Freyung-Grafenau/Vorderfirmiansreut. Das vom Landkreis Freyung-Grafenau neu ausgearbeitete ÖPNV-Konzept, das zum 1. September in Kraft getreten ist und seit dem Schulbeginn (12. September) seine erste, richtige Feuerprobe zu bestehen hat, sorgt aktuell für heftige Kontroversen in der Region. „Es ist ein Wahnsinn!“, „Liebe Entscheidungsträger, haben Sie eigentlich eigene Kinder, die Ihre Neuregelung mittragen müssen?“, „Absolute Frechheit“ – diese und viele weitere, teils höchst emotionale Rückmeldungen anlässlich einer Umfrage auf der Hog’n-Facebook-Seite machen deutlich, dass insbesondere die Neuregelung des Schulbusverkehrs (vor allem bei den Eltern) für arges Kopfschütteln und gar wenig Verständnis sorgt. Auch an die Hog’n-Redaktion haben sich zwei Mütter gewandt, die ihrem Unmut Luft verschaffen. Ihr Wunsch: anonym zu bleiben, da sie Konsequenzen fürchten – vor allem für ihre Kinder.
„Das alte System hat einwandfrei funktioniert“
„Der Zustand an der Busbucht in Freyung ist katastrophal. Vor allem die Kleinen müssen sich durchkämpfen, um überhaupt in den Bus zu kommen“, schreibt uns eine besorgte Mutter aus der Gemeinde Hinterschmiding und schickt sogleich ein Foto vom überfüllten Busparkplatz in Freyung-Oberndorf (nahe dem Schulzentrum) mit. Eine weitere Mama meldet sich telefonisch: Ihr achtjähriger Sohn ist – seitdem das neue ÖPNV-Konzept gilt – morgens über eine Stunde unterwegs, um von Vorderfirmiansreut in der Gemeinde Mauth-Finsterau nach Hohenau zu kommen, wo er die Regelklasse besucht. „Früher wurde er auf dem direkten Weg, also über Mauth, dorthin gebracht. Seit dem neuen Schuljahr muss er zunächst nach Freyung – und erst von dort aus geht es nach Hohenau“, erklärt sie. Sie habe deshalb bereits (vergeblich) Kontakt zum Landratsamt aufgenommen und auch die Polizei darüber informiert, dass vor allem der Bus von Vorderfirmiansreut nach Freyung „mehr als voll“ sei.
Fast schon resigniert beteuert sie, „dass man an der akuellen Situation nichts mehr ändern kann“. Die Frage, die sie beschäftigt: „Warum hat man sich überhaupt die Arbeit gemacht und ein neues ÖPNV-Konzept ausgearbeitet, wenn das alte System eh einwandfrei funktionierte?“ Vor einiger Zeit hatte sie sich dazu entschlossen, ihren Buben nicht in die Kombiklasse nach Mauth zu schicken, sondern in die Regelklasse nach Hohenau. „Denn dort kann er sich besser entwickeln.“ Eine übliche Vorgehensweise innerhalb des Schulsprengels der Lusengemeinden, die nun jedoch mit gewissen Schwierigkeiten verbunden ist. „Es kann nicht sein, dass so etwas angeboten wird – und dann der Transport so dermaßen schiefgeht.“
In den Sozialen Netzwerken bildet sich Widerstand
Auf Hog’n-Nachfrage bestätigt auch Uta Hoffmann, Leiterin der Grund- und Mittelschule Hohenau, dass das neue ÖPNV-Konzept einige Schwierigkeiten mit sich bringe. „Inzwischen hat sich das Ganze jedoch einigermaßen eingespielt“, erklärt die Lehrerin. „Man darf das neue System nicht komplett verteufeln. Wir brauchen Flexibilität – und diese haben wir durch die neuen Linien.“ Hoffmann habe den Hausmeister eigens dazu angewiesen, die Schüler dabei zu unterstützen, in welchen Bus sie wann einzusteigen haben. Wartezeiten könnten problemlos mit Hausaufgabenbetreuung überbrückt werden, sodass Uta Hoffmann davon ausgeht, dass mit etwas Anlaufzeit der Schülertransport reibungslos funktionieren wird.
