Passau. 200 wurden erwartet, 1.300 sind laut Polizeiangaben gekommen. Die Rede ist von der ersten Fridays-For-Future-Demo in Passau am 8. Februar. Für Freitag, 15. März, rufen die Initiatoren der Protestbewegung nun erneut zum Schulstreik auf. Genau wie in 90 weiteren Ländern wollen Passauer Schüler und Jugendliche darauf aufmerksam machen, dass Regierungen dieser Welt gerade leichtfertig die Zukunft verspielen – ihre Zukunft. Julia Knott (18) und Sina Raab (17) besuchen beide die 12. Klasse des Gisela-Gymnasiums. Obwohl erst Ende April die ersten Abiprüfungen auf sie warten, haben sie derzeit alle Hände voll zu tun, denn: So eine Protestbewegung braucht viel Zeit und Energie. Ein Gespräch über Klima, eine „tolle Geografie-Lehrerin“ – und Christian Lindner…
Bei der Demo im Februar habt ihr 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet – gekommen sind rund 1.300. Wie viele werden es denn dieses Mal?
Sina Raab: Wir rechnen erneut mit etwa 200 Teilnehmern – wissen jedoch nicht genau, wie viele es letzten Endes werden. Aber wir hoffen, dass wieder genau so viele kommen wie beim ersten Mal. Doch das könnte schwierig werden…
Dann haben wir uns gedacht: Warum machen wir es nicht selbst?
Ihr schätzt also lieber etwas konservativer und lasst euch dann positiv überraschen?
Sina Raab: Genau!
Nun gilt Passau – mit Ausnahme des alljährlichen Aschermittwochs – doch eher als unpolitische Ecke Deutschlands: Wie mobilisiert ihr denn die Leute für diese Demo?
Julia Knott: Es läuft viel über Social Media, sprich Instagram und Facebook. Und weil Passau jetzt keine so große Stadt ist, kennt man sich auch untereinander: Da wird viel weitererzählt. Wir haben zudem zwei WhatsApp-Gruppen, mit denen wir die Teilnehmer vernetzen.
Trefft ihr euch auch abseits der Demonstrationen?
Julia Knott: Ja, wir hatten diese Woche ein erstes Organisationstreffen. Zuvor haben Sina und ich eigentlich alles – außer Social Media – alleine auf die Beine gestellt. Wir haben jedoch festgestellt, dass der Aufwand – neben der Schule -doch recht hoch ist. Und ja, klar, tauschen wir uns auch im Privatem stark aus.
Wie läuft denn die Organisationsarbeit, die ihr da im Hintergrund leistet, konkret ab? Wie zeitaufwendig ist das alles?
Sina Raab: Die Organisation ist durchaus zeitaufwendig. Julia meldet die Demonstrationen immer beim Ordnungsamt der Stadt Passau an. Vor der ersten Demo hatten wir auch ein Gespräch mit der Polizei. Ich schreibe dann die Pressemitteilungen und schick sie raus. Das klappt eigentlich ganz gut.
Wie seid ihr eigentlich dazu gekommen? Wie hat das Ganze angefangen?
Julia Knott: Sina hatte mich eines Abends angerufen und meinte, sie habe Greta Thunbergs Bewegung auf Instagram entdeckt. Wir waren uns beide sofort einig, dass das eine coole Aktion ist. Und dass wir’s schade finden, dass es kein Fridays For Future in Passau gibt. Dass wir hier generell keine Organisationen haben, die sich mit solchen Themen befassen. Dann haben wir uns gedacht: Warum machen wir es nicht einfach selbst? Irgendjemand muss doch mal einen Anfang machen. Nur rumsitzen und jammern bringt nichts. Unser Entschluss stand fest: Wir machen das!
„Es gibt da auch großen Druck von oben…“
Großes Streitthema ist immer das Thema „Schule schwänzen“. Ist das an eurer Schule ein Problem?
Julia Knott: Wir sind auf jeden Fall im Gespräch mit den Schulleitern – mittlerweile auch von anderen Schulen. Unser Direktor hat uns anfangs total unterstützt. Zurzeit sind ihm etwas die Hände gebunden, denn: Er kann so etwas natürlich nicht immer zulassen. Es gibt da auch großen Druck von oben, vom Kultusministerium, die den Schulleitern – zumindest indirekt – sagen, dass sie uns nicht mehr vom Unterricht befreien dürfen – oder sollen. Da können unsere Direktoren auch nicht viel daran ändern. So ein Bescheid müsste dann schon von weiter oben kommen. Genau das hoffen wir zu erreichen.
