Freyung/München/Augsburg. Für viel Wirbel sorgte der jüngste Bericht des Onlinemagazins da Hog’n über vermeintlich zu hohe Radonwerte an der Montessori-Grundschule in Freyung-Kreuzberg (zum Artikel). Während die eine Seite (Teile der Elternschaft sowie der Abensberger Schadstoff-Experte Josef Spritzendorfer) davon ausgeht, dass die Radonbelastung in dem Gebäude um ein Vielfaches überhöht sei und daher dringender Handlungsbedarf bestehe, beharrt die andere Seite (Stadtverwaltung, Montessori-Vereinsvorstand und Schulleitung) darauf, zunächst mehrere Monate dauernde „Messungen in Abstimmung mit den Experten des LfU“ durchzuführen, „damit belastbare Daten als Grundlage für bauliche Veränderungen dienen können“. Wir fragen uns indes: Welche Gesundheitsrisiken birgt das Bodengas Radon eigentlich?
Wie gefährlich ist Radon für die menschliche Gesundheit?
Das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) verweist nach Hog’n-Anfrage zum Thema Radon und dessen gesundheitliche Auswirkungen auf die Website des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) sowie die Website des Landesamts für Umwelt (LfU). Dort heißt es unter anderem:
„Radon ist ein sehr bewegliches, radioaktives Edelgas, das man weder sehen, riechen oder schmecken kann. Es entsteht beim radioaktiven Zerfall von Uran. Uran kommt zum Beispiel im Erdboden oder in Baumaterialien vor. Aus dem Erdboden gelangt Radon ins Freie und in Gebäude. Im Freien vermischt es sich schnell mit der Umgebungsluft, so dass die Radon-Konzentration dort gering ist. In Innenräumen können jedoch hohe Radon-Konzentrationen erreicht werden.
Atmet man Radon und seine radioaktiven Folgeprodukte über einen längeren Zeitraum in erhöhtem Maße ein, steigt das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Oft reichen kleine Maßnahmen aus, um den Radongehalt in Innenräumen und damit das Erkrankungsrisiko deutlich zu senken. Das Strahlenschutzgesetz verpflichtet Staat, Arbeitgeber und Bauherren zu Maßnahmen zum Schutz vor Radon.“
Weiter ist in einer BfS-Broschüre mit dem Titel „Radon – ein kaum wahrgenommenes Risiko“ zu lesen:
„Die gesundheitliche Gefährdung geht weniger vom Radongas selbst aus, das zum größten Teil wieder ausgeatmet wird, als von seinen kurzlebigen Zerfallsprodukten. Dabei handelt es sich um die ebenfalls radioaktiven Schwermetalle Polonium (Po) und Wismut (Bi), die an festen oder flüssigen Schwebeteilchen in der Luft angelagert sind. Nach dem Einatmen werden sie im Atemtrakt abgelagert und zerfallen dort. Die dabei entstehende energiereiche Alphastrahlung trifft die strahlenempfindlichen Zellen des Lungengewebes und kann die Zellen schädigen und damit eine Lungenkrebserkrankung begünstigen.
Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Radon und Lungenkrebs wurde bei Bergarbeitern, die unter Tage extrem hohen Radonbelastungen ausgesetzt waren, bereits vor vielen Jahrzehnten nachgewiesen. Radon wurde deshalb 1980 vom internationalen Krebsforschungszentrum der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als für den Menschen krebserregender Stoff eingestuft.“
Die Frage „Wie hoch ist das Krebsrisiko?“ wird vom BfS gemäß einer gemeinsamen Auswertung mehrerer europäischer epidemiologischer Studien wie folgt beantwortet:
- Eine langjährige Radonbelastung, auch in niedrigeren Konzentrationen wie sie in Wohnungen vorkommen, kann Ursache für das Auftreten von Lungenkrebs sein. Es gibt keinen Hinweis für einen Schwellenwert, unterhalb dessen Radon ungefährlich ist.
- Mit zunehmender Radonkonzentration in den Aufenthaltsräumen steigt das Risiko für Lungenkrebs gleichermaßen (proportional) an.
- Radon und Rauchen verstärken wechselseitig ihre Wirkung. Deshalb haben Raucherinnen und Raucher ein besonders hohes Lungenkrebsrisiko durch Radon. Man geht davon aus, dass sich deren ohnehin hohes Lungenkrebsrisiko je 1.000 Bq/m3 verdoppelt. Dies gilt entsprechend auch für das geringere Risiko bei Nichtrauchern.
