Oberfrauenau. Einfach die Beine hochlegen – und nix tun. „Das darf auch mal sein“, dachten sich Hog’n-Redakteur Stephan Hörhammer und sein Kumpel Florian am vierten und vorletzten Tag ihrer Hütten-Auszeit am Verlorenen Schachten – und legten „einen Blauen“ ein. Schon allein aufgrund der Fuß-Blessuren, die den Schreiberling nach der Rachel– und der Schachtenwanderung heimsuchten, war ein echter Ruhetag mit hohem Regenerationsfaktor unvermeidlich. Der Abschied vom Schachten sowie die Rückkehr in die Zivilisatin rückten allmählich näher…
Geschlafen habe ich – wie in allen Nächten des Schachtenaufenthalts – auch von Tag drei auf vier nicht wirklich viel. Abgesehen von den ekstatischen Schnarchorgien meines Hüttengenossen waren dafür die Abende am Lagerfeuer, in denen wir zwei „Auszeit’ler“ das Leben in und mit der Natur in vollen Zügen in uns aufsogen, zu rührig und zu kurzweilig. Beide waren wir fasziniert von der Ruhe und Abgeschiedenheit dieses Ortes, von der Herrlichkeit und vom Zauber der uns umgebenden Landschaft des Bayerischen Waldes, waren nahezu süchtig nach dem Geruch von grünem Gras und altem Holz, nach der frischen Luft, den Sonnenstrahlen auf der Haut und dem Gedanken, nichts, aber auch gar nichts tun zu müssen, sondern höchstens zu können.
Nach dem Regen kam der Nebel – und dann wieder der Regen
Das Frühstück fiel auch an diesem Morgen recht üppig aus – unsere im Voraus im Supermarkt erstandenen Vorräte hatten wir offensichtlich gut angelegt, sodass wir bis zum Schluss recht ordentlich um die Runden kamen. Es gab (einmal mehr) die „Bayerwald-Schmankerl-Platte“ mit Wurst, Käse, Tomaten, Butter, Brot, Zucchini, Paprika und vielen weiteren Leckereien aus unserem Hütten-Kühlschrank, einer rechteckigen, über eine Luke zugänglichen Vertiefung im Fußboden. Die Wetterbedingungen gestalteten sich, wie der Waidler zu sagen pflegt, etwas „lusad“ – das heißt: Nach all den sonnigen Tagen mit spätsommerlichen Höchstwerten sah es so aus, als würde das Wetter umschlagen und es zu regnen beginnen. Nicht nur der wolkenverhangene Himmel ließ darauf schließen – es wurde auch allmählich etwas kühler.
Doch egal – solange die Wolken nicht brachen, kuschelten wir uns in unsere gemütlichen Schlafsäcke, die wir samt den Feldbetten vor unserer Unterkunft, der Poschinger-Hütte, postiert hatten. Die heutige Devise lautete: chillen, sich ruhig verhalten, achtsam sein auf das, was in der Natur um einen herum passiert, ab und zu mal ein bisschen die Äuglein zumachen und schlafen, etwas dösen und lesen.
Am späten Nachmittag kam dann doch noch der befürchtete Regenguss auf uns nieder. Wir zogen um ins Innere der Hütte, fachten den Holzofen an und machten uns daran, das Abendessen zuzubereiten: in der Eisenpfanne geschmorte Pilze mit Zwiebeln und Würtschen, als Beilage einen schmackhaften Gurkensalat. Ein „letztes Abendmahl“ quasi vor unserer Abreise am Folgetag, das uns nochmals ein Wohlgefühl in unsere Bäuche zauberte, während der Regen mal mehr mal weniger laut auf das Blechdach herabprasselte.
Dann, nach dem Abwasch, machte plötzlich der Nebel dem Regen Platz und erzeugte auf dem Verlorenen Schachten eine durchaus gespenstische Stimmung. Der Schleier war teilweise so dicht, dass man keine 20 Meter weit sehen konnte.
