Freyung/Waldkirchen. Zwar sind Objektivität und Unvoreingenommenheit Eigenschaften, die er in beruflicher Hinsicht als sehr wichtig empfindet. Dennoch würde er sich – in privater Hinsicht – selbst nicht als besonders gerecht und neutral bezeichnen. Der Privat-Mensch Klaus Fruth unterscheidet sich demnach gravierend von den allgemeinen Überzeugungen, die mit seinem Berufsstand einhergehen. Zudem wirkt er eher wie der nette Nachbar von nebenan, der immer freundlich grüßt. Und nicht gerade wie der knallharte Entscheider, der böse Jungs und Mädls verurteilt und hinter Schloss und Riegel bringt. „Die typischen Eigenschaften meines Berufs spiegeln sich eigentlich nicht in meinem Charakter wider“, gesteht der 42-jährige Richter am Amtsgericht Freyung, zuständig für Strafdelikte, Nachlassangelegenheiten und Betreuung, offenkundig ein. Ein Porträt über die personifizierte Jurisdiktion des beschaulichen Landkreises Freyung-Grafenau.
„Beschaulich“ ist jedoch in diesem Fall nicht gleichzusetzen mit friedlich, wie Fruth betont. Und das obwohl der Bayerische Wald immer wieder mal gerne als „heile Welt“ beschrieben wird. „Auch hier gibt es die ganze Bandbreite an Gesetzesverstößen“, macht der 42-jährige Waldkirchener deutlich – und verweist auf zahlreiche Drogendelikte, Körperverletzungen und Betrugsfälle in seiner bisherigen judikativen Amtszeit im Woid. Zwar sei in den vergangenen Jahren ein leichter Rückgang an Straftaten zu verzeichnen, dennoch gibt es auch am Amtsgericht Freyung „nichts, was es nicht gibt“. Und gerade weil die dritte Staatsgewalt personell betrachtet doch sehr überschaubar ist, bekommt er es mit allen möglichen Kriminellen zu tun.
Tatsachenentscheidung statt Wahrscheinlichkeitsrechnung
Seit 2007 ist Klaus Fruth Richter in der Kreisstadt. Dass dies so gekommen ist, hatte er einst nicht vermutet. Nach seinem Abitur am Waldkirchener Gymnasium wusste er lange nicht, welche berufliche Laufbahn er einschlagen sollte. Und davon, dass die Justiz einmal sein beruflicher Lebensinhalt werden würde, war er weit entfernt. „Eigentlich war ich ein guter Mathematiker – doch ich wollte kein Lehrer werden. Ich wollte unbedingt in der Region bleiben, deshalb habe ich mich mit dem Jura-Studium in Passau beschäftigt.“ Paragraphen statt Quersummen, Tatsachenentscheidung statt Wahrscheinlichkeitsrechnung. Zeugenvernehmung statt Kurvendiskussion.
Das zunächst eher unverbindliche Interesse entwickelte sich nach und nach zur Berufung. „So trocken, wie immer erzählt wird, ist das Jura-Studium gar nicht. Es ist nicht nur pures Auswendiglernen gefragt, sondern auch ein gesunder Menschenverstand.“ Für den Abschluss musste sich Klaus Fruth ordentlich ins Zeug legen, um einen entsprechenden Notenschnitt zu erreichen. „Um Fuß zu fassen in dieser Berufssparte ist eine gewisse Staatsnote Voraussetzung.“ Das klappte auch ganz gut.
Bereits während des Studiums hat er nebenher bei einem Insolvenzverwalter gejobbt. Eine Tätigkeit, an der er durchaus Gefallen gefunden hatte – letztendlich dann aber doch die richterliche Laufbahn einschlug. Über den Umweg Staatsanwaltschaft Deggendorf („Ich bin ins kalte Wasser geworfen worden“) bekam er schließlich die anvisierte Stelle als Richter am Amtsgericht in Freyung. Eine Bilderbuch-Karriere, wenn man so will, ohne dass diese Klaus Fruth wie einen Besserwisser oder gar Streber erscheinen lässt.
