Regen. „Vergangenheitsbewältigung ist müßig und bringt nichts. Es war, wie es war.“ Michael Adam will ab sofort nur noch nach vorne schauen, sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. „Ich lebe im Jetzt, die Vergangenheit lässt sich nicht mehr ändern“, betont er in seinem letzten Hog’n-Interview als Landrat des Landkreises Regen – und klingt dabei ein bisschen wie ein Anhänger von Eckhart Tolles Bestseller „Jetzt! Die Kraft der Gegenwart„. Dennoch blickt er noch einmal zurück auf seine sich dem Ende zuneigende Polit-Karriere, auf den sogenannten Sex-Skandal und beantwortet die Frage, ob er mit sich im Reinen ist. Erwartungen an das studentische Leben, das nun auf ihn zukommt, hat er keine mehr. Das politische Rampenlicht wird er nicht vermissen.
Sie sind nur noch wenige Wochen als offizieller Landrat des Landkreises Regen im Dienst. Wie ist Ihre derzeitige Gefühlslage – überwiegt die Vorfreude aufs „neue Leben“ fernab des Landratsamtsschreibtischs? Oder ist auch ein bisschen Wehmut mit dabei?
Die Frage nach Gefühlslagen stellt sich für mich so nicht. Ich versuche, das absolut nüchtern zu betrachten. Fakt ist: Ich hätte – so der so – niemals über drei, vier Jahrzehnte hinweg bis zur Rente in der Politik bleiben können. Hinzu kommt: Ich habe bisher keine Berufsausbildung bzw. keinen Hochschulabschluss. Und das muss ich jetzt nachholen, bevor ich zu alt dazu bin. Ohne Abschluss keine Chance auf einen Job. Kommunalpolitische Erfahrung allein nutzt leider nichts. In den USA würde man nach fast zehn Jahren Leitung öffentlicher Verwaltungen sofort auch in der Wirtschaft einen Job finden. In Deutschland ist das meinem Erleben nach ausgeschlossen. Bei uns braucht man einfach einen „Schein“.
„Lebe im Jetzt – die Vergangenheit lässt sich nicht mehr ändern“
Wie geht es Ihnen derzeit gesundheitlich bzw. psychisch?
Die Frage ist kurz und prägnant zu beantworten: Ich fühle mich stabil und belastbar.
Sie waren nun viele Jahre lang – als Bürgermeister, als Landrat – im Politik-Geschäft aktiv. Hat sich Ihr Bild von der Politik im Vergleich zum Beginn Ihrer Karriere geändert?
Ich kann nicht sagen, dass sich mein Bild von Politik an sich nennenswert verändert hätte. Meine Begeisterung für politisches Gestalten, Moderieren und Kommunizieren ist mir bis heute erhalten geblieben. Ich empfand es aber mehr und mehr als Problem, keinen Studienabschluss – und damit auch nicht einmal ein Mindestmaß an Sicherheit für mein Leben – zu haben. Es wäre für mich auf Dauer kein Leben gewesen, alle sechs Jahre Angst haben zu müssen, ohne Ausbildung oder Abschluss dazustehen.
Waren Sie, wie von mehreren Seiten im Nachhinein behauptet, von Anfang an „zu jung“ für den Job als Landrat?
Ich weiß natürlich nicht, auf was konkret sich eine solche Behauptung beziehen soll. Wenn es darum gehen soll, dass es besser gewesen wäre, erst nach Abschluss meiner Ausbildung hauptamtlicher Kommunalpolitiker zu werden, dann würde ich sagen: Ja, ich war zu jung.
Die Gewissensfrage, wenn Sie auf Ihre Landratslaufbahn zurückblicken: Würden Sie alles nochmals genauso machen?
Ganz ehrlich – und auf die Gefahr hin, dass Sie mir das nicht glauben: Solche Fragen kommen mir manchmal durchaus auch selbst kurz in den Sinn, aber ich verbiete sie mir dann ganz bewusst. Denn ich lebe im Jetzt. Die Vergangenheit lässt sich nicht mehr ändern – selbst wenn man das wollte.