Die Abenddämmerung tat ihr Übriges, um Szenen aus „Blair Witch Project“ oder „The Ring“ in unseren Köpfen lebendig werden zu lassen. Doch genauso schnell, wie er gekommen war, verzog sich der Nebel dann auch wieder. Die Wiesen, die Bäume sowie (leider auch) die Feuerstelle waren nun ziemlich durchgenässt.
Doch Spezl Florian brachte den feuchten Holzstoß noch einmal zum qualmen – und schließlich züngelten die Flammen des Lagerfeuers noch einmal hoch. Wir saßen ein letztes Mal auf unseren Holzthronen und blickten stoisch in die lodernde Glut – mit den letzten Bier-Reserven in der Hand, wortkarg und wissend, dass es schon bald wieder nach Hause gehen würde. Ein Gefühl von Wehmut kam auf – und ringte mit der ebenfalls vorhandenen Vorfreude auf Zuhause um die Oberhand.
Zum Abschied: Extremes „Schietwetter“ und ein Leistungsmarsch
Als es erneut zu regnen begann, zogen wir endgültig nach drinnen um. Die Nacht war bereits hereingebrochen und wir stellten uns auf einen gemütlichen Hüttenabend ein. Wir begutachteten die auf unseren Handys gespeicherten Fotos und erzählten dazu die ein oder andere Anekdote. Auch das Hüttenbuch durchforsteten wir genüsslich und verewigten uns darin mit einem kurzen Eintrag. Jede Menge Brettspiele standen zudem bereit, zu deren Ausübung wir uns aufgrund der fortgeschrittenen Stunde jedoch nicht mehr im Stande sahen.
Im Ofen knisterte behaglich das Feuerholz, draußen konnte man den Wind um die Hütte pfeifen hören. Irgendwann begaben wir uns schließlich zu Bett – und träumten von einem Leben in der Wildnis des Bayerischen Waldes. Es regnete die ganze Nacht hindurch – Kollege Flo schnarchte diesmal kaum, was für mich das Wegschlummern etwas leichter machte.
Es kam, was kommen musste: der Tag der Abreise. Es regnete in Strömen, wachelte nicht schlecht da draußen und sah alles andere danach aus, als ob sich dieser Zustand in den nächsten Stunden ändern würde. „Schietwetter“ vom Feinsten. Auch der Himmel weinte zum Abschied…
Nach dem Frühstück war das Fegen der Stube angesagt. Dabei hieß es: Alles so zu hinterlassen, wie wir es bei unserer Ankunft vorgefunden hatten; unser Hab und Gut packten wir zusammen und stellten es vor die Hütte; die Fenster verriegelten wir, den Schlüssel zogen wir nach einem letzten Blick zurück ab und steckten ihn ein. Ende, aus, das war’s mit der Hütten-Auszeit – es ging zurück ins „wirklich-wahre Leben“.
Doch bevor wir dort ankamen, mussten wir erst einmal mit Sack und Pack zum Standort unseres Autos hinabsteigen. Wir hatten den Jeep etwa zwei Kilometer „weiter unten“, an einer Weggabelung am Straßenrand, geparkt. Und da wir unsere Habseligkeiten freilich nicht gänzlich auf einmal talwärts transportieren konnten, entwickelte sich unser Rückweg über rutschiges Gestein und Wurzelwerk zum finalen Leistungsmarsch.
Ganze dreimal ging’s runter und wieder rauf – vor allem die leeren wie sperrigen Bierkästen machten uns zu schaffen. Doch irgendwann, nachdem wir den Wagen mit einer mitgebrachten Notfall-Autobatterie fremd-gestartet hatten, schlugen wir die Türen hinter uns zu, drehten den Schlüssel im Zündschloss um und traten die Heimreise an. Mit vielen schönen Erinnerungen an eine unvergessliche Hütten-Auszeit im Gepäck, die nach einer Wiederholung schreit. Ganz bestimmt.
Stephan Hörhammer