Passau. „Abstractyss“ – der Name ist Programm bei der niederbayerischen Death-Metal-Truppe. Dunkel, düster, melancholisch. Tod und Abgründe. Doch es lohnt, hinter die finstere Fassade der Passauer Band zu schauen, denn von dort kommt ein tiefgründiger und vor allem hörenswerter Ansatz zum Vorschein. Welche Rolle unter anderem auch klassische oder Neue Musik für die Band spielt und was sie inspiriert, erzählt stellvertretend Matthias Schuller im neunten Teil unserer Hog’n-Serie „Musik im Blut„.
Matthias: Wer seid ihr und wie alt? Woher kommt euer Bandname und was bedeutet er?
Wir sind Michael Schmidbauer (Gitarre), Matthias Schuller (Gitarre) und André Schult (Gesang). Wir sind zwischen 25 und 30 Jahre alt. Den Bandnamen „Abstractyss“ habe ich erfunden. Ich habe ihn mir ausgedacht, weil er das Abstrakte mit dem Abgrund – das englische Wort „abyss“ heißt Abgrund – vereint. Wir finden, dass dies genau zu unserer Musik passt.
Matthias Schuller: „Fastfood-Listening ist bei uns unangebracht“
Von wem wurdet ihr gegründet?
Michael Schmidbauer und ich haben Abstractyss bereits 2011 gegründet. Zuerst haben wir Songs geschrieben und parallel dazu nach passenden Mitmusikern gesucht. Nach einigen Besetzungswechseln fanden wir Anfang 2016 mit André Schult unseren idealen Sänger. Wir drei haben uns gesucht und gefunden – und machen genau die Musik, die wir schon immer machen wollten.
Vor der Aufnahme unserer ersten Scheibe mussten wir uns allerdings noch von unserem Schlagzeuger trennen. Wir sind daher aktuell ohne Drummer live unterwegs, doch wir lassen uns deswegen nicht unterkriegen. Falls ein Schlagzeuger dies hier liest und Bock hat bei uns einzusteigen: Bitte melden!!
Wie würdet ihr euren Musikstil beschreiben?
„Experimente“
Wir machen Death Metal. Bei uns kommen viele unterschiedlichen Einflüsse zusammen, von Old-School-Bands wie Cannibal Corpse, Morbid Angel, Death, Gorguts etc. bis hin zu moderneren Combos wie Necrophagist, Fleshgod Apocalypse, Behemoth, Hate usw. Wir verbinden das mit weiteren Einflüssen aus Thrash- und Black Metal.
Außerdem interessieren wir uns für Klassik und experimentieren einfach gerne. Metal ist der klassischen Musik sehr nahe und lässt sich wunderbar transformieren. Es ist schön, klassische Musik zu hören und sich dabei vorzustellen, wie das jeweilige Stück in einer Bandformation klingen würde.
Wir holen uns gerne Inspirationen aus verschiedenen Musikarten. Daher spielt ebenso Jazz und – mehr noch – Neue Musik wie etwa im Stile von Xenakis oder Stockhausen eine wichtige Rolle. Dabei denkt man aber das Ganze wieder etwas anders um. Sie bieten sehr viel Inspirationsspielraum für neue, düstere und verwinkelte Parts in unseren Stücken.
Uns gefällt grundsätzlich Musik, die man sich mehrmals anhören muss, um alle Einzelheiten zu entdecken. Denn genauso ist es bei uns: Man entdeckt viele Details, Kombinationen und Hintergründe erst nach mehrmaligem Hören. Fastfood-Listening ist daher unangebracht. Der Zuhörer soll unter anderem dazu aufgefordert werden, sich mit unserer Musik auseinanderzusetzen.
Selbstverständlich mögen wir dazwischen aber auch immer wieder In-die-Fresse-Riffs. Abwechslung ist uns sehr wichtig. Wir arbeiten stets an unserer musikalischen Verrücktheit, die sich weiterentwickeln soll.
„Bei uns wird nichts einfach so dem Zufall überlassen“
Was macht ihr, wenn ihr nicht Musik macht?
Wir sind alle drei in unterschiedlichen Jobs beschäftigt und verbringen in den freien Minuten viel mit Bandaktivitäten oder tüfteln an unserem Equipment herum.
Habt ihr bereits Veröffentlichungen?
