München. „Ein seriöses Foto der Zeugnisvergabe finde ich völlig in Ordnung. Denn dann ist das Kind vermutlich mit dem Hochladen des Fotos einverstanden. Schlimm finde ich Fotos von kleinen Kindern beim Baden. Vor allem dann, wenn die Kinder von den Mamas und Papas instrumentalisiert werden“, hatte der Passauer Schriftsteller, Medien- und Sprachwissenschaftler Dr. Frederik Weinert jüngst im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n zum Thema „Kinderfotos in sozialen Medien“ festgestellt. Eine Meinung, die Daniela Riedl und Alexandra Schreiner-Hirsch vom Kinderschutzbund Bayern definitiv teilen. Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter und sagen: „Generell gehören Kinderfotos ins Familienalbum – und gar nicht ins Internet.“
„Was einmal im Netz ist, ist für immer drin“
Welche Gefahren gibt es, wenn ich meine Kinder ganz offen im Netz zeige – abgesehen davon, dass den Kindern die Fotos später einmal peinlich sein könnten?
Spätestens seit der Datenschutzgrundverordung sind wir sensibilisiert darauf zu achten, wer unsere persönlichen Daten wie verwenden darf. Oft bedarf es einer schriftlichen Zustimmung, ob Fotos gemacht und/oder veröffentlicht werden dürfen – auch in Kindertagesstätten und Schulen jedes Jahr aufs Neue. In den sozialen Netzwerken dagegen wird alles wie selbstverständlich preisgegeben. Aus Bildern kann ich viele persönliche Daten erkennen. Ich sehe das Geschlecht, Alter und Aussehen der Kinder, kann Rückschlüsse auf die Nationalität schließen und erhalte über die Metadaten der Bilder Informationen wann und wo das Bild aufgenommen wurde. Nebenbei erkenne ich noch Urlaubsziele, Hobbys, Freunde, Familie usw.
In den sozialen Netzwerken geht es dabei nicht um ein einziges Bild, sondern um ein kontinuierliches Preisgeben von Informationen in großen Mengen über viele Jahre hinweg. Stellt man sich jede Info als kleines Puzzleteilchen vor, entsteht über die Jahre ein riesiges digitales Profil. Dies interessiert künftige Arbeitgeber, Versicherungen, Staaten. Deutschland nimmt den Datenschutz sehr ernst. So hat es die empfohlenen Mindestalter der meisten Sozialen Netzwerke auf 16 Jahre angehoben. Dies sollten auch Eltern bedenken, die stellvertretend zu viele Infos preisgeben. Einen Reset-Button gibt es leider nicht.
Bilder im Internet finden eine weite Verbreitung. Jeder kann sie speichern, verändern oder weiterschicken. Bevor Eltern ein Bild posten, sollen sie sich die Frage stellen, ob sie dieses Bild auch öffentlich auf dem Marktplatz und jeder Reklametafel plakatieren würden. Oder als Wurfsendung großräumig verteilen würden. Und was einmal im Netz ist, ist für immer drin. Die andere Seite ist, dass es für Pädophile noch nie so leicht war wie heute an Material zu kommen. 80 Prozent Hautanteil reichen aus, dass Bilder auf pornographischen Plattformen landen. Will ich das für mein Kind?
Präventionsprogramme für Eltern und Kinder
Wenn ich bei Facebook oder Instagram Fotos hochlade, gebe ich damit auch Rechte an den Bildern ab und die Unternehmen könnten die Bilder unter Umständen weiterverwenden, richtig?
Ja, in den AGBs wird darauf hingewiesen. Das gilt übrigens auch für WhatsApp: „Damit wir unsere Dienste betreiben und bereitstellen können, gewährst du WhatsApp eine weltweite, nicht-exklusive, gebührenfreie, unterlizenzierbare und übertragbare Lizenz zur Nutzung, Reproduktion, Verbreitung, Erstellung abgeleiteter Werke, Darstellung und Aufführung der Informationen (einschließlich der Inhalte), die du auf bzw. über unsere/n Dienste/n hochlädst, übermittelst, speicherst, sendest oder empfängst.“
Wann ist das Kindeswohl in Hinblick auf Kinderfotos im Netz definitiv gefährdet?
- wenn zu viel Haut gezeigt wird
- wenn die Privatsphäre verletzt wird (Wickeltisch, Badezimmer, Kind beim Schlafen etc.)
- bei der Darstellung von Gewalt
- wenn das Kind in peinlichen Situationen gezeigt wird
- wenn man sich über das Kind lustig macht oder es ausgelacht wird
Welche Kampagnen des Kinderschutzbundes gibt es, die Eltern das richtige Verhalten in sozialen Netzwerken aufzeigen?
Der Kinderschutzbund hat Präventionsprogramme für Eltern und Kinder wie etwa:
- Elternkurs: Wege durch den Mediendschungel
- Schulprojekt: „Medienlöwen“ – Münchner Medientraining, das die Medienkompetenz von Schülern und deren Eltern stärkt
- Medienvorträge in Kindertagesstätten und Schulen
- Fort- und Weiterbildung im Bereich Medienkompetenz für pädagogische Fachkräfte
Gute Informationsquellen für Eltern sind z.B. die Internetseiten schau-hin.info und klicksafe.de. Dort können Sie sich nicht nur über verschiedene Themen informieren, sondern sich auch durch Newsletter über aktuelle Entwicklungen und Trends auf dem Laufenden halten. Auf klicksafe findet sich auch ein Flyer für Eltern zum Thema – „Zu nackt fürs Internet? – 10 Schritte für mehr Sicherheit im Umgang mit Kinderfotos online.“
„Weder Bilder noch sonstige Angaben preisgeben“
Sind Fälle denkbar, in denen der Kinderschutzbund aktiv eine Mutter ansprechen würde, wenn deren Aktivitäten im Netz das Kindeswohl definitiv missachten?
Wenn diese Fälle im Rahmen unserer Präventionsprojekte auftauchen, werden die Betroffenen natürlich angesprochen.
Viele posten nicht nur Fotos, sondern erzählen dazu auch ausführlich aus ihrem Alltag. Wie ist es, wenn eine Mutter im Netz über die Kinder – etwa per Videobotschaft – berichtet: Wann wird hier die Privatsphäre des Kindes missachtet?
Immer.
Wie ist es mit Daten von Kindern im Netz – wenn etwa der volle Name eines Kindes auf dem Instagram-Profil der Mutter auftaucht: Welche Gefahren entstehen daraus?
Siehe hierzu nochmals die Informationen zum Datenschutz. Um die Privatsphäre von Kindern zu schützen, dürfen weder Bilder noch sonstige Angaben preisgegeben werden. Das Bild mit den Puzzleteilchen funktioniert auch hier. Je mehr Infos ich über eine Person habe, desto mehr werde ich auch über sie recherchieren und herausfinden können. Gerade über Querbezüge.
Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben.
Die Fragen stellte: Stephan Hörhammer