Eggenfelden. Um es mit den Worten von Motörhead-Legende Lemmy Kilmister auszudrücken: „If you think you are too old for Rock’n’Roll – then you are!“ Sucking Leech sind definitiv nicht zu alt für Rock’n’Roll. Seit zwei Jahrzehnten tingeln sie sowohl mit überregional bekannten als auch lokalen Bands durch die Lande und bringen ihre Mucke an den Mann (und die Frau). Ihre Mucke, das ist Grindcore – oder vielleicht auch Hardcore oder Death Metal. Um die genaue Genre-Einordnung scheren sich Sucking Leech nicht im Geringsten. Sie wollen Spaß haben, auf der Bühne stehen und viel Lärm machen. Wie sie sich politisch positionieren, was sie an ihrer Heimat besonders mögen und was die nächsten fünf Jahre für die Band bringen sollen, erzählt Gitarrist Sick Hanson in unserer Serie „Musik im Blut“ .
Wer seid Ihr – und wie alt? Woher kommt Euer Bandname – und was bedeutet er?
Wir sind zwischen 27 und 40 Jahre alt. Sucking Leech heißt übersetzt „Saugender Blutegel“ und resultiert aus der Tatsache, dass wir uns zwischen mehreren Möglichkeiten für einen Bandnamen entscheiden mussten. Sucking Leech klang irgendwie am besten. Ganz nebenbei hinterließ auch die Gegebenheit, dass wir alle einfach nicht ganz dicht sind, ihre Wirkung… (lacht)
„Wie das eben anständige, bayerische Lumpen so tun“
Von wem wurde die Band gegründet?
Sucking Leech wurde 1997 von der vormaligen Besetzung ins Leben gerufen – damals aber noch ohne Namen. Der Bandname kam erst mit der neuen Besetzung 1998. Gründungsmitglieder waren unser Drummer Reichi, der ehemalige Gitarrist Tom, ein weiterer ehemaliger Gitarrist namens Heife sowie unser Basser Reine. Shouter gab’s zu dieser Zeit noch keinen. Mich hat im Februar 1998 die Ehre getroffen und Christina ist dann nach dem Ausscheiden von Tom 2015 in die Band gekommen.
Woher kennt Ihr euch eigentlich?
Wir kennen uns, weil wir alle nur ein paar Kilometer voneinander entfernt wohnen bzw. gewohnt haben – und uns schlichtweg dauernd zum Saufen getroffen haben. Wie das eben anständige, bayerische Lumpen so tun (lacht).
Wie würdet ihr euren Musikstil beschreiben?
Wir machen einen Mix aus Hardcore, Grindcore und Death Metal. Es wummst, fetzt, scheppert und groovt auch hin und wieder. Meistens steht auf Flyern und Einladungen zu Konzerten immer nur Grindcore – wobei uns schon mehrfach von schlauen Menschen mitgeteilt wurde, dass es wohl kein „richtiger“ Grindcore sei. Was denn auch immer ein „richtiger“ Grindcore sein mag, wissen wohl nur die schlauen Leute! Uns ist das komplett wurscht! Wir machen Lärm – und das amtlich!
„An diesem Wahnsinn arbeiten wir gerade mit Hochdruck“
Und was macht Ihr so, wenn ihr nicht Musik macht?
Da der Großteil von uns bereits verheiratet bzw. schon wieder geschieden ist, Kinder hat und einem oder mehreren Jobs frönt – oder, wia ma in Bayern so schee sogt: einfach hagglt wia a Bleda –, bleibt nicht allzu viel Zeit für Hobbys. Reini zockt gern und ist ein absoluter Technik-Freak, der übrigens auch unser Video „Social Brain Circus“ mit Hilfe seines Nachbarn Andy selbst erstellt hat. Christina sammelt so ziemlich jede Gitarre, spielt die Dinger dann auch Tag und Nacht, hat mehrere Bands und airbrusht gern mal irgendwelche Dinge. Reiche ist als kranker Pfleger nicht nur im Krankenhaus unterwegs, sondern auch zu Hause, wo er einen Hof bewirtschaftet. Steph macht oft was mit der Familie und zockt ebenfalls ganz gern.
Und ich bin durch meinen Job viel unterwegs und koche leidenschaftlich, was man auch am langsam wachsenden Ranzen sieht. Ich hab vier Bands am Start, höre gern Sound und schaue gute Filme oder Serien. Also privat sind wir ganz normale Pfeifen – wie andere halt auch…
Habt ihr bereits Veröffentlichungen?
Jup – ganze fünf an der Zahl. Wir hatten 1999 den ersten Gig – mit der gleichzeitigen Veröffentlichung unseres ersten Albums. 2002 folgte das zweite. Dann waren wir bis 2012 teils faul und hatten mehrfach heftiges Verletzungspech, waren aber trotzdem – wann und wo immer möglich – live unterwegs. 2012 folgte dann das dritte Album, 2013 das vierte, 2015 das fünfte. Und 2016 auch mal ein Single-Output als Tribut für den im Dezember 2015 verstorbenen Lemmy – einen unserer absoluten Helden. Der nächste Output ist geplant für 2018, das wird unser sechstes Album werden. An diesem Wahnsinn arbeiten wir gerade mit Hochdruck. Die komplette Discographie gibt’s zum Reinhören und Downloaden auf unserer Bandcamp-Seite!