Wir haben am 28. Oktober 2017 unser Debütalbum veröffentlicht, das bei Lukas Haidinger in seinen Deep Deep Pressure Studios in Braunau am Inn aufgenommen wurde. Es heißt „Beyond Nuclear Dreams“. Die heile Welt ist gestorben und hinter verrotteten Träumen verbirgt sich der Wahnsinn, der der Menschheit nicht sichtbar ist. Die elf Tracks sind nach jahrelanger Feilarbeit sehr detailliert und durchdacht – und bieten jede Menge Abwechslung.
Bei uns wird nichts einfach so dem Zufall überlassen. So behandelt ein Song etwa die Geschichte eines Menschen, der neben seiner normalen Persönlichkeit noch zwei zusätzliche besitzt. Diesen ist jeweils ein Hauptriff in dem Song zugeteilt. Am Schluss verschmelzen die beiden Hauptteile – die Band ist dabei in zwei Gruppen aufgeteilt -, ebenso verschmelzen die beiden wahnsinnigen Geisteszustände in der Geschichte. Somit gipfelt dieser Song im absoluten Wahnsinn. Es lohnt sich jedenfalls das komplette Album zu durchforsten.
Eine akustische Geschmacksprobe:
Zwei der elf Songs auf „Beyond Nuclear Dreams“ sind rein instrumental und geben dem Hörer die Möglichkeit, die Musik auf eine ganz eigne Art zu erleben und auch den Alltag anders zu betrachten. Es sind in diese Tracks Alltagsgeräusche eingebracht worden, die echt sind und durch Field-Recording aufgenommen wurden, etwa die Müllpressen im Finale von „Fog Swamp“ oder der Glascontainer-Sound in „A Flying Whale Beneath the Surface of Unnatural Water“. So bekommt der Zuhörer Bekanntes aus dem Alltag auf die Ohren – und lässt ihn an diesen eventuell mal etwas anders herangehen, weil er erkennt, wie musikalisch dieser sein kann.
„Es gibt keinen Stillstand, immer muss sich etwas bewegen“
Welche Themen behandelt ihr in euren Liedern?
Wir befassen uns überwiegend mit Themen, die von menschlichen Abgründen handeln oder auf diese zu projizieren sind. Des Weiteren widmen wir uns sehr gerne Dingen wie Tod, Wahnsinn, Naturkatastrophen und Interpretationen von Horrorliteratur bzw. auch der Vermischung von allem. Dem Zuhörer bleibt es oft selbst überlassen, herauszufinden auf welche Weise die Texte zu interpretieren sind. Ihm soll ja schließlich nicht langweilig werden.
Zudem untermauern wir diese Thematiken und die Musik gerne mit unserem recht finster gehaltenen Bühnenauftreten. Es ist für uns wichtig keine einfachen Standardtexte zu schreiben – und es soll zu unserer Musik passen. Warum wir diese Themen behandeln? Sie sind für uns einfach faszinierend und spielen auf die Abgründe der Menschheit an, zu der wir ja alle gehören…
„Deutsch unpassend“
Warum singt ihr auf Englisch?
Bei uns gibt’s nur englische Texte. Gegen deutsche oder Mundart-Texte haben wir zwar absolut nichts, aber bei uns fänden wir sie total unpassend.
Wo seht ihr euch in einem Jahr?
Wir versuchen uns ständig zu verbessern. Es gibt keinen Stillstand, immer muss sich etwas bewegen. Neue Songs sind schon in Arbeit. Dazu wollen wir so viele Gigs spielen wie nur möglich. Natürlich mit neuem Drummer!
Und in fünf Jahren? Welche Visionen habt ihr?
Noch weiter verbessert aufzutreten – und mit zwei Alben mehr in der Tasche. Wichtig für uns ist es, am Boden zu bleiben und hart daran zu arbeiten, dass das Bestmögliche dabei rauskommt. Es muss immer vorwärts gehen, dann werden wir sehe, wo die Reise hingeht.
„Gibt viele Bands, die man unbedingt gehört haben sollte“
Zuletzt: Euer Tipp? Welche andere regionale Band außer euch muss man unbedingt gehört haben?
Puh, es gibt einige, die man unbedingt gehört haben sollte. Ich denke da zum Beispiel an Sucking Leech, Distaste, Vor die Hunde, Morass Skoffin, Crystal Death, Maahes – sowie zwei überregionale Tipps: Theotoxin aus Wien und Profanity aus Augsburg. Unbedingt mal anhören!
Machen wir. Vielen Dank, dass ihr euch Zeit für uns genommen habt. Alles Gute weiterhin.
Die Fragen stellte: Claudia Wunder