Schönberg/Orlando. Auf den ersten Blick wirkt sie eher wie eine Balletttänzerin – zartes Mädchen mit feinen Gesichtszügen, ein strahlendes Lächeln, schmächtige Statur. Doch wie so oft: Der erste Eindruck täuscht. Laura Sager ist Kampfsportlerin. Das Duell Mann gegen Mann bzw. Frau gegen Frau begeistert die 16-Jährige seit ihrer Kindheit. Und dass sie dabei mittlerweile zu den Besten ihrer Sportart zählt, hat die Schönbergerin erst kürzlich bei den Weltmeisterschaften in Orlando/USA eindrucksvoll unter Beweise gestellt. Dort sicherte sich die Schülerin der Realschule Grafenau den Titel in der Kategorie „Kata traditional“. Ein Erfolg, der alles andere als geplant war.
Denn eigentlich hatte Familie Sager nur einen Familienurlaub im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ eingeplant. Die Waidler wollten die Vereinigten Staaten erkunden, sich erholen – und nebenbei Lauras Freund bei der Karate-Weltmeisterschaft in Orlando zur Seite stehen. Erst am Abend vor dem Abflug erfuhr die 16-Jährige, dass sie bei diesem Wettbewerb ebenfalls an den Start gehen darf. Wenn sie schon vor Ort sei, soll sie auch antreten – so die Meinung der Verantwortlichen des Karateverbandes. „Ich habe daher keine besonderen Vorbereitungen absolviert, keine extra Trainingseinheiten gemacht“, blickt Laura Sager zurück.
Karate ist weit mehr als nur Kraft und Ausdauer
Ganz so einfach, wie es klingt, war Lauras Weg zum Titel aber dann doch nicht. Bereits im Verlauf des Sportjahres konnte die Realschülerin bei verschiedenen Wettkämpfen genügend Qualifikationspunkte sammeln, die den Start bei einer Weltmeisterschaft überhaupt erst zulassen. Zufälligerweise wollte auch keine andere deutsche Sportlerin am Turnier teilnehmen – sodass der Weg frei war für die junge Kampfsportlerin, die für den Verein „Sankan Karate Gruber“ aktiv und zudem Mitglied im Deutschlandkader der WKU (World Kickboxing and Karte Union), ist. Das heißt: Laura Sager ist keine Unbekannte im weltweiten Karatesport.
Nichtsdestotrotz war sie in Orlando krasse Außenseiterin – allein schon, wenn man bedenkt, dass die 16-Jährige völlig unvorbereitet in den Wettbewerb ging – mit mehr als 800 Teilnehmern aus aller Herren Länder. Zwar zählt ihre Sportart und insbesondere ihre Disziplin zu den Kampfsportarten – dennoch kommt es während der Duelle zu keinerlei Körperkontakt mit der jeweiligen Gegnerin. Bei „Kata traditional“ geht es darum, eine gewisse Formenabfolge möglichst perfekt vorzuführen. „Im Gegensatz zum Kickboxen geht es hier nicht nur um Kraft und Ausdauer. Die Kampfrichter legen auch großen Wert auf den Ausdruck“, erklärt Laura Sager, die dabei Parallelen zur rhythmischen Sportgymnastik zieht.
Nuancen entscheiden. Mit einem kleinen Wackler kann alles schnell vorbei sein – deshalb ist höchste Konzentration erforderlich. „Hunderte Zuschauer, eine gewisse Nervosität und Gegner, die ab und an provozieren – da ist ein Tunnelblick absolut wichtig“, verdeutlicht die 16-Jährige. „Und genau das ist es, was meine Sportart ausmacht. Konzentration ist das A und O.“
In der Vorrunde hat sie es mit vier Gegnerinnen aufgenommen. Ein Duell dauerte jeweils drei Minuten. Die Schönbergerin landete dabei überraschenderweise auf einem starken zweiten Platz. Obwohl sie den Einzug in die Finalrunde bereits als großen Erfolg gewertet hatte, kam es noch besser: Völlig unerwartet blieb sie auch in der Endrunde ungeschlagen – und darf sich seit ihrem Finalerfolg höchstoffiziell als Junioren-Weltmeisterin bezeichnen.