Welche Themen behandelt ihr in Euren Liedern? Und warum?
Wir schreiben hauptsächlich über alles, was uns auf den Sack geht und aus unserer Sicht angeprangert werden muss. Religion, Politik, Ungerechtigkeiten, Nationalsozialismus, der überhaupt nicht geht – kein Fuß breit Rechts. Aber da wir sehr lustige Nasenbären sind, schreiben wir auch über Themen wie überfahrene Igel, die als Zombie wieder zurückkommen und alle Autofahrer töten. Den Rest kann man sich denken oder am besten auf unseren Scheiben nachhören oder auf Bandcamp nachlesen. Für psychische Schäden und anhaltende Spätfolgen wird keine Haftung übernommen – harr harr harr!
„Wir sind zu alt, um noch große Sprünge zu machen“
Was mögt Ihr lieber: Englisch oder Mundart?
Es gibt Dinge, die in good old Boarisch geiler kommen als im Englischen. Man ziehe sich zum Beispiel „Shankbone Yankee“ von unserem vierten Album „Leech On Your Brainstem“ rein. Hauptsächlich schreiben wir aber englische Texte.
Von wem werdet Ihr inspiriert?
Die bandmäßigen Einflüsse sind sehr unterschiedlich: Um nur einige zu nennen, wären da Napalm Death, unsere Kumpels von Haemorrhage, Pungent Stench sowie die Hardcore-Bands Integrity und Ryker’s. Die Inspiration für einen Song kann von überall her kommen. Entweder man hat eine schweinsgeile Melodie im Kopf und baut danach den Text drum herum, oder irgendein Erlebnis prägt sich derart ein, dass man zwangsweise einen Text darüber schreiben muss – und den dann im dementsprechenden Gewand natürlich auch aufbauen und rüberbringen will. Es gibt jedenfalls keine bestimmen Abläufe oder Strukturen. Einfach auf die Mütze – und dann pfeift das!
Wo seht Ihr Euch in einem Jahr?
Als ein Jahr ältere Schweinepriester als jetzt (lacht). Wir sind zu alt, um in der Szene noch irgendwelche großen Sprünge zu machen… Wir haben es in knapp 20 Jahren geschafft, zahlreiche geile Gigs mit sehr vielen regionalen wie überregionalen Bands zu spielen. Napalm Death, Haemorrhage, Pungent Stench, Vader, Vomitory – um nur ein paar der bekannteren zu nennen. Sowie U.G.F., Sarepta, Zodiac Ass, Human Bloodfeast, Festering Saliva, um hier nur ein paar der lokalen Heroes aufzuzählen, mit denen wir nach wie vor die Freude am Sound feiern und gemeinsam das Saufen zelebrieren…
Zudem haben wir es 2017 auf das bekannteste Grindcore-Festival dieses versifften Planeten geschafft: das Obscene Extreme Festival im tschechischen Trutnov – für uns ein Ritterschlag und absolutes Highlight.
„Bayern is des Zentrum des Universums – und aus!“
Und wo seht Ihr Euch in fünf Jahren?
Als fünf Jahre ältere, noch versifftere Schweinepriester als jetzt – und hoffentlich noch fähig, den ein oder anderen Gig aus den alten Knochen zu schaukeln. Nothing more to add!
Was bedeutet für euch „Heimat“? Und: Wo ist Eure Heimat?
Tja… Heimat, denke ich, ist für jeden ein bisschen dort, wo er wohnt. Aber ich kann wohl für uns alle sprechen, wenn i sog: Bayern is des Zentrum des Universums und verdammt nomoi des Beste wos auf dem Planeten gibt – und aus! Des lass ma jetz mal so im Raum steh, weil’s einfach stimmt…
Was liebt ihr an Niederbayern – was findet ihr nicht ganz so prickelnd?
Wos uns g’foid, is‘ Weißbier, de Gmiadlichkeit, de Grodlinigkeit von de Leid, da Dialekt, des dazugehörige Schimpfa, weil des einfach grundsätzlich huift, as Essen – und no tausend andere Sachan.
Was uns nicht so gefällt, ist die aktuelle Entwicklung der politischen Gesinnung, die sich bei den letzten Wahlen in klaren Erfolgsergebnissen bei der AfD widergespiegelt hat. No-Go!
„Unterstützt die Szene, um die Clubgigs aufrecht zu erhalten“
Zuletzt: Euer Tipp? Welche andere regionale Band außer Euch muss man unbedingt gehört haben?
Um nur eine Band aus der Gegend zu nennen, wäre das auf jeden Fall U.G.F. – die Underground Groove Front aus Braunau. Ein saucooler Haufen mit sehr energiegeladenen Live-Shows, genialem Songwriting und einem Sound wie eine Wand.
Ein weiteres, noch ganz neues Projekt trägt den Titel „Vor die Hunde“. Das ist eine Combo aus Passau, Linz und Braunau, die mit ihrem ersten Album, das am 16. Februar veröffentlicht wurde, an den Start geht. Hört rein – es wird Euch umhauen!
Gundsätzlich gilt: Es gibt so viele hart-arbeitende Underground-Bands in unserer Gegend. Geht auf Konzerte, setzt Euch an den Rechner, durchsucht das Netz und hört Euch die Bands an. Unterstützt die Szene, denn das ist der einzige Weg, die coolen Clubgigs aufrecht zu erhalten!
Interview: Claudia Wunder
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