Wird denn das Thema Klimawandel auch im Unterricht diskutiert?
Sina Raab: An unserer Schule wird’s auf jeden Fall diskutiert, vor allem im Erdkunde-Unterricht. Wir haben da eine recht tolle Lehrerin, die dieses Thema häufig anspricht und sich Zeit nimmt, um uns darüber aufzuklären. Aber der größte Teil, würde ich mal behaupten, fällt in den Freizeitbereich.
Fridays For Future wird immer wieder kritisiert als eine „Schulschwänzer“-Bewegung. FDP-Chef Christian Lindner meinte unlängst, das Thema Klimawandel sei für Kinder und Jugendliche zu komplex, ihr solltet euch lieber mit etwas anderem beschäftigen…
Sina Raab: (lacht) Also das mit dem „Schule schwänzen“ haben wir zu entkräften versucht, indem wir eine Fridays-for-Future-Demo während der Faschingsferien durchgeführt haben. Wir hoffen, dass uns das gelungen ist, weil wir auch da die gleiche Teilnehmerzahl wie bei der Demonstration vor den Ferien hatten. Und das, obwohl das Wetter nicht das beste war.
Ich denke, jeder muss irgendwann einmal damit anfangen, sich mit dem Thema Klimawandel zu beschäftigen. Ob das jetzt auf einer wissenschaftlichen Basis oder im Alltag stattfindet, ist dabei nicht wichtig. Viel wichtiger ist, dass jeder mit dem Thema in Berührung kommt. Wie sehr man sich dann einarbeiten und sich informieren möchte, muss jeder selbst entscheiden.
Ich finde politisches Engagement von Schülerinnen und Schülern toll. Von Kindern und Jugendlichen kann man aber nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen. Das ist eine Sache für Profis. CL
— Christian Lindner (@c_lindner) March 10, 2019
Julia Knott: Jahrelang wurde kritisiert, dass sich die Jugend nicht für die Politik interessiert, dass wir politikfaul sind. Jetzt, da wir uns interessieren und aktiv die Politik – auch ohne Wahlen – beeinflussen möchten, wird kritisiert, dass wir uns engagieren. Ich denke, dass eine Demokratie von der Bürgerbeteiligung lebt. Nur weil wir noch nicht wählen dürfen, sind wir trotzdem gleichberechtigt und haben das Recht dazu, uns an der Zukunft der Erde zu beteiligen. Es geht ja um unser Leben – und wie’s künftig ablaufen wird!
„Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen“
Es ist derzeit ein konkreter Forderungskatalog eurer Organisation im Gespräch: Was steht da drin geschrieben?
Sina Raab: Wir haben den noch nicht ganz ausgearbeitet, aber wir sind gerade dabei. Wir haben unser Organisationsteam etwas erweitert und hoffen, dass wir das in den nächsten Wochen hinbekommen.
Julia Knott: Wir haben uns überlegt Experten einzuladen, die sich mit diesem Thema auskennen und schon öfters damit in Berührung gekommen sind – beispielsweise den Umweltbeauftragen der Stadt Passau. Dann schauen wir, was im Bereich des Möglichen ist. Wir wollen keine Forderungen stellen, die niemand erfüllen kann, sondern welche, die umsetzbar sind – und deshalb auch gemacht werden müssen! Zunächst gilt es also diese Experten ausfindig zu machen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und dann konkrete Forderungen zu formulieren.
Wie wird’s denn für Fridays For Future Passau nach dem kommenden Freitag weitergehen?
Sina Raab: Wir haben geplant, dass wir jeden ersten und dritten Freitag im Monat in Passau eine Demonstration abhalten. Da sind wir gerade im Gespräch mit den Schulleitern, damit wir eine passende Lösung finden. Sollte dies ergebnislos verlaufen, müssen wir natürlich trotzdem schauen, dass die Bewegung weitergeht. Da dürfen wir uns nicht einschüchtern lassen – nicht von Kritikern und auch von den Schulen nicht.
Julia Knott: Wir haben noch weitere Aktionen im Hinterkopf, um etwaige Kritik vom Tisch zu räumen, dass wir eh nur demonstrieren und nicht wirklich handeln würden. Manche dieser Aktionen wird es erst geben, wenn das Wetter wieder schöner wird. Andere folgen bereits in nächster Zeit. Um präsent zu bleiben und zu zeigen: Wir handeln auch!
Vielen Dank für Eure Zeit und weiterhin alles Gute. Bleibt Euch treu.
Interview: Johannes Gress
- Offizielle Pressemitteilung: „Wir streiken, bis ihr handelt“ – großer Klimastreik zum Bericht der Kohlekommission