Psycho-Hygiene: „Ich habe keine Rechnungen mehr offen“
Thema „Sex-Skandal“, der unserer Meinung nach ja von entsprechenden Medien erst dazu gemacht worden ist – wie blicken Sie darauf zurück?
Natürlich hat mir die Tatsache, dass ich Sex in Amtszimmern hatte, politisch geschadet. Bei manchen Menschen mehr, bei manchen weniger. Bei manchen vielleicht auch gar nicht. Aber auch hier gilt das, was ich eben gesagt habe: Vergangenheitsbewältigung ist müßig und bringt nichts. Es war, wie es war. Ich habe damals Fehler gemacht, musste die Konsequenzen aushalten – und habe draus gelernt.
Nach all den Jahren als Landrat: Sind Sie abschließend mit sich im Reinen? Oder wabern unter der Oberfläche noch alte, offene Rechnungen, die Sie noch gerne beglichen hätten?
Ich würde nicht sagen, dass ich absolut mit mir im Reinen bin. Dazu sind in knapp zehn Jahren einfach zu viele Einflüsse auf mich eingeprasselt. Es wird wohl Monate bis Jahre dauern, das alles einmal sacken zu lassen.
Ich weiß aber auch gar nicht, ob man überhaupt immer zu einhundert Prozent mit sich im Reinen sein kann. Aber ich denke, ich habe für mich selbst so viel Psychohygiene betrieben, dass ich keine „Rechnungen offen habe“.
Wie wir wissen: Sie haben sich für ein Studium an der Uni Passau und somit gegen eine weitere Kandidatur als Landrat entschieden. Was wollen Sie konkret studieren? Und: Was wollen Sie einmal „werden“?
Ich werde jetzt zunächst meine Scheine aus meinem ersten Studienabschnitt vor 2008 „recyceln“. Der dazu passende Studiengang entspricht dem, was heute Staatswissenschaften genannt wird – also einer Mischung aus Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre, Geschichte, Soziologie und Staatsrecht. Ob ich danach noch einen Vertiefungsstudiengang dranhänge, weiß ich noch nicht. Ebenso weiß ich noch nicht genau, welchen Beruf ich danach ergreifen werde.
„Das war für mich wieder eine ganz neue Erfahrung“
Was erwarten Sie vom studentischen Leben? Worauf freuen Sie sich am meisten?
Ich habe – jenseits der Ausbildung – keinerlei Erwartungen an studentisches Leben mehr. Ich bin Realist: Als ich 18 Jahre alt war, war für mich jemand mit 32 Jahren – so komisch das vielleicht klingen mag – fast schon ein alter Mann. Und meine künftigen Kommilitonen werden 18 sein. Ich bin 32. Ich werde mich natürlich um gute Kontakte bemühen, habe aber keine übertriebenen Erwartungen. Die Aufgabe der nächsten Jahre wird daher lauten: einen akademischen Abschluss zu machen.
Denken Sie, dass Sie während des Studenten-Daseins aufgrund Ihrer Vergangenheit eine „Sonder-Rolle“ einnehmen? Sprich, dass Ihre künftigen Kommilitonen Ihnen mit einer gewissen Voreingenommenheit gegenüber treten werden?
Ich denke, dass meine Vergangenheit für junge Menschen, noch dazu für solche, die aus ganz Deutschland nach Passau kommen, keine Rolle spielt. Studenten haben ganz andere Themen und Interessen. Als ich in den letzten Wochen immer wieder mal auf dem Campus war, bin ich, denke ich, nicht erkannt worden. Das war für mich – nach fast zehn Jahren – wieder eine ganz neue Erfahrung.
Werden Sie das politische Rampenlicht vermissen?
Vor einigen Wochen hätte ich die Frage mit jein beantwortet. Mittlerweile überwiegt in mir der Anteil, der das politische Rampenlicht nicht vermissen wird.
„Ich arbeite derzeit nicht auf ein solches Szenario hin“
Letzte Frage: Ist eine Rückkehr in die Politik für Sie vorstellbar?
Vorstellbar ist im Leben, denke ich, fast alles. Aber ich arbeite derzeit nicht auf ein solches Szenario hin.
Wir bedanken uns und wünschen Ihnen gutes Gelingen auf Ihrem weiteren Weg.
Interview: Hörhammer und Weigerstorfer