
„Leute, die dreißig Jahre ganz dick miteinander waren, schauen sich mittlerweile nicht mehr an“, sagt Roswitha Uhrmann. Die Wegscheider Hotelbesitzerin ist einer der führenden Köpfe des Vereins „Gegenwind am Ruhmannsberg“. Sie schaut von ihrer Hotelterrasse aus direkt Richtung Ruhmannsberg und ist sich sicher: „Wenn die Windräder kommen, kann ich zusperren.“
Gegner befürchten: Bald Windräder im gesamten Bayerwald
Den „Hokuspokus“ rund um die Windräder sofort zu stoppen und alle Pläne zu diesem Thema komplett ad acta zu legen – das ist es, was die Gegner der Windräder möchten. Sie befürchten: Wenn ein Investor erst einmal einen Bauantrag gestellt hat, wenn der Stadtrat dann für einen entsprechenden Bebauungsplan stimmt, dann stehen bald vier Windräder am Ruhmannsberg bei Hauzenberg.
Und sind diese Windräder errichtet, springen vielleicht viele weitere Gemeinden im Bayerischen Wald auf den Wind-Zug auf: „Dann kommt bald die Windindustrie und baut den gesamten Bayerischen Wald zu“, ist sich Klaus Weidinger sicher. Er ist ebenfalls Mitglied im Verein „Gegenwind am Ruhmannsberg“. Die Touristen, die in den Bayerwald kommen, würden jedoch eine Landschaft ohne Lärm und hohe Bebauung schätzen.
Hauzenbergs Bürgermeisterin Gudrun Donaubauer hingegen findet die Argumentation und Kommunikation des Gegenwind-Vereins irreführend und übertrieben: „Man kann immer den Teufel an die Wand malen“, sagt sie. Dabei sei der Planungsprozess in Sachen Windräder noch „sowas von am Anfang“. Bis eventuelle Anlagen auf dem Ruhmannsberg gebaut würden, werde es noch mindestens drei Jahre dauern, schätzt sie. Und bis dahin werde das gesamte Vorgehen eingehend geprüft. Es seien zahlreiche Gutachten von Experten nötig, bis ein Bauantrag grünes Licht bekomme.
Donaubauer findet es wichtig, dass dieser Prozess angestoßen wird, dass Experten die Situation prüfen und der Stadtrat und das Bauamt dann auf Basis dieser Gutachten eine Entscheidung fällen. „Ich habe Respekt vor den Einwänden der Gegner“, betont sie. Umso wichtiger sei es, nun einen Dialogprozess zum Thema regionale Energieversorgung zu starten.
Was nicht passieren dürfe, so die Hauzenberger Rathaus-Chefin, sei, dass sich die Politik dem Druck der Windrad-Gegner beuge und das Thema Windkraft nicht weiter diskutiere. „Dann müsste man bei vielen Themen von vornherein aufhören zu reden“, sagt sie. Demokratisch ist es ihrer Meinung nach aber, sich eingehend mit allen Pro- und Contra-Argumenten zu beschäftigen.
Fakt ist: Bereits 2014 hatte der Stadtrat Hauzenberg eine so genannte Konzentrationszone für Windenergie ausgewiesen und eine entsprechende Änderung des Flächennutzungsplanes verabschiedet. Auf der rund 230 Hektar großen Fläche am Ruhmannsberg können nun Investoren einen Bauantrag für Windkraftanlagen einreichen, ohne sich dabei an die sonst geltende 10H-Regelung halten zu müssen.
Zerstören die Windräder den Wald?
Ende des vergangenen Jahres hatte die Baywa r.e. Interesse bekundet, in der Hauzenberger Konzentrationszone Windräder aufzustellen. Geplant seien vier Anlagen mit einer Nabenhöhe von etwa 160 Metern sowie einem Rotordurchmesser von etwa 150 Metern, die speziell für das Binnenland konzipiert seien und deren Generatorleistung zwischen fünf und sechs Megawatt liege, teilt Felix Gmelin, Pressesprecher der Baywa r.e., auf Hog’n-Anfrage mit. Seitdem erhitzt das Thema die Gemüter – der Bürgermeisterin wurden bereits Drohbriefe mit toten Mäusen darin zugesandt.
Roswitha Uhrmann wohnt eigenen Angaben zufolge knapp zwei Kilometer von den angedachten Windrädern entfernt. Dass diese den touristischen sowie wirtschaftlichen Wert ihres Hotels mindern würden, sei aber nicht der einzige Grund, warum sie gegen die Windenergie im Bayerischen Wald kämpft: „Ministerpräsident Söder will Millionen Bäume aufforsten“, sagt sie. „Da beißt es sich, hier am Ruhmannsberg wegen den Windrädern welchen zu zerstören.“ Dass die Anlagen in Hauzenberg aufgestellt werden sollen, hat in ihren Augen einen einfachen Grund: „Es geht um eine Milliardenförderung, die abgegriffen werden muss“, sagt Uhrmann.
Diesem Vorwurf widerspricht Felix Gmelin, Pressesprecher der Baywa r.e.: „Es muss Strom produziert werden, damit wir mit den Windrädern Geld verdienen.“ Es gebe keinerlei Förderung für den Bau der Windräder – erst wenn diese in Betrieb gehen, erhält der Investor laut Gmelin eine Einspeisevergütung für den produzierten Strom. Die Baywa r.e. habe eine eigene Analyse der Fläche durchgeführt, die die Eignung bestätigt hätte. Momentan investiere der Energie-Dienstleister Geld in die Planungen ohne zu wissen, ob es sich am Ende lohnt: „Das Risiko, dass das Projekt gar nicht zustande kommt, tragen wir“, sagt der Pressesprecher.
