Monterey/Freyung. Den tödlichen Unfall des georgischen Rodlers Nodar Kumaritaschwili im Vorfeld der olympischen Spiele von Vancouver wird sie wohl nicht so schnell vergessen. Zum einen, weil sie der Unfall selbst berührte. Zum anderen, weil sie für die Bearbeitung der vielen deutsch- und englischsprachigen Anfragen vom Präsidenten des internationalen Rennrodelverbandes, Josef Fendt, höchstpersönlich engagiert worden ist. „Er ist Bayer und spricht Dialekt“, erklärt die 51-Jährige. „Deshalb wollte er genau mich.“ Andrea Hofmann-Miller ist gebürtige Freyungerin, wohnt aber seit über 30 Jahren in Monterey/Kalifornien. Neben Bairisch und Deutsch beherrscht sie deshalb auch das amerikanische Englisch, ist Dolmetscherin – und wurde genau deshalb von Josef Fendt ausgewählt. „Er hatte Angst, dass ihn sonst keiner versteht“, sagt sie und lacht. Out of da Woid!
Dass sie irgendwann mal als Dolmetscherin bei den größten sportlichen und politischen Veranstaltungen der Welt dabei ist, war für Andrea Hofmann so gut wie ausgeschlossen. Sie wächst in der „VdK-Siedlung“ in Freyung auf, liebt die Landschaft, das Wetter und die Menschen des Bayerischen Waldes. „Damals waren die Vereinigten Staaten unvorstellbar weit weg. Ich war eine richtige Waidlerin und wollte nie meine Heimat verlassen“, erinnert sie sich.
Aus der Waidlerin wird endgültig ein „Ami“
Obwohl sie sich während der Schulzeit am Gymnasium Freyung für Sprachen interessiert, gehört Englisch nicht zu ihren Lieblingsfächern. Die Kultur und der Zungenschlag Frankreichs sind da schon eher ihr Ding. Erst während ihres BWL-Studiums in Regensburg lernt sie die USA kennen – in Form eines jungen Amerikaners, der ihr Lebenspartner wird. „Um ihn zu besuchen, bin ich mal nach Übersee gereist.“ Und dort blieb sie dann irgendwie hängen.
Sie entschließt sich, an der Universität von Monterey in Kalifornien ihr Studium abzuschließen – was ihr 1989 erfolgreich gelingt. Auch nach der Trennung von ihrem damaligen Lebensgefährten bleibt sie im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. „Ich wollte zumindest ein paar Jahre in den USA arbeiten.“ Hört sich einfacher an, als es eigentlich ist. Denn die junge Waidlerin wird von Heimweh geplagt. „Das war anfangs richtig schlimm“, blickt sie auf diese Zeit zurück. „Komischerweise habe ich da das nicht so gute Brot in den USA in Erinnerung.“ Trotzdem beißt sie sich durch. Fühlt sich in der 30.000-Einwohner-Stadt Monterey immer wohler. Das liegt besonders an Don Miller. 1995 heiraten die beiden – aus Andrea Hofmann wird Andrea Hofmann-Miller. Aus der Waidlerin wird endgültig ein „Ami“.
Weil es für ihren Mann, der als Rechtsanwalt tätig ist, wegen der unterschiedlichen Gesetze sehr schwer ist, in Deutschland zu arbeiten, entschließt sich das junge Paar in Millers Heimat zu bleiben. „Meine Eltern waren darüber natürlich alles andere als begeistert.“ Letzte Zweifel an diesem Entschluss werden mit der Geburt der Töchter Nina (16), Helen (13) und Emma (10) aus der Welt geschafft, die in den Vereinigten Staaten aufwachsen sollen. Da Woid ist die Heimat der heute 51-Jährigen, Kalifornien inzwischen das Zuhause. Schnell lernt sie auch die Sprache, findet sich dadurch immer besser zurecht. Aus diesem Grund rutscht sie auch in ihren Beruf als Dolmetscherin, macht den Master in dieser Sparte. „Ja, es war ein Zufall, dass ich in den USA gelandet bin. Genauso war es Zufall, dass ich Dolmetscher geworden bin.“
„Ich muss beide Sprachen reinhalten“
Durch ihren Beruf verlernt sie aber nicht ihre Muttersprache, wie es bei einigen Auswanderern üblich ist. Ihr ist während des Gesprächs kaum anzumerken, dass sie schon über drei Jahrzehnte nicht mehr in Deutschland lebt. „Das ist sehr wichtig. Bei den Übersetzungen muss ich die Sprachen rein halten.“ So war sie schon – wie vorher angesprochen – bei den olympischen Spielen im Einsatz, übersetzte dort die Pressekonferenzen der deutschen Medaillengewinner. Auch das US-amerikanische Außenministerium greift bei Terminen mit deutschen Vertretern immer wieder auf ihre Dienste zurück. „Ich werde flexibel gebucht und bin deshalb sehr viel unterwegs.“ Zu ihren Aufträgen zählen auch internationale Konferenzen der Bäcker oder Schrauben-Hersteller. Egal, ob Deutsch-Englisch oder Englisch-Deutsch – Andrea Hofmann-Miller beherrscht beides fließend.
Bis auf die unterschiedlichen Sprachen werden sich ihren Aussagen zufolge die US-Amerikaner und die Deutschen immer ähnlicher. „Die Unterschiede werden immer kleiner“, erklärt die 51-Jährige. Die Kalifornier beschreibt sie als entspannt und gemütlich – selbiges treffe auch auf die Waidler zu. Zudem lässt der Kleidungsstil beider Nationen keine Rückschlüsse mehr auf deren Herkunft zu. Die Internationalisierung schreitet voran. „Dennoch gibt es weiterhin ein paar Unterschiede – und das ist auch gut so.“ In ihrer neuen Heimat würde einiges viel einfacher sein, unkomplizierter. Auf der einen Seite gut, wenn man an die oft langwierige Bürokratie in Deutschland denkt – auf der anderen Seite schlecht, wenn man den Umgang mit fahrigen Waffen in den Vereinigten Staaten im Auge hat. „Es ist einfach so“, erzählt sie. „In den USA hat man eine Waffe unterm Kopfkissen oder in der Schublade. Wir haben das allerdings nicht nötig.“
„Eine interessante Mischung“
Obwohl sich Andrea Hofmann-Miller in ihrer neuen Heimat wohl fühlt, absolut integriert ist, kehrt sie immer wieder gerne nach Freyung zurück. Die zwölf Stunden Flugzeit sind für sie – typisch amerikanisch – kein Problem, auch wenn sie natürlich mit dem Jetlag zu kämpfen hat. Von der Entwicklung ihres Geburtsortes indes ist sie angetan, auch wenn „die Waidler immer noch ein bisschen verbohrt sind“, wie sie lachend feststellt. „Gleichzeitig haben sie aber den Drang, Neues kennenzulernen. Eine interessante Mischung.“
Helmut Weigerstorfer