- Radon in Wohnungen gilt nach Rauchen als zweithäufigste Ursache von Lungenkrebs. Eine Studie aus dem Jahr 2006 schätzt, dass fünf Prozent der in Deutschland auftretenden Lungenkrebsfälle, etwa 1.900 von 37.000, dem Radon zugeschrieben werden können
Aus den Studien werde zudem abgeleitet, dass sich das Lungenkrebsrisiko um zehn Prozent erhöht, wenn die Radonkonzentration der Raumluft um 100 Becquerel pro Kubikmeter zunimmt.
Zerfällt Radon bei Sonneneinstrahlung?
In der lokalen Presse wurde Freyungs Bürgermeister Olaf Heinrich jüngst in einem Artikel zur Kreuzberger Montessori-Grundschule mit den Worten zitiert, dass „das Gas Radon, das im Bayerwald durch nicht entsprechend zum Erdreich abgedichtete Böden in die Räume steigen kann, bei Sonneneinstrahlung zerfalle und es daher ein Problem vor allem in den Kellerräumen des alten Schulgebäudes geben könne“. Auf Nachfrage teilt uns das Bayerische Landesamt zu dieser Aussage mit: „Radioaktivität bezeichnet die Eigenschaft bestimmter Atomkerne, sich ohne äußere Einwirkung in andere Kerne umzuwandeln und dabei energiereiche Strahlung auszusenden („radioaktive Atomkerne“). Radioaktive Atomkerne (z.B. Radon) zerfallen spontan, d.h. ohne jeden äußeren Anlass – auch nicht durch Sonneneinstrahlung.“
Welche Grenzwerte gibt es von behördlicher Seite?
Dazu teilt uns ein Sprecher des Landesamts für Umwelt (LfU) mit:
„Das Strahlenschutzrecht legt einen sogenannten Referenzwert für die Radonkonzentration in der Luft in Wohnräumen und an Arbeitsplätzen fest. Er beträgt 300 Becquerel pro Kubikmeter Luft und bezieht sich auf den Jahresmittelwert der Radonkonzentration (§§ 123 und 126 StrlSchG). Wird der Referenzwert an Arbeitsplätzen überschritten, muss dort die Radonkonzentration mit geeigneten Maßnahmen gesenkt werden (§ 128 StrlSchG). Auch wenn der Referenzwert deutlich überschritten wird, sieht das Strahlenschutzrecht nicht vor, den Gebäudebetrieb einzustellen.“
Ein Recht, den Gebäudebetrieb einzustellen, gebe es generell nicht, so der Sprecher weiter.
Wie steht es um die regionale Radon-Verteilung in der BRD?
Wie das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) informiert, kommt Radon innerhalb Deutschlands im Boden regional in unterschiedlichen Konzentrationen vor.
Ursache ist, dass Uran und Radium, bei deren Zerfall Radon entsteht, in Deutschland regional in unterschiedlichem Maße vorkommen und der Boden regional unterschiedlich durchlässig für Radon ist. Das BfS hat Karten zur regionalen Verteilung von Radon im Boden erstellt. Aussagen zu Einzelgebäuden sind aus den Prognosekarten niemals ableitbar, sondern können nur durch Messungen im jeweiligen Gebäude getroffen werden.
Datenbasis für die Karte sind Messungen an insgesamt 2.346 geologisch repräsentativen Messpunkten in Deutschland, die zwischen 1992 und September 2003 stattfanden. In Gebieten, in denen aufgrund ihrer geologischen Eigenschaften mit einer höheren Radon-Konzentration zu rechnen ist, lagen die Messpunkte dabei dichter beieinander als in den übrigen Regionen.
Wie kann man sich vor Radon schützen?
Dazu informiert das BfS: Wenn sich zu viel Radon im Haus befindet, hilft es als Erstmaßnahme, regelmäßig und intensiv zu lüften. Da hohe Radon-Konzentrationen in der Regel dadurch entstehen, dass aus dem Baugrund radonhaltige Bodenluft eindringt, sollten
- neue Gebäude durchgehend gegen Bodenfeuchte und damit auch gegen das Eindringen von Radon abgedichtet und
- undichte Stellen in Bestandsgebäuden identifiziert und beseitigt werden.
Auch das Absaugen radonhaltiger Bodenluft unter oder neben dem Gebäude kann helfen, ebenso der Einbau technischer Lüftungsanlagen. „Nur Messungen können zeigen, ob die Konzentration von Radon in einem Gebäude Schutzmaßnahmen erfordert“, betont das Bundesamt für Strahlenschutz.
Wann ist ein Gebäude besonders gefährdet?
Ob ein Gebäude besonders anfällig dafür ist, dass sich hohe Radon-Konzentrationen darin anreichern, hängt von verschiedenen Faktoren ab – zum Beispiel von der Lage des Gebäudes, seiner Isolation gegen Feuchte aus dem Boden und seiner Unterkellerung. Das BfS hat die wichtigsten Risikofaktoren in einer Übersicht zusammengestellt.
da Hog’n