Dass durch den Klimawandel Extremwetterereignisse vermehrt auftreten, ist mittlerweile wöchentlich in den Medien nachzulesen. Stürme, Orkane, extreme Dürren – auch Niederbayern blieb davon nicht verschont. In Deutschland erlebten wir zuletzt den zweitheißesten Sommer seit Aufzeichnungsbeginn. An unserem Körper gehen solche klimatischen Veränderungen keineswegs spurlos vorbei. Wie derartige Entwicklungen die Gesundheit der Leute beeinflussen, hat unlängst – als erste in ganz Europa – ein österreichisches Forscherteam aus 66 Wissenschaftlern herausgefunden. Der Special Report des Austrian Panel on Climate Change wurde interdisziplinär von einem Team aus Medizinern, Klima- und Demographie-Experten erarbeitet. Nicht nur die Zahl der Hitzetoten wird demnach künftig ansteigen, auch auf Allergien und Unverträglichkeiten dürfen wir uns in den nächsten Jahrzehnten vermehrt einstellen.

„Gletscherchen“ unterhalb der Zugspitze: Konnte man vor 20 Jahren hier noch im Sommer problemlos Skifahren, ist vom einst so stolzen Gletscher nicht mehr viel übrig. Foto: da Hog’n
Wien, 13. September, eigentlich Frühherbst. Die Alpenrepublik verzeichnete unlängst den heißesten Mai seit 1868 – und es soll nun etwas getan werden gegen die globale Erhitzung. An diesem besagten Donnerstag treten deshalb Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), der Chef des Klima- und Energiefonds, Ingmar Höbarth, und Willi Haas von der Universität für Bodenkultur (BOKU) vor die Presse und präsentieren den druckfrischen Special Report. Trotz geöffnetem Fenster stehen allen dreien die Schweißperlen auf der Stirn. Denn an diesem eigentlich frühherbstlichen Tag zeigt das Thermometer 30 Grad Celsius an.
5,5 Grad mehr bis zum Ende des Jahrhunderts
Nun ist Österreich aktuell nicht gerade dafür bekannt, in Sachen Klimaschutz unglaublichen Enthusiasmus an den Tag zu legen. In der Vergangenheit wurden – entgegen zahlreicher Einwände – diverse klimaschädliche Projekte umgesetzt: Schließlich müsse ja die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleiben. Dass Österreich nun als erstes Land einen Bericht zum Zusammenhang zwischen Klima-Erhitzung und Gesundheit darlegt, überrascht dennoch nicht: Hofft man den Temperaturanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts global gesehen unter zwei Grad halten zu können, steht Österreich vor einer besonderen Herausforderung. Aufgrund der alpinen Lage rechnet man hier mit einem Anstieg von bis zu 5,5 Grad.