Mama Sager: „Eigentlich wollte ich immer ein Pferdemädchen“
Ein nicht für möglich gehaltener Triumph, der entsprechende Emotionen freisetzte: Laura Sager steht auf dem Treppchen ganz oben, die Nationalhymne erklingt, die Augen der Zuschauer sind auf die Siegerin gerichtet – und diese lässt ihren Tränen freien Lauf. „Es war ein einmaliger, nicht beschreiblicher Moment“, schwärmt Laura Sager immer noch von den Momenten auf dem Siegerpodest. Auch ihre Mama Christine, die sich im Publikum befindet, wird von ihren Gefühlen übermannt: „Ich war einfach nur stolz auf meine Tochter.“ Die Goldmedaille in Übersee ist dennoch kein Grund für die ehrgeizige Nachwuchssportlerin, die Bodenhaftung zu verlieren. Im Gegenteil.
Demnächst möchte sie die Prüfung für den schwarzen Gürtel bestehen. Auch andere Disziplinen innerhalb des Karatesports will sie ausprobieren und womöglich in ihr Repertoire aufnehmen. Besonders reizt sie der Umgang mit traditionellen Waffen („Karate Bo„), den auch ihr Freund betreibt. „Mir macht das einfach megaviel Spaß“, urteilt sie über ihr doch recht außergewöhnliches Hobby. Dass Laura Sager einmal als Kampfsportlerin weltmeisterliche Höhenflüge durchleben wird, war nicht nur für sie, sondern auch für ihre Mutter eine Überraschung. „Eigentlich wollte ich immer ein Pferdemädchen“, erzählt Mama Christine. Doch erstens kommt es anders – und zweitens als man denkt. Durch eine Freundin landete die heute 16-Jährige vor zehn Jahren beim Karatesport. Eine Faszination, die sie bis ins heutige Teenageralter nicht mehr losgelassen hat.
„Ich möchte nicht, dass Karate zur Belastung wird“
„Karate ist mehr als nur Sport. Karate ist eine Lebenseinstellung“, weiß Laura Sager. Aufgrund des Trainings, das neben dem Körper auch den Geist schult, ist sie in Drucksituationen entspannter und hat keine Angst vor (schulischen) Prüfungen. Ursächlich dafür sind unter anderem die Meditationen, die sie vor jeder Trainingseinheit abhält. Sie lernt dabei viel über sich selbst und gewinnt so wichtige Erkenntnisse und Erfahrungen für die eigene Zukunft – auch was die berufliche Karriere betrifft, sagt die 16-Jährige. Einerseits möchte es die Schönbergerin über Polizei oder Bundeswehr in einen Sportförderkader schaffen und somit rund um die Uhr trainieren. Andererseits möchte sie, dass Karate ihr Hobby bleibt. „Wird die Leidenschaft zur Pflicht, könnte es sein, dass Karate zur Belastung wird – und das soll nicht passieren.“
Helmut Weigerstorfer
„Karate ist mehr als nur Sport. Karate ist eine Lebenseinstellung“, damit hat Laura Sager eigentlich schon das wesentliche gesagt. Seit 44 Jahren habe ich das Glück Shodokan Karate trainieren zu können. Mein Sport hat mir viele Türen im In- und Ausland geöffnet. Nicht durch das Eintreten dieser :) , sondern dadurch, dass Karate Bescheidenheit und Selbstbewußtsein in gleichen Teilen fördert. Und man bleibt immer der Lernende, so wie es in den alten Dan-Urkunden steht: …es wird die Erwartung verbunden, sich in der Kampfkunst Karate weiter zu vervollkommnen. In diesem Sinne, Laura, meine herzlichsten Glückwünsche und weiter so!
Es wäre schön, wenn es nur noch eine/n Karate Weltmeister/in geben würde. Wann vereinen sich die Karate Verbände weltweit?