Freyung/Innernzell. Nochmal gut gegangen – das werden sich die Verantwortlichen der Stadt Freyung in den vergangenen Tagen wohl im Stundentakt gedacht – und sich dabei gegenseitig immer wieder auf die Schultern geklopft haben. Der Verkauf der schadstoffbelasteten GESA-Klinik „Wolfstein“, dem auf dem Geyersberg thronenden Betonklotz, an den Innernzeller Bauunternehmer Günther Karl zum Preis eines symbolischen Euros scheint sich als weiterer Coup in die Erfolgsgeschichte des Freyunger Bürgermeisters Olaf Heinrich einzureihen. Dieser habe sich, wie die Stadt per Pressemitteilung kundgibt, „hilfesuchend“ an Karl gewandt – und kurzerhand einen Deal mit ihm ausgehandelt: Die Firma Karl-Bau macht das marode Gebäude innerhalb eines Jahres dem Erdboden gleich, die Stadt spart sich im Gegenzug 8,2 Millionen Euro Abbruchkosten – und kann das Gelände dann für die Landesgartenschau 2022 von Karl pachten. Doch was dann?
Von der Lösung des gordischen Knotens ist nun seitens der Stadtverwaltung die Rede. Ein „Riesenproblem“ sei aus dem Weg geschafft worden, nachdem Unternehmer Karl vertraglich zugesichert habe, die ehemalige GESA-Klinik binnen eines Jahres mit schwerem Gerät platt zu machen. Eine Aufgabe, die für den Freyunger Haushalt finanziell „unmöglich zu schultern“ gewesen wäre, wie Rathaus-Chef Heinrich in besagter Pressemitteilung betont.
Viechtachs „klaffende Wunde im Herzen der Stadt“
„Damit ist uns enorm geholfen. Günther Karl ist bekannt dafür, ungewöhnliche Wege zu gehen und viel für seine Heimatregion zu tun“, freute sich der Bürgermeister. Er sei sich sicher, dass man sich auf den Unternehmer, den „pragmatischen Problemlöser“, dem der Bayerische Wald so sehr am Herzen liege, den „Gartenschau-Helfer in der Not“, wie ihn auch die Lokalzeitung vorzeitig lobpreist, verlassen könne.
„In Viechtach freuen wir uns auch schon seit sechs Jahren über Karls außergewöhnliche Wege“, kommentierte eine Leserin auf der Hog’n-Facebook-Seite mit ironischem Unterton. Ja, die Viechtacher haben in den vergangenen Jahren ebenfalls so ihre Erfahrungen mit dem Innernzeller Baulöwen gemacht – und scheinen von der Freyunger Lobhudelei wohl weniger überzeugt.
2014 hatte Karl den sog. Stenzer-Komplex an der Westseite des Viechtacher Stadtplatzes ersteigert und wenige Monate später das marode Gebäude abreißen lassen. Lange würde das rund 18.000 Quadratmeter große Areal nicht brach liegen, glaubten die Stadt-Verantwortlichen und die Bürger damals. Doch wirklich passiert ist über die Jahre hinweg so gut wie nichts. „Herr Karl ist sehr schwer zu erreichen und gibt auch nicht wirklich Informationen heraus“, klagte Rathaus-Chef Wittmann im Februar 2016. Vom „Karl-Loch“ war schnell die Rede – es fehlten konkrete Pläne, was mit der „klaffenden Wunde mitten im Herzen der Stadt“ passieren sollte.
Dann hieß es, Karl wolle das Stenzer-Areal an die Stadt verkaufen, er habe dem Stadtrat – überraschenderweise – eine Kaufoption angeboten – ohne Erfolg. Es gab schließlich Verhandlungen zwischen dem Bauunternehmer und einem Investor aus Norddeutschland – ohne Erfolg. Erst im November 2018, nach vier Jahren brachliegender Baufläche stellte der Innernzeller dem Stadtratsgremium erstmals konkrete Pläne für die Bebauung des Grundstücks vor: Es soll auf dem Stenzer-Areal ein Wohn- und Bürokomplex samt Parkhaus entstehen. Karl wolle am liebsten sofort mit dem Bauen beginnen, sagte er damals recht ambitioniert – „wir können am 1. März anfangen“. Baugerät ist bis dato keines auf dem Stenzer-Gelände gesichtet worden.
Stadt Freyung gibt das Heft aus der Hand
Während sich dieser Tage also die Leute zu Hunderten über das von Bürgermeister Heinrich zur Gratis-Abholung freigegebene Inventar der GESA-Klinik hermachen und alles, was nicht nicht niet- und nagelfest ist, notfalls auch mit der Flex abmontieren, stellt sich einem die Frage, ob der viel umjubelte „Big Deal“ mit Günther Karl tatsächlich so weitsichtig ist, wie von vielen Seiten bekräftigt. Gerade im Hinblick auf die Nutzung nach der Landesgartenschau – ganz oben auf der Wunschliste der Stadt Freyung steht seit Langem ein touristisches „Leuchtturmprojekt“ in Form eines Nobel-Hotels – ist angesichts des Viechtacher Intermezzos der ein oder andere Zweifeler durchaus berechtigt. Die Stadt Freyung hat es – so wie bei der jüngsten Nutzung als Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge – dann jedenfalls nicht mehr selbst in der Hand, was droben am Geyersberg mit dem vielzitierten „Filet-Stück“, der derzeit wohl schönsten Baulage des Bayerischen Waldes, passiert. Sondern ist vielmehr abhängig von den Vorstellungen und dem Zeitplan des Innernzeller Baulöwen.
Kommentar: Stephan Hörhammer