Neudorf/Zwiesel/Rheine. Laura Hermann wohnt und arbeitet derzeit 745 Kilometer von zu Hause entfernt. Im nordrhein-westfälischen Rheine an der Ems. Die 73.000-Einwohner-Stadt befindet sich in der Nähe von Münster. Sieben Autostunden und 20 Minuten sind es, um vom Woid dorthin zukommen. In Rheine lässt sich die 28-Jährige momentan an der dortigen Hebammenschule ausbilden. Sie hatte sich beworben – und ist genommen worden. „Ich hab von Anfang an ein sehr gutes Gefühl gehabt, in Rheine meine Ausbildung zur Hebamme zu beginnen“, sagt sie nach vier Monaten im Nordwesten der Republik. Hebammenschulen gibt es in Bayern lediglich in Franken, Schwaben und Oberbayern. Niederbayern: Fehlanzeige. Dennoch wird sie von der Heimat nicht ganz allein gelassen: Laura Hermann ist die erste Stipendiatin, die in den Genuss des Hebammen-Förderprogramms der Arberlandkliniken gekommen ist.
„Ich habe sehr viel über die Arbeit der Hebammen gelesen – aber alleine vom Lesen kann man’s nicht einschätzen, ob das tatsächlich der richtige Beruf für einen ist“, erinnert sich Laura Hermann an die Zeit zurück, als sie sich allmählich von der Theorie hin zur Praxis bewegte. Ein „Live-Check“ musste her. Sie wollte wissen, wie die Hebammen-Realität aussieht – weshalb sie sich Ende vergangenen Jahres am Zwieseler Krankenhaus für ein zweiwöchiges Praktikum bewarb.
Daraus resultierte schlussendlich die Aufnahme in das Hebammen-Förderprogramm, das speziell Hebammen oder Entbindungspfleger in Ausbildung aus Niederbayern und der Oberpfalz begünstigt. Dabei erhalten die Stipendiaten eine finanzielle Unterstützung sowie – was oftmals noch viel wichtiger ist – fachlichen Rat bei Bedarf. Im Gegenzug wird Laura Hermann nach ihrer Ausbildung in Rheine als Hebamme ans Zwieseler Krankenhaus zurückkehren. Ein Deal, der zur langfristigen Sicherung der Geburtshilfe am Standort Zwiesel im Besonderen sowie im Landkreis Regen im Allgemeinen beitragen soll, wie es von Seiten der Arberlandkliniken heißt.
„Als Hebamme kann man relativ schnell eine Wirkung erzielen“
Ihre Ausbildung macht sie nun seit 1. April. „Mir gefällt alles bisher recht gut. Es war für mich natürlich ein großer Schritt nach Rheine zu gehen – aber im Endeffekt war alles viel einfacher, als ich’s mir vorgestellt habe.“ Schule, Ausbilder und Umfeld passen. Sie wohnt gemeinsam mit vier von insgesamt 16 (weiblichen) Auszubildenden (im Alter von 18 bis 28 Jahren) im zur Hebammenschule gehörigen Wohnheim. Dabei ist Laura Hermann die einzige Teilnehmerin aus Bayern. In München, so hatte sie sich einst vorab informiert, gibt es jährlich zwischen 400 und 500 Bewerber – für 20 zu vergebende Plätze. Das sei nicht nur in der bayerischen Landeshauptstadt so, sondern auch an den anderen bayerischen Standorten. Eine nahezu aussichtslose Situation also, die ihr die Entscheidung für Rheine „erleichterte“.
Warum Sie sich überhaupt für den Beruf der Hebamme interessiert? „Nachdem ich mir nicht habe vorstellen können, mein ganzes Leben in der Tourismusbranche zu bleiben, war für mich klar, dass ich in den Sozial- bzw. Pflegebereich wechseln möchte“, sagt die gelernte Tourismusmanagerin, die ihr Studium an der TH Deggendorf absolvierte und daraufhin unter anderem eineinhalb Jahre in der Freyunger Stadtverwaltung beschäftigt war.
„Ich habe mich für die Hebammen-Ausbildung entschieden, weil Schwangerschaft und Geburt ein ganz natürlicher Prozess sind – und ich die werdenden Mütter dabei unterstützen kann“, sagt die Quereinsteigerin. Gefallen hat ihr daran auch, dass man, egal ob mit Pflegemaßnahmen oder Gesprächen, als Hebamme „relativ schnell eine Wirkung erzielt“, wie die 28-Jährige es bezeichnet. „Man muss nicht Wochen oder Monate lang eine Therapie ansetzen, sondern man kommt innerhalb kurzer Zeit zu einem – meist positiven – Ergebnis. Als Hebamme darf ich ein sehr schönes Erlebnis begleiten.“
Den Frauen die Angst nehmen – und Selbstbewusstsein geben
Für ihre Ausbildung sei ihr unter anderem wichtig, möglichst viele praktische Erfahrungen zu sammeln – sowohl in Krankenhäusern als auch bei Hebammen direkt oder in einem Geburtshaus. „Ich möchte mein Wissen so breit wie möglich aufstellen.“ Danach will sie sich weiter orientieren. Über die erschwerten Bedingungen (Stichwort: Haftpflichtproblematik), mit denen Hebammen heutzutage mehr und mehr konfrontiert sind, will sie sich derzeit noch keine Gedanken machen. Der Weg ist das Ziel. Die Lehre steht vorerst im Vordergrund.
„Bei einigen Frauen ist, was die Geburt betrifft, eine gewisse Angst vorhanden. Dem entgegen stellen kann man eine gute Vorbereitung und viel Wissen rund um die Schwangerschaft. Eine Hebamme kann den Frauen die Angst nehmen, ihnen ein Wohlfühlgefühl vermitteln“, ist Laura Hermann nach vier Monaten Ausbildung überzeugt. Eine gute Hebamme zeichnet ihr zufolge aus, der werdenden Mutter das Selbstbewusstsein und diejenigen Informationen zu geben, die sie dazu führen, die Geburt selbst so zu gestalten, wie sie es möchte.
Während ihres Praktikums in Zwiesel sind acht Babys zur Welt gekommen, weshalb Laura Hermann bereits auf „Tuchfühlung“ gegangen ist mit Spontanentbindungen, Wassergeburten und auch Kaiserschnitten. Seit kurzem wird sie auch im Mathias-Spital in Rheine im Rahmen der Ausbildung eingesetzt, wo in diesem Jahr bereits mehr als 1.000 Geburten gezählt worden sind.
Ein wichtiger und verantwortungsvoller Job
Danach gefragt, ob es für eine Hebamme notwendig sei, selbst schon mal ein Kind zur Welt gebracht zu haben, antwortet Laura Hermann: „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Von den Hebammen, mit denen ich mich bisher unterhalten habe, sagen die einen, dass es nach der Geburt des eigenen Kindes keinen Unterschied zu vorher gegeben hat. Die anderen sagen wiederum, dass es einen Unterschied für ihre Arbeit gemacht hat.“ Ob Unterschied oder kein Unterschied – die Neudorferin ist jedenfalls überzeugt davon, dass Hebammen einen wichtigen und verantwortungsvollen Job leisten, den sie nach ihrer Ausbildung mit Leidenschaft und Herz ausüben will – und das vielleicht sogar längerfristig dahoam im Woid…
Stephan Hörhammer