Arnbruck. Schon in Ötzis Magen fand man „Erste-Hilfe“-Kräuter – ein antiseptisches Moos, das als „Sphagnum imbricatum“ bekannt ist. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Menschen schon früh die heilsamen Wirkungen von Flora und Co. zu schätzen wussten. In Arnbruck im Landkreis Regen pflegt man dieses Wissen auch heute noch. Ob aztekisches Traumkraut, Cayenne oder Zitronengras – je ausgefallener das Gewächs, desto wahrscheinlicher ist es, dass man ein Exemplar davon hier vorfindet. Mit 3.000 Kräutern und Heilpflanzen aus aller Herren Länder verfügt die Raritätengärtnerei Treml über einen sagenhaften Fundus, der die Herzen von Pflanzenliebhabern höher schlagen lässt.
Gegründet wurde das exotische Paradies vor 36 Jahren von Franz-Xaver Treml, der zunächst mit gewöhnlichen Schnittpflanzen und Topfblumen handelte. Die Entscheidung, den Betrieb nahezu komplett umzustrukturieren, war für den heute 67-Jährigen einige Jahre später eine „reine Frage der Vernunft“.
Entscheidung, fortan auf Raritäten zu setzen
Ein immer härter umkämpfter Markt aufgrund der zunehmenden Konkurrenz der Discounter sowie deren Dumpingpreise forderten ein Umdenken. Um sich ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen, entschied er sich letztlich dazu, fortan in seiner Gärtnerei auf Raritäten zu setzen. Den endgültigen Anstoß dazu lieferten ihm die vielen Eindrücke auf seinen zahlreichen Reisen. „Als ich beispielsweise in Italien gesehen habe, wie intensiv die Pflanzen dort mit Giftstoffen behandelt werden, wusste ich, dass ich so etwas meinen Kunden nicht anbieten möchte“, erzählt er. Seitdem baut er auf eine streng biologische und giftfreie Kultur.
Aber auch das veränderte Einkaufsverhalten der Menschen habe strukturelle Veränderungen gefordert. So begann Treml Ende der 90er Jahre – in einer Zeit also, in der sich das Internet noch im Entwicklungsstadium befand – einen Online-Versandhandel zu starten. Der breite Radius, den sein Kundenstamm umfasst (dieser reicht mittlerweile bis nach Südafrika) machte dies notwendig. Heute verfügt die Raritätengärtnerei über ein weltweites Kontaktnetzwerk und kann dabei die Samen für seine Heilpflanzen aus den verschiedensten Ländern – von Portugal über Südafrika bis nach China – beziehen. Überall war Treml in all den Jahren schon vor Ort, um Kräutergärten aufzubauen und Wissen zu sammeln, das er als gefragter Experte und Fachbuchautor auch gerne weitergibt.
Treml übergibt nach 30 Jahren das Ruder an Kalivoda
Mittlerweile ist Franz-Xaver Treml im Ruhestand. 2010 stellten sich in der BR-Sendung „Nachfolger gesucht“ mehrere Bewerber für die Übernahme der Gärtnerei zur Wahl. Letztlich fand er jedoch außerplanmäßig, nämlich in seinem langjährigen Mitarbeiter Jan Kalivoda, einen würdigen Nachfolger, der den Betrieb seit Mai 2015 mit zwei Mitarbeiterinnen führt und dem die Liebe zu den Pflanzen und Kräutern bereits in die Wiege gelegt wurde. „Mein Großvater hat mich von Kindesbeinen an mit den unterschiedlichsten Kräutern vertraut gemacht“, berichtet der studierte Gärtnermeister.
Aufgrund der Entfernung zu seiner Frau und den beiden Kindern in Tschechien zögerte der 41-Jährige anfangs, Tremls Raritätengärtnerei zu übernehmen. Letztlich entschied er sich jedoch dazu, das Lebenswerk seines Chefs weiterzuführen. Genau wie Franz-Xaver Treml konnte auch er sich in den vergangenen Jahren eine beachtliche Expertise auf dem Gebiet der seltenen Gewächse aneignen. „Kräuterpapst“ Treml ist dennoch nicht vollständig von der Bildfläche verschwunden: Wann immer er Zeit findet, schaut er in der Gärtnerei vorbei und berät die Kunden, zu denen neben zahlreichen Heilpraktikern übrigens auch der Münchener Starkoch Alfons Schuhbeck gehört.
Viagra aus dem Garten und Brahmi gegen Vergesslichkeit
Überhaupt wird die persönliche Beratung in der Raritätengärtnerei groß geschrieben, wie Jan Kalivoda erklärt. Diese ist auch notwendig, wenn man als Laie mehr über die geheimen Kräfte erfahren möchte, die in den zahlreichen Pflanzen und Kräutern schlummern. Demnach wissen wohl die wenigsten, dass nur ein Blatt des „Schwammerlkrauts“ den Tagesbedarf an Kalzium und Eisen deckt. Oder dass es eine spezielle Pflanze gegen Vergesslichkeit gibt. Diese nennt sich Brahmi und wird in der ayuverdischen Medizin zur Verbesserung der Gedächtnisleistung und zur Förderung der kognitiven Fähigkeiten im Alter angewendet.
Interessant für den ein oder anderen ist sicherlich auch die Wirkung der Maca-Pflanze aus Peru, deren Knolle bei Männern eine potenzsteigernde Wirkung haben soll. Bei Frauen erzeugt das Gewächs wiederum eine Belebung der Libido. Oder der „Katzenschwanz“ aus Südafrika, der aufgrund seiner ähnlichen Wirkstoffe wie die der Aloe Vera zur Wundbehandlung eingesetzt wird. Ob also für den heimischen Garten oder die Hausapotheke – es gibt scheinbar nichts, was es hier nicht gibt. Und darauf werden die Besucher schon auf einem Schild am Eingang der Rariätengärtnerei hingewiesen: „Bei uns gibt’s alles, was Sie brauchen. Was wir nicht haben, brauchen Sie auch nicht.“
David Salimi