Passau/Waldkirchen. Sein Leben komplett umkrempeln muss ein Nebenerwerbslandwirt (50) und Holzhauer aus Waldkirchen, wenn auch der Oberstaatsanwalt das Urteil des Passauer Landgerichts vom Mittwoch akzeptiert: Der Mann war im Januar vom Amtsgericht Freyung als Tierquäler zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt worden (da Hog’n berichtete). Er ließ das Urteil nun in Passau überprüfen.
Vier seiner 16 Kühe hatte er fast verhungern lassen, eine hatte sich im zu engen Stall mehrfach aufgeschürft. Neun weitere sowie zwei Jungrinder hielt er bei zu wenig Futter und Wasser. Dies war vom Veterinäramt Freyung-Grafenau mehrfach moniert worden. „Er kannte den Zustand und nahm das Leiden in Kauf“, heißt es im Ersturteil. Monatelang, bis April 2016. Und damit nicht genug: Unter den neun Vorstrafen des geschiedenen Familienvaters ist eine aus dem Jahr 2011 zu finden, bei der er wegen genau desselben Delikts – dem Quälen seiner Milchkühe – verurteilt worden war. Damals kam er mit einer Geldstrafe davon…
„Ist uns geholfen, wenn wir diesen Mann einsperren?“
Nach einigem Hin und Her zu Prozessbeginn erklärte Verteidiger Franz Rothkopf für den Landwirt, dass dieser inzwischen „einsieht, einiges falsch gemacht zu haben. Im Amtsgericht war er noch überzeugt, dass er unschuldig ist“. Vertreter des Bauernverbandes, des Landwirtschaftsamtes und sogar Freyung-Grafenaus Landrat Sebastian Gruber persönlich wären auf seinem Hof gewesen, hätten die selbst gezüchteten Kühe sogar gelobt. Und alte Ställe wie dieser, den der Mann schon als 13-jähriger Bub vom früh verstorbenen Vater übernommen hätte, entsprächen nunmal den modernen Anforderungen nicht – da sei dieser Hof kein Einzelfall. „Er war überzeugt, dass das nicht strafbar ist. Auch, wenn zumindest das mit der verletzten Kuh nicht in Ordnung war. Nur entscheidet halt nicht der Bauernverband, was strafbar ist und was nicht.“
Die Einsicht des Angeklagten wertete das Gericht, mit welchem er nur noch über die Strafe verhandeln wollte, als Teilgeständnis. Der Sachverhalt der Tierquälerei von mindestens vier extrem abgemagerten Kühen stand damit rechtskräftig fest. „Die Kühe waren in einem erbärmlichen Zustand, waren mangelhaft versorgt, hatten erhebliche Qualen und Leiden. Diese Tiere konnten sich nicht wehren, das sind stumme Leider“, sollte der Oberstaatsanwalt später bilanzieren. Er nahm dem Landwirt seine Reue nicht ab und fragte: „Ist uns geholfen, wenn wir diesen Mann einsperren?“
Der Oberstaatsanwalt bejahte die Frage: Sowohl dieser Landwirt würde ganz konkret zu spüren bekommen, dass seine Viehhaltung nicht in Ordnung war. Als auch alle untadeligen Kuhhalter würden in dem, was sie tun, bestätigt werden. „Und wer Rinder nicht korrekt hält, kann hier sehen, was ihm dann passiert. Ich vermag am Freyunger Urteil kein Falsch zu erkennen“, begründete der Ankläger, warum es beim Ersturteil samt Gefängnisstrafe bleiben sollte. Verteidiger Rothkopf hielt dagegen, dass inzwischen alle Kühe verkauft wären: „Wir sollten ihm noch einmal eine Chance geben. Er ist jetzt ja kein Landwirt mehr.“
„Schuld waren alle anderen, bloß nicht ich selbst“
Und das Landgericht gibt dem Mann noch einmal die Chance, sich in Freiheit zu bewähren – allerdings eingeschnürt in ein enges Auflagenkorsett: „Unser Urteil beruht auf der heutigen Situation und einem Blick in die Zukunft, in der wir erwarten, dass Sie keine Straftaten mehr begehen“, machte die Richterin klar: „Damit wollen wir die Taten keinesfalls bagatellisieren. Die sehr deutlichen Worte des Oberstaatsanwalts können wir Wort für Wort unterstreichen. Sie haben den Ihnen anvertrauten Tieren erhebliches Leid zugefügt, die Kühe als Milchlieferanten benutzt für die eigenen wirtschaftlichen Interessen und dabei vollkommen missachtet, dass es lebende, schmerzempfindliche Wesen sind.“
Nicht gefallen habe dem Gericht „diese Uneinsichtigkeit. Schuld waren alle anderen, bloß nicht ich selbst. Das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben“. Trotzdem müsse der verschuldete Mann nicht ins Gefängnis, wobei „zehn Monate eine moderate Strafe sind bei dem Unrecht auf diesem Hof.“ Negativ wiege auch, dass der Waldkirchener trotz einschlägiger Vorstrafe erneut seine Kühe gequält habe: „Wenn er das mit einer hohen Geldstrafe nicht kapiert, wie soll er es dann kapieren?“ Andererseits hätte er die Milchwirtschaft so schon vom Vater übernommen, nun nicht als Krimineller hartnäckig aktiv Straftaten begangen, sondern war rückfällig geworden – „aus Sturheit und einer gewissen Hilflosigkeit. Keine Landwirtschaft mehr ist eine gute Voraussetzung für ein straffreies Leben“. Ihr nicht verbindlicher Tipp: Er solle sich als angestellter Betriebshelfer versuchen, die Maschinenringe suchten händeringend.
„Wenn Sie dagegen verstoßen, wird die Bewährung widerrufen“
Der Mann hat – anders als der dazu schweigende Oberstaatsanwalt – das Urteil sofort akzeptiert. Das bedeutet, dass er die nächsten vier Jahre nur auf Bewährung in Freiheit ist, drei davon mit einem Bewährungshelfer an der Seite. Er muss zudem zur Schuldnerberatung. Falls er wieder etwas verdienen sollte, müsse über die vom Ankläger hilfsweise beantragte Geldbuße von 3.000 Euro an den Tierschutz neu entschieden werden. Und: „Er hat vier Jahre ein Rinderhalteverbot, selbst und durch Strohleute. Wenn Sie dagegen verstoßen, wird die Bewährung widerrufen, das kann ich Ihnen versprechen“, mahnte die Richterin zum Schluss.
da Hog’n