Grafenau. „Gegen Tradition? Boooooh!„, „Is scho peinlich… für die Stadt bzw. s’Rathaus „, „Wählts amoi an neuen Bürgermeister, der jetzige taugt ned #Maibaumforbrotzeit„. Der Großteil der Social-Media-Kommentare fällt offensichtlich eindeutig unzweideutig aus. In den beiden vergangenen Tagen ging ein regelrechter Shitstorm auf die Facebook-Seite der Stadt Grafenau bzw. dessen Rathaus-Chef nieder. Auslöser dafür war die mediale Berichterstattung über die Ankündigung von Bürgermeister Max Niedermeier, er würde Anzeige gegen eine Gruppe junger Maibaum-Diebe erstatten, sollten diese das bayerische Brauchtumssymbol nach dessen Entwendung am vergangenen Wochenende nicht umgehend wieder an Ort und Stelle (alter Grafenauer Bauhof) zurückbringen (da Hog’n berichtete am Dienstag). Der wenig entzückte Niedermeier, so heißt es, beharre weiterhin vehement darauf, dass es nicht angehen könne, den Baum früher als eine Woche vor dem 1. Mai zu entwenden. Dies entspreche seiner Meinung nach nicht der Tradition. Eine Ansicht, mit der nicht gerade viele Maibaum-Diebe im bayerischen Raum konform gehen, wie die empörten Reaktionen im Netz belegen. Unterdessen gibt es Neuigkeiten von den Maibaum-Entführern…
„Dank solcher Aktionen stirbt das Brauchtum in Bayern aus“
„Kein Bier, keine Brotzeit – die ganze Freude um den erfolgreichen Maibaum-Diebstahl: vergebens“, ist von Seiten der Burschen zu vernehmen, die mit ihrem Baum-Klau die Sympathien der Social-Media-Gemeinde hinter sich wissen. „Zur Schande der Grafenauer wollte der erste Bürgermeister, Herr Niedermeier, seinen Maibaum nicht auslösen, da für ihn zwei Wochen vor dem 1. Mai keine bayerische Tradition ist“, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme, die dem Onlinemagazin da Hog’n vorliegt. „Die bayerische Maibaumtradition besagt: Sobald der Baum im Ort liegt, darf dieser gestohlen werden – egal, ob zwei oder nur eine Woche vor dem 1. Mai.“
Und weiter: „Alle Bürgermeister halten sich an diese Regel, wie zum Beispiel der Bürgermeister von Schönberg – nur Grafenau meint, eine Sondergenehmigung zu haben. Nicht nur die Tatsache, dass andere Gemeinden in der Gegend auch bereits sehr früh ihren Maibaum auslösen mussten und die Diebe dafür ihre angemessene Entlohnung erhalten haben, hielt der Bürgermeister für nicht relevant. Anstatt mit uns zu verhandeln, drohte er uns mit einer Anzeige wegen Diebstahls. Traurig aber wahr, dank solcher Aktionen stirbt das Brauchtum in Bayern aus.“
Klare Worte, die die Maibaum-Diebe aus dem Grafenauer Land an den ersten Mann der Bärenstadt richten. Worte, die nicht wirklich darauf schließen lassen, dass sie sich auf den jüngsten „Vorschlag“ aus dem Rathaus einlassen möchten. Von dort wurde am Dienstag dieser Woche verlautbart: Wenn die Entführer den Baum wieder zurückbringen und ihn dann mindestens eine Woche vor dem 1. Mai nochmals stehlen würden, wäre das Maibaumstehlen korrekt durchgeführt und durch das Brauchtum abgedeckt. Und dann würde auch die Auslöse bezahlt werden.
„Er bezieht sich auf die bekannten örtlichen Gepflogenheiten“
Indes geht die Grafenauer Stadtverwaltung weiterhin davon aus, wie die jüngste Nachfrage des Onlinemagazins da Hog’n bestätigt, „dass die mündliche Zusage der Maibaumentführer eingehalten wird und der Baum noch diese Woche wieder an Ort und Stelle zurückkehrt“. Auf die Frage hin, worauf sich der erzürnte Bürgermeister mit seiner Behauptung, der Baum dürfe frühestens eine Woche vor dem 1. Mai „gestohlen“ werden, berufe, bekommen wir als Antwort: „Er bezieht sich auf die ihm bekannten örtlichen Gepflogenheiten in Bezug auf das Maibaumstehlen.“
Wenn auch nach akribischer Internet-Recherche die Niedermeier’sche Regelung in Sachen Maibaumstehlen nicht belegt werden kann – so ganz falsch scheint er nicht zu liegen, wie ein Blick auf einen Auszug aus der „Grafenauer Woche“ (Vorgänger des Werbewurf-Blättchens „Neue Woche“) zeigt. Diesen hat uns Hog’n-Leser Christian Wolf aus Haus im Wald, einem Ortsteil Grafenaus, per Facebook-Kommentar zukommen lassen. Bei den dort aufgeführten Regeln steht unter Punkt 3 geschrieben, worauf Niedermeier beharrt. Leser Christian Wolf dazu: „Ich bin selber beim Stehlen dabei, aber nur nach den Regeln“, schreibt er – und fügt hinzu: „Ich kenn es schon immer so: eine Woche vorher, anders nicht!“
Woher kommt diese Borniertheit des Grafenauer Bürgermeisters?
„Laut den Goldenen Regeln des Maibaumstehlens haben wir gegen keine Regel verstoßen und haben uns an das Brauchtum gehalten“, sind hingegen die Maibaum-Diebe von der Richtigkeit ihres Vorgehens weiterhin überzeugt. „Keiner von uns hätte sich je denken können, dass das Stehlen vor dem 1. Mai einen so großen Aufstand macht“, ist das Unverständnis über die Reaktion Niedermeiers unverändert groß.
Und ja: Unabhängig jeglichen Regelwerks bzw. Vorschriften, ob das Brauchtum richtig oder falsch angwendet worden ist, stellt sich dem geneigten Leser die Frage, warum Bürgermeister Max Niedermeier mit nahezu beispielloser Sturheit darauf besteht, den Baum höchstens eine Woche vor dem 1. Mai stehlen zu lassen – und am Ende sogar mit der juristischen Keule droht. Woher kommt diese unverhältnismäßige und in diesem Fall unangebrachte Reaktion? Warum kann er in dieser Angelegenehit nicht einfach die berühmte Fünf gerade sein lassen? Fragen, die sich nicht nur die Maibaum-Diebe stellen, sondern auch große Teile der Leserschaft. Für sie steht fest: Mit seinem dickköpfigen Vorgehen hat der Bürgermeister seiner Bärenstadt einen wahren Bärendienst erwiesen. „Viele Kommentare bei Facebook bestärken uns in unserem Vorhaben, da viele über Herrn Niedermeiers Handeln empört sind. Wir hoffen alle, dass dies noch zu einem guten Ende führt“, kommentiert ein Sprecher der Burschen.
da Hog’n
–> Hat der Grafenauer Maibaum-Klau ein juristisches Nachspiel?