Viechtach. Mehr als ein Jahr ist der Abriss des Stenzer-Komplexes am Viechtacher Stadtplatz nun her. Eine lange Zeit. Wirklich getan hat sich seitdem aber nichts. Während sich viele Bürger über eine vorerst hellere Stadtmitte freuen, ärgert sich Bürgermeister Franz Wittmann über den Stillstand, für den aus seiner Sicht der Eigentümer des Areals verantwortlich ist: Bauunternehmer Günther Karl aus Innernzell.
Das Verhältnis zwischen Viechtachs Bürgermeister Franz Wittmann und Bauunternehmer Günther Karl gleicht, wie es scheint, dem zweier frustrierter Ehepartner. Der eine will, der andere offenbar nicht. Der eine schweigt, der andere ärgert sich darüber. Das Stadtoberhaupt und der Innernzeller Geschäftsmann führen aber keine Ehe – sie sind Geschäftspartner.
Den Jahreswechsel 2014/15 erlebte das Kaufhaus schon nicht mehr
Im April 2014 hatte Günther Karl den maroden Stenzer-Komplex an der Westseite des Stadtplatzes erstanden. Rund 425.000 Euro legte der Innernzeller Bauunternehmer für das mit einigen Hypotheken belastete Anwesen bei einer Zwangsversteigerung auf den Tisch. Von vornherein war – nicht nur für die Viechtachter – klar: Nur ein Abriss lohnt sich, eine Sanierung wäre viel zu teuer. So nahmen die Dinge ihren Lauf und wenige Monate später machte Karls Unternehmen den Komplex dem Erdboden gleich. Den Jahreswechsel erlebte das ehemalige Kaufhaus schon nicht mehr.
Lange würde das rund 18.000 Quadratmeter große Areal nicht brach liegen, glaubten die Stadt-Verantwortlichen zunächst. Noch 2014 hat sich Günther Karl weitere angrenzende Grundstücke gesichert, um einen möglichst schnellen Neubau mit Wohnungen, Geschäften und einem Parkdeck in Angriff zu nehmen. Entsprechende Aufträge zur Planung seien bereits an den Viechtacher Architekten Robert Brunner vergeben worden, hieß es damals.
Seitdem ist rund ein Jahr vergangen – und so wirklich schlauer ist keiner geworden, was mit dem Areal nun passieren soll. Der Innernzeller hat den Mantel des Schweigens über seine Pläne gelegt. Nicht einmal Bürgermeister Franz Wittmann erhält Auskunft über den Stand der Dinge. Auf Hog’n-Anfrage äußert sich Wittmann leicht resigniert zur Gesamtsituation um den Stenzer-Komplex: „Herr Karl ist sehr schwer zu erreichen und gibt auch nicht wirklich Informationen heraus.“ Der Bauunternehmer wiederum lässt über sein Büro ausrichten, dass ein Architekt mit der konkreten Planung beauftragt worden sei – keine Neuigkeiten also. Nur eines lässt er durchblicken: Es wird auf jeden Fall einen Neubau geben.
„Viechtach ist für Herrn Karl ein C-Projekt“
Unter den Viechtacher Bürgern wurde in letzter Zeit diskutiert, ob nicht ein Stadtpark auf diesem Areal am sinnvollsten wäre. Damit bliebe der Stadtplatz lichtdurchflutet, eine schöne Aussicht zum höher gelegenen Krankenhaus inklusive. Doch daraus wird nichts. „Es ist nachvollziehbar, dass die Bürger einen helleren Stadtplatz als positiv wahrnehmen. Dennoch macht es keinen Sinn, die Freifläche ungenutzt zu lassen“, teilt Karls Assistentin mit.
Auch Bürgermeister Wittmann hält eine Parkfläche auf dem Stenzer-Areal für „nicht gut“, denn „es würde auf der Seite des Stadtplatzes etwas fehlen“. Er favorisiert nach wie vor die Lösung mit Läden und Wohnungen, dazu eventuell ein paar Büros oder ein Lokal. Dass ein Neubau – in welcher Form auch immer – in absehbarer Zeit realisiert wird, hält der Rathauschef für unwahrscheinlich. „Ich glaube, dass Viechtach für Herrn Karl ein C-Projekt ist, weil er bei anderen Projekten einfach mehr Rendite erzielen kann als bei uns.“
Liegt es an einem angrenzenden Grundstück?
Überhaupt ärgert sich Wittmann über das Vorgehen von Günther Karl, der ihm nach dem Kauf des Komplexes versichert habe, dass er Kommunen helfen wolle, die Entwicklungspotenzial hätten, der Fortschritt aber am Finanziellen scheitere. Viechtach sei solch eine Kommune. „Leider waren das bis jetzt nur leere Worte“, bedauert Wittmann.
Das Innernzeller Bauunternehmen sieht das anders. Mit dem Abbruch des baufälligen Gebäudes habe man die Stadt von einem „Schandfleck“ erlöst und so der Stadt schon jetzt weitergeholfen. Das reicht dem Viechtacher Bürgermeister aber nicht: „Der Abriss alleine war zwar wünschenswert, aber keine große Hilfe. Die Aussicht ist schön, aber irgendwann auch genug.“
Es lässt sich nur darüber spekulieren, woran der Neubau im Moment scheitert. Zwischen den Zeilen lässt sich erahnen, dass es möglicherweise an einem weiteren angrenzenden Grundstück liegt, das Günther Karl bisher noch nicht erwerben konnte. „Ich habe bei den Verhandlungen schon meine Hilfe angeboten, die aber bisher noch nicht angenommen wurde“, versichert Wittmann dazu.
Je länger Günther Karls Stillschweigen anhält, desto mehr Gerüchte schießen ins Kraut, was aus dem Areal werden soll. Die einen fordern ein Museum, andere ein Parkhaus. Für Auflösung kann nur Bauunternehmer Karl sorgen – nur wann der Innernzeller die liefern wird, weiß keiner so recht. Dass Bürgermeister Franz Wittmann und Bauunternehmer Günther Karl keine dicken Freunde mehr werden, scheint hingegen gesichert.
Alexander Augustin