Waldkirchen. Die Erfolge bei den Olympischen Spielen 2018 (Silber) und bei der Weltmeisterschaft 2021 (Platz vier) haben dafür gesorgt, dass die Eishackler auf den Titelblättern zu sehen sind – zumindest kurzzeitig. Erich Kühnhackl ist der älteren Generation sicher noch ein Begriff – die Jüngeren kennen Leon Draisaitl. Auch die Adler Mannheim oder die Kölner Haie haben einen gewissen Bekanntheitsgrad. Das war es dann aber auch schon. Die Sportart auf Kufen fristet eher ein Schattendasein. Darunter „leidet“ auch der ESV Waldkirchen, der in der fünftklassigen Landesliga um Punkte kämpft – und dank einer guten Nachwuchsarbeit viele Buben und Mädchen aufs Eis bringt.
Das, was in der größten Stadt des Landkreises Freyung-Grafenau in Sachen Eishockey passiert, erscheint etwas konträr zu den einleitenden Worten. Beim Eishockey ist im Gegensatz zum „König Fußball“ jedoch ein genauerer Blick nötig, um zu erkennen, wie populär diese Sportart ist – und welches Potenzial in ihr steckt. In fast jedem Dorf des Bayerwaldes jagen junge und ältere Burschen (und oft auch Mädchen) dem runden Leder hinterher. Ein Rasenspielfeld gehört praktisch zum Ortsbild – genauso wie die Kirche oder der Friedhof. Bei den Puck-Jägern gestaltet sich das Ganze etwas anders: Man braucht eine Eisfläche sowie eine doch recht umfangreiche Ausrüstung. „Das stimmt nicht ganz“, hakt Matthias Nickolman ein. „Hockey ist auch auf Inlinern, im Freien, bei warmen Temperaturen möglich.“
Der ESV Waldkirchen hat 182 Mitglieder
Auf dem Waldkirchener Hausberg, dem Karoli, stellen all diese Herausforderungen Nebensächlichkeiten bzw. leicht zu überwindende Hürden dar. Dort wird das Eishackln gelebt. Rund um die Eishalle, direkt neben dem Badepark gelegen, hat sich über die Jahre hinweg eine regelrechte Hochburg gebildet. Eine erstaunliche Zahl, die diese Aussage eindrucksvoll untermauert: Der ESV Waldkirchen e.V., der von Matthias Worlitschek geführt wird, hat derzeit 182 Mitglieder. In den Nachwuchsmannschaften (U9, U11, U13) tummeln sich über 50 Kinder und Jugendliche. Zu den Heimspielen der ersten Herrenmannschaft kommen in der Regel (fernab der Pandemie) bis zu 500 Zuschauer. Im Hintergrund ist zudem eine fast dreistellige Zahl an Ehrenamtlichen damit beschäftigt, dass der Laden läuft.
„Eishockey ist die schnellste Mannschaftssportart der Welt. Es wird viel gelaufen, es gibt viel Körperkontakt. Und es ist nicht so langweilig wie Fußball, bei dem nach einem 3:0 eigentlich schon alles vorbei ist“, rührt Matthias Nickolmann die Werbetrommel für seine Leidenschaft – und seinen Verein. Der 40-Jährige – früher selbst aktiv – ist Sportlicher Leiter der „Karoli Crocodiles“ – und zudem eine Art Pressesprecher. In dieser Funktion hat er auch das Onlinemagazin da Hog’n kontaktiert, um dafür zu sorgen, dass seine Jungs und Mädels die Aufmerksamkeit bekommen, die sie aus seiner Sicht verdient haben.
Erst einmal geht es ums Schlittschuh fahren…
„Die letzten Jahre waren, was öffentlichkeitswirksame Ereignisse betrifft, nicht schlecht. Ich denke da an Olympia oder die WM, aber auch an die Straubing Tigers, die ja in der DEL, der ersten Liga spielen“, zeigt sich Nickolmann durchaus zufrieden. Aber: Nur wer sich einmal tatsächlich mit Eishockey beschäftigt, ein Spiel verfolgt hat, könne nachvollziehen, was diese Sportart ausmacht („Die Dynamik ist irre„). Deshalb sei es wichtig, bislang weniger Interessierte in die Karoli-Eishalle zu locken – als Zuschauer oder auch als Aktiver. „Für Kinder bieten wir deshalb eine Laufschule an. Sie sollen spielerisch lernen, wie man sich auf Schlittschuhen bewegen kann.“ Der Rest kommt dann von selbst, davon ist der Sportliche Leiter überzeugt.
Die Nachwuchsoffensive des ESV Waldkirchen hat mehrere Gründe. Im Gegensatz zu früher – als etwa die Barz-Brüder die Aushängeschilder des Vereins waren – gehören inzwischen nicht mehr viele Einheimische dem Landesliga-Kader an. Über Kontakte seien Deggendorfer, Passauer, zwei Tschechen und drei Österreicher auf den Karoli gelockt worden. Deren Qualität hat dafür gesorgt, dass die Mannschaft nach Jahren des Abstiegskampfs inzwischen zum Topfeld der Spielklasse zählt. Der nicht zwingend geforderte Aufstieg in die Bayernliga wäre aber nur möglich, wenn der Verein auch eine U15 stellt. Hinzu kommt, dass sich die Waldkirchener Eishackler als sportlicher Treffpunkt der Region verstehen und künftig deshalb mehr FRG’ler auf dem Eis zaubern sollen.
Werbung für das Bayerwald-Eishockey erwünscht
Erich Kühnhackl, Leon Draisaitl – Aushängeschilder wie sie benötigt jede Sportart. Doch diese (ehemaligen) Stars sind zu weit weg – geographisch wie auch leistungsmäßig. Deshalb, so der Wunsch der Waldkirchener, sollen regionale Gesichter mit Erfolgen Werbung für das Eishockey im Bayerwald machen. Und wer weiß: Vielleicht läuft dann der Junge von nebenan irgendwann einmal für Deutschland bei den Olympischen Spielen oder einer Weltmeisterschaft auf…
Helmut Weigerstorfer