In eine andere Kerbe schlägt ein Bürger aus der Gemeinde Hohenau, der jüngst die Facebook-Seite „Bürgerinitiative gegen ÖPNV im Landkreis FRG“ ins Leben gerufen hat. Auch er möchte anonym bleiben, möchte sich und seine Familie schützen. Gegenüber dem Onlinemagazin da Hog’n erklärt er: „Meine Schwester ist von der Schule nach Hause gekommen und hat mir davon berichtet, dass es drunter und drüber geht – sowohl an den Haltestellen als auch in den Bussen. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, gegen das neue ÖPNV-Konzept was zu unternehmen und habe diese Facebook-Seite gegründet.“
Das sagt die Polizei: „Theorie und Praxis nicht immer identisch“
„Die Beamten der PI Freyung überwachen – wie auch in den Vorjahren – insbesondere zu Schulbeginn den Schulweg samt Schulbusverkehr“, teilt Walter Hoffmann von der Polizeiinspektion Freyung auf Hogn-Anfrage mit. „Die Verkehrsüberwachung im Bereich der Schulwege werde darüber hinaus das ganze Schuljahr durchgeführt. Dies gelte auch bezüglich der transportierten Personen in Schulbussen im Allgemeinen, sagt Hoffmann. „Zudem wird im Einzelfall auch bei Mitteilungen etwa durch besorgte Eltern eine ganz gezielte Kontrolle der gemeldeten Busse durchgeführt – auch bezüglich der gesetzlich zugelassenen und amtlich genehmigten Stehplätze.“
66 Kommentare, 149 Teiler, 135 Reaktionen – die Hog’n-Umfrage ging viral:
https://www.facebook.com/dahogn/photos/a.436383573054118.121107.429530587072750/2078634518829007/?type=3&theater
„Ziel des neuen ÖPNV Konzeptes ist die Verbesserung des öffentlichen Transportes zum Vorteil aller Bürger und vor allem auch der Schulkinder“, berichtet Hoffmann weiter. „Diesbezüglich gab es immer wieder Beschwerden bzw. Verbesserungswünsche. Mit einem Kraftakt sind die Verantwortlichen dieses Anliegen angegangen. Theorie und Praxis sind nicht immer identisch und daher ergeben sich aktuell Herausforderungen, an denen man mit Hochdruck arbeitet.“ Auch am alten System seien über Jahre hinweg Verfeinerungen vorgenommen worden, was aktuell auch am neuen System gemacht werde. Dabei stehe vor allem die Verkehrssicherheit für alle Beteiligten im Fokus. „Alle Anliegen bzw. Sorgen Beteiligter werden ernst genommen, an deren zeitnahen Lösung wird gearbeitet.“
Das sagt das Landratsamt: „Alle müssen sich neu orientieren“
Seit Umsetzungsbeginn des neuen ÖPNV-Konzepts wurden insgesamt 18 neue ÖPNV-Linien eingeführt, teilt Karl Matschiner vom Landratsamt Freyung-Grafenau auf Hog’n-Nachfrage mit. „Mehr als 30 Busse fahren täglich auf neuen Linienwegen und teilweise zu leicht geänderten Zeiten. Dies stellt alle vor große Herausforderungen“, erklärt der Behördensprecher weiter. „So tragen die Buslinien neue Nummern und haben andere Laufwege. Dies bedeutet: Alle müssen sich neu orientieren. Da zumindest teilweise auch andere Unternehmer die Verkehrsleistung erbringen als zuvor, müssen sich die Fahrgäste und Schulkinder an den Liniennummern und Zielschildern an den Bussen orientieren.“ Dies führt Matschiner zufolge insbesondere an Orten, an denen viele Linien und Fahrgäste zusammentreffen, zu erhöhtem Orientierungsaufwand.
Die Auslastung der Busse sei stark unterschiedlich und werde insbesondere gerade jetzt in der Anlaufphase genau analysiert. „Hierbei zeichnt sich ab, dass auf einigen Strecken unvermutete Kapazitätsengpässe entstehen und auf anderen die Auslastung nicht so hoch ist. Die eingehenden Meldungen der Unternehmer werden daher täglich ausgewertet, ebenso wie die eingehenden Anrufe in der Mobilitätszentrale des Landkreises“, berichtet Matschiner. Dort seien mehrere Damen an den Servicetelefonen tätig, um Auskunft zu geben und die eingehenden Anregungen und Beschwerden an die Busunternehmen und die Fahrplanung zu übermitteln (Telefon: 08551/57 319 oder -320)
Um möglichst schnell Abhilfe zu schaffen, haben die Verkehrsunternehmen eine unternehmensübergreifende Planung aufgesetzt, die vor Ort die gemeldeten Kapazitäten und die Nachfrage abgleicht und gegebenenfalls Fahrplanänderungen vornimmt oder den Einsatz von Verstärkerbussen organisiert. „Wir befinden uns nach nun einer Woche Schulbetrieb und den ersten regulären Schultagen in der Anlaufphase. Fahrtenangebot, Fahrtenauslastung und Kundenanregungen werden tagesaktuell bearbeitet und in Fahrplanänderungen oder Änderungen der Wageneinsatzpläne umgesetzt. Der Fahrplan lebt und wird weiter verbessert“, heißt es aus dem Landratsamt.
Die Busunternehmer hüllen sich in beredtes (?) Schweigen
Einige Busunternehmer, die das Onlinemagazin da Hog’n gerne zum Thema befragt hätte, möchten sich derzeit öffentlich nicht zum neuen ÖPNV-Konzept äußern.
da Hog’n