Planungen in „sehr frühem Stadium“
Dass es Bedenken gegen die Windräder gebe, sei verständlich, sagt Gmelin: „Jeder, der betroffen ist, macht sich Gedanken zu dem Thema.“ Generell gebe es derzeit einen bundesweiten „Genehmigungsstau“ in Sachen Windkraftanlagen. Denn viele Bauvorhaben landen vor Gericht, bevor ein Windrad überhaupt aufgestellt werden kann. Doch Gmelin betont: „Wir wollen nichts Böses.“ Um dies allen Betroffenen zu zeigen, wolle man auch während des gesamten Planungsprozesses informieren, alles möglichst transparent machen. Man befinde sich aber tatsächlich noch in einem „sehr frühen Stadium“, teilt der Pressesprecher mit. Viele Details stünden schlicht und einfach noch nicht fest. Momentan prüfe man, ob das Projekt überhaupt umsetzbar sei. In Hauzenberg sei der Widerstand jedenfalls sehr früh aufgekeimt.
In Deutschland gibt es mittlerweile mehr als 1.000 Bürgerinitiativen gegen Windkrafträder, berichtet Roswitha Uhrmann. In ihren Augen zeige dies, dass die Anlagen durchaus problematisch seien. Ihre Argumente vorzubringen, die Bevölkerung auf die Schattenseiten der Windenergie aufmerksam zu machen, sei das Ziel des Vereins „Gegenwind am Ruhmannsberg“.
Vereinsmitglied Klaus Weidinger aus Sonnen pflichtet ihr bei: „Natur zu zerstören für die Energiewende ist der falsche Ansatz“, sagt er. „Wir sind nicht grundsätzlich gegen Windräder.“ Es gäbe jedoch bessere Standorte, beispielsweise entlang der Autobahn Richtung München, wo die Natur durch die Infrastruktur ohnehin bereits nicht mehr intakt sei. Er selbst ist der Meinung, im Bayerischen Wald solle man auf andere erneuerbare Energien setzen: „Ich selbst habe eine Energiepumpe im eigenen Haus eingebaut und arbeite darauf hin, mich bald energietechnisch autark zu versorgen“, sagt Weidinger. Auf diese Alternativen wolle der Verein hinweisen.
Am Ruhmannsberg dagegen sei ein zusammenhängendes Waldgebiet mit vielen Tieren vorhanden. Zudem Wasserschutzgebiete, die durch die tiefen Fundamente der Windräder beeinträchtigt werden könnten, so Weidinger. Genau diese Gegebenheiten würden von Sachverständigen genau überprüft, bevor irgendjemand Windräder am Ruhmannsberg aufstellen dürfe, sagt Bürgermeisterin Gudrun Donaubauer. Es seien Gutachten zu Naturschutz-Aspekten genauso notwendig wie zum erwarteten Ertrag der Windräder, zu Emissionen und Immissionen sowie zum ökologischen Ausgleich des Bauvorhabens.
Investor will Abstand zu Häusern vergrößern
Pressesprecher Felix Gmelin bestätigt: „Das Genehmigungsverfahren dauert einige Monate.“ Ein wichtiger Bestandteil sei zudem ein öffentlicher Erörterungstermin, bei dem jeder Bürger gehört werde. „Wir als Investor sind interessiert daran, dass alles konfliktfrei abläuft“, sagt Gmelin.
Das möchte auch Bürgermeisterin Gudrun Donaubauer. Sie betont, dass nicht sie es ist, die darüber entscheide, wie es in Sachen Windenergie in Hauzenberg weitergeht – sondern der gesamte 25-köpfige Stadtrat. Sie selbst ist der Meinung: „Das Thema regionale Energieversorgung ist so wichtig, dass wir unbedingt einen Diskussionsprozess brauchen.“ Dieser Prozess sei völlig ergebnisoffen und orientiere sich an Gutachten von Experten.
Pressesprecher Felix Gmelin teilt unterdessen mit, dass die Baywa r.e. derzeit mit weiteren Grundstückseigentümern im Gespräch sei, um „eine optimale Positionierung der Windenergieanlagen vornehmen zu können“ und „den Abstand zur Wohnbebauung zu vergrößern“. Vielleicht gibt es in diesem verbitterten Streit am Ende ja doch noch eine Lösung, mit der möglichst viele leben können…
Sabine Simon
Guter informativer Artikel!
Unsere Stromstatistik zeigt: Jede/r in Deutschland verbraucht rund 1.700 Kilowattstunden Strom privat im Jahr. Rechnet man auch den Stromverbrauch des Gewerbes, der Industrie und unserer staatlichen Einrichtungen (z.B. Straßenbeleuchtung) auf alle um, entfallen etwa 6.600 Kilowattstunden auf jede/n von uns.
Wo soll dieser Strom erzeugt werden?
Atomkraft, Erdöl und Erdgas sowie Kohle zerstören unsere Umwelt so nachdrücklich, dass unsere Nachkommen voraussichtlich von uns eine kaputte Umwelt erben werden.
Die Erneuerbaren Energien, also Bioenergie, Geothermie, Photovoltaik, Wasser- und Windkraft können und müssen uns zukünftig versorgen. Dank enormer technischer Fortschritte können gerade die Photovoltaik und die Windkraft sauber und preiswert und letztlich auch zuverlässig uns versorgen.
Gut, dass die Bürgermeisterin dies im Blick hat!
Raimund Kamm