„Stammkunden“ und deren „Musterkarriere“
Im Gespräch gibt sich der 42-Jährige recht locker. Im Gerichtssaal hingegen kann bzw. muss er auch mal knallhart sein, wie der gerichtsberichterstattende Autor dieser Zeilen bezeugen kann. Als Vertreter des Gesetzes steht er für Neutralität und Gerechtigkeit. Obwohl er selbst aus der Gegend stammt, musste er in seiner bisherigen Karriere als Amtsrichter „keine zehn Fälle aus Befangenheit ablehnen“, wie er betont. Größtenteils handelt es sich bei den Angeklagten um „Stammkunden“, denen immer wieder der Prozess gemacht wird. „Da gibt es schon eine Art Musterkarriere – also Menschen, die in regelmäßigen Abständen zu mir kommen. Denen ist das praktisch in die Wiege gelegt worden“, erzählt Fruth. „Doch das ist im Vergleich zu den Großstädten ein sehr geringer Anteil der Bevölkerung.“
Ein bisschen „heile Welt“ ist also doch noch geblieben im Bayerischen Wald. Mitunter ist es auch schon vorgekommen, dass sich Straftäter nach der verbüßten Strafe bei Klaus Fruth bedankt haben. Denn, wie er klar zu verstehen gibt, er sieht seine Urteile nicht als Schikane, sondern als Erziehungsmaßnahme – vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. „Sicher sind auch manche nach einer Verhandlung mit dem Ausgang nicht zufrieden“, stellt er fest. „Mit Rache hat mir aber bisher noch keiner gedroht.“ Sorgen oder gar Angst, dass sich von ihm Verurteilte irgendwann „revanchieren“ könnten, hat er eigenen Aussagen zufolge nicht. Man nimmt es ihm ab – so souverän wie Klaus Fruth bei den Verhandlungen auftritt.
Alleine die Tatsache vor Gericht zu stehen, schreckt viele ab
Schwere Verkehrsunfälle, Missbrauch von Kindern, schwere Körperverletzung – obwohl der Waldkirchener wahrlich nicht die Sonnenseiten des Lebens („Mitleid ist nicht ausgeschlossen“) auf seinen Schreibtisch gelegt bekommt, fühlt er sich wohl mit dem, was er tut. Um sich vor schlaflosen Nächten und Gewissensbissen zu schützen, gibt es – selbstauferlegte – klare Grenzen zwischen Arbeit und Beruf. Er möchte die oftmals traurigen Schicksale aus dem Gerichtssaal nicht mit nach Hause in die eigenen vier Wände nehmen. Und das gelingt ihm auch. „Büro ist Büro. Zu Hause bin ich nicht der Richter, sondern der Familienvater. Das versuche ich einzuhalten. Das klappt ganz gut.“ Die Idee, Mathematiker zu werden, hat er längst aus seinem Gedächtnis verbannt – auch, wenn er sich als Richter an gewisse Formeln halten muss.
Zum einen beruhen seine Urteile auf klaren Gesetzen, an die sich jeder zu halten hat. Zum anderen gehören zur Entscheidungsfindung auch Feingefühl und ein gesunder Menschenverstand. „Es gilt, jeden Fall einzeln zu betrachten. Freilich, zuerst sieht man das Vergehen. Dann muss man aber auch die Umstände miteinfließen lassen, sodass ich letztlich zu einem fairen Urteil komme.“ Bei manchen Verhandlungen sei allein der Umstand vor Gericht scheinen zu müssen bereits ein Teil der Strafe. Dies schrecke bereits viele Kleinkriminelle ab. „Das stimmt schon“, sagt Fruth darauf angesprochen, wie wichtig der psychologische Faktor in seinem Beruf ist. „Man lernt, Menschen einzuschätzen. Man schafft es, sich in die Angeklagten hineinzuversetzen.“
„Nebenjob“: Dozent an der TH Deggendorf
Dennoch hat auch Klaus Fruth bereits Fehler gemacht: „Ich habe schon Zeugen geglaubt, bei denen sich später herausgestellt hat, dass sie gelogen haben“, gesteht er offen und ehrlich ein. „Doch das ist menschlich. Deshalb kann ich relativ schnell damit abschließen.“ Ablenkung findet er durch seine Tätigkeit als Dozent an der TH Deggendorf – und natürlich bei seiner Familie. „Ich bin ein stinknormaler Papa, der ab und zu vielleicht ein bisschen streng ist“, erzählt Klaus Fruth. Zu längerdauernden Verhören seiner Kinder, die ab und an mal ein bisschen länger unterwegs sind, ist es bisher noch nicht gekommen, wie der Jurist mit einem Augenzwinkern verrät. Man glaubt es ihm. Und wenn nicht, gilt auch bei ihm der häufig zitierte Zweifelssatz „In dubio pro reo“.
Helmut Weigerstorfer
Das mit der heilen Welt finde ich schon sehr lächerlich. Ich habe schon Hilfe durch das Bundesverfassungsgericht bekommen, zumindest richtungsweisen, um zu meinem Recht zu kommen. Im Moment bin ich dabei eine Verfassungsklage zwecks Aufhebung der 3-jährigen Verjährungsfrist von Amtsfehlern – Beschuldigter Amtsgericht Freyung – einzureichen.
Das Wort „Korrupt“ darf man in diesem Zusammenhang ja nicht stellen – natürlich kommt das nicht von mir!
Vom ganz normalen „Wahnsinn“ halte ich persönlich nichts. Es gibt Gesetzte die eingehalten müssen.
Es gibt auch die Möglichkeit: Rechtsanwälte wegen Verletzung Ihres Anwaltsvertrages zu verklagen und auch anzuzeigen, Hinweis des Bundesverfassungsgerichts.