Bei der Präsentation des Klimaberichts (v.l.): Der Chef des Klima- und Energiefonds, Ingmar Höbarth, Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und der leitende Wissenschaftler Willi Haas. Foto: da Hog’n
Auch dieser österreichische Sommer wird wieder als „Rekordsommer“ in die Geschichte eingehen. Das werde gravierende Auswirkungen auf Flora, Fauna und Gesundheit der Bevölkerung haben, wie der Report detailliert aufzeigt. Zukünftig rechne man mit einem drastischen Anstieg von „Hitze, Allergien, Extremwetterereignissen und neuen invasiven Insektenarten“, erklärt Ministerin Köstinger. Ein Blick in den Special Report des Austrian Panel on Climate Change verrät: Die Zahl der Hitzetage wird sich bis 2050 verdoppeln. Das an Niederbayern angrenzende Mühlviertel habe gar mit einer Vervierfachung zu rechnen.
Vor allem für Allergiker sei das kein Grund zur Freude. Leiden derzeit rund 20 Prozent der Österreicher unter Pollenallergien, werden es in den nächsten Jahren bis zu 50 Prozent sein, warnen die Forscher. Zudem erwartet man ein vermehrtes Aufkommen subtropischer und tropischer Stechmücken-Arten – potenzielle Träger von Krankheiten, die in diesen Breitengraden bis dato unbekannt sind. Aufgrund vermehrter Extremwetterereignisse befürchte man Einbußen bei der heimischen Wasserqualität. Auch das Auftreten neuer Infektionskrankheiten sei in diesem Zusammenhang wahrscheinlicher geworden.
Zehn Prozent mehr Todesfälle an Hitzetagen
Besonders drastisch werden die klimabedingten Veränderungen mit Blick auf die zu erwartende Zahl der Hitzetoten ausfallen. „2017 mehr Hitze- als Verkehrstote in Österreich“ titelte der Standard im vergangenen Jahr. Knapp 600 Personen starben 2017 an den Folgen der klimatischen Erwärmung.
Forscher warnten schon damals: Bald könnten es jährlich bis zu 1.200 werden. Darf man dem unlängst veröffentlichten Special Report Glauben schenken, dürften es in den nächsten Jahrzehnten gar bis zu 3.000 Todesfälle jährlich sein. Auf Gesamteuropa ausgeweitet, rechnet man sogar damit, dass sich die Zahl der Klimatoten mit rund 152.000 Fällen bis zum Ende des Jahrhunderts verfünfzigfachen wird.
Auch wenn für Deutschland entsprechende Daten nicht in dieser Tiefe vorliegen, zeichnet sich hierzulande ein ähnliches Bild. In Zukunft rechne man mit einer „Beeinträchtigung der Qualität und Quantität von Trinkwasser und Lebensmitteln“, „verändertem bzw. verlängertem Auftreten biologischer Allergene (zum Beispiel Pollen) sowie von tierischen Krankheitsüberträgern wie Zecken oder Stechmücken“, heißt es von Seiten des Umweltbundesamts.
Eine vielbeachtete Studie vom September 2018 im Journal of Environmental Economics and Management zeigt für die Bundesrespublik: Klettern die Temperaturen auf über 30 Grad Celsius, steigt die Zahl der Todesfälle um rund zehn Prozent, die der Krankenhauseinlieferungen um fünf Prozent. In besonders heißen Regionen Deutschlands fallen diese Effekte geringer aus als in eher kühleren. Bis zu 40 Millionen Euro zusätzlich kostet so ein Hitzetag. Darunter fallen Behandlungskosten oder Kosten, die durch das Fernbleiben vom Arbeitsplatz entstehen.
Landwirte in Bayern vor Herausforderungen

Willi Haas von der Universität für Bodenkultur (BOKU), Leiter der Studie, veranschaulicht die Ergebnisse mittels zahlreicher Diagramme. Foto: Da Hog’n
Stellt man sich in Österreich auf 5,5 Grad Celsius mehr pro Jahr ein, sind es in Bayern immer noch 4,5 Grad, die es bis zum Jahrhundertende wärmer werden soll. Setzt sich der bisherige Trend fort, gehen Forscher davon aus, dass es im Freistaat irgendwann keinen einzigen Eistag (durchschnittliche Tagestemperatur unter 0 Grad Celsius) mehr geben werde.
Im Verlaufe des 20. Jahrhunderts lag die Durchschnittstemperatur in unseren Breitengrad relativ konstant bei 7,5 Grad Celsius – in den letzten zehn Jahren stieg diese auf 8,9. Dadurch wird sich Flora und Fauna in weiten Teilen Bayerns grundlegend verändern. Extremwetterereignisse wie Stürme, Dürren und Überschwemmungen durch Starkregen werden zunehmen. Auch den Gletschern macht die Hitze zu schaffen, diese sind seit Jahrzehnten im Schwinden begriffen. Für die Landwirte werden neben Dürren und extremen Niederschlägen neue, bisher in Bayern unbekannte Schädlingsarten zunehmend zur Herausforderung.
Grund zur Freude haben nur die Hersteller von Ventilatoren und Klimageräten: Deren Verkaufszahlen gehen derzeit durch die Decke. Daran dürfte sich wohl so schnell auch nichts ändern…
